Der Architekt A. Achleiter bemerkt:
„Wenn man über Mischung nachdenkt, kommt man zwangsläufig zum Begriff der Reinheit, und damit betritt man philosophischen wenn nicht gar ideologischen Boden. … Mischen hat mit Vermischen zu tun, und dem Mischling ist nach den Gesetzen der Reinheit nicht zu trauen. Warum? Er kann sich einfach nicht für die eine oder andere Reinheit entscheiden, er bleibt darum allen Reinheiten suspekt. Die Reinheit als höchste Qualität…“
… ist im Bereich der Getränke eine Illusion, eine Fiktion, ein Gedankengebilde, möchte ich ergänzen. Die Reinheit, die Echtheit, die Unverfälschheit und Ursprünglichkeit ist eine Utopie und bestenfalls eine Frage der Definition.
Und ein Instrument des Marketings – heute beliebter denn je.
In einer quirligen Zeit, in der sich immer schneller drehenden Spirale von Veränderungen, im Tohuwabohu, im Hexenkessel der Medienwelt entdecken die Agenturen die Werbekraft, die Schlichtheit, die Unschuld und Unberührtheit der Reinheit, der „Purity“. – Und lügen.
Die Zunahme des Reinheitsbegriffes im Bereich der Vermarktung von Getränken und Spirituosen hat viele Gründe: Die Werbeetats der Getränkeproduzenten haben sich vergrößert, die Zahl der verfügbaren Produkte ist enorm angestiegen und insbesondere Bier, Wodka und Wasser werden stärker beworben. Gerade beim Wasser und seinem alkoholischen Pendant dem „Wässerchen“ zeigt sich aber, wie sehr die Reinheit und pure Ursprünglichkeit zur Zeitgeist-Masche geworden ist. Mit welchem Attribut sonst sollte man solche fast geruchs- und geschmacklosen, klaren und neutralen flüssigen Medien belegen?
Ein paar Beispiele gefällig?
Selters – Ein reines Wasser muss durch einen tiefen Stein.
Staatl. Fachingen – Rein und natürlich.
Volvic – Natur pur.
Odenwald Quelle – Leben pur.
Lieler Schlossbrunnen – Lebensfreude pur…
Brunnthaler – Pure Reinheit von der Eiszeit bis heute.
Wodka Gorbatschow – Des Wodkas reine Seele.
Skyy Vodka – Pure. Mild. And sexyy.
Russian Standard – Pure Russian.
Finlandia – Vodka from a purer place.
Smirnoff – Pure Vodka. Pure Smirnoff.
Mein Lieblingsspruch allerdings stammt bereits aus den Siebzigern:
Puschkin – ein verdammt nobler Tropfen. Hart – aber gut. Reinheit ist seine Stärke.
Reiner Blödsinn ist auch rein.
Alchemyst pur – super 🙂
Nichts Anderes hätte ich von dir erwartet.
Ganz große Klasse, wirklich famos.
Den Abschlusssatz habe ich auch schon des Öfteren in meinem Sprachgebrauch entdeckt.
Einfach zu wahr und zutreffend.
Jonas
Dann gibt es ja noch die andere Dimension des Begriffs „Reinheit“, nämlich: „Nicht bloß sauber, sondern …“ oder die reinlichen Menschen, die wir alle so gern haben. Und was rein ist, das ist natürlich auch gesund – und ökologisch sowieso.
Also: dieser Begriff schlägt extrem viele Fliegen mit einer Klappe. Das soll ihm mal einer nachmachen.