Das Recht auf mehr Alkohol

Wenn ich den Bartender kenne, so nehme ich mir öfter die Freiheit herraus und formuliere meine Bestellung folgendermaßen: „Ich bin mir nicht sicher was ich trinken soll. Ich lasse mich gerne überraschen“. Manchmal werden mir daraufhin Vorschläge gemacht oder einfach ein Drink zubereitet. Besonders in diesem Fall, aber auch wenn ich einen konkreten Drink nenne, verlasse ich mich also voll und ganz auf das Können des Bartenders.
Einmal ganz von dieser Praxis abgesehen, kommt es schon manchmal vor, dass man nach dem ersten Probieren gerne noch einen Dash Bitters oder ähnliches im Drink haben will.
Zum Beispiel ein einfacher Rum Sour: Wenn ich den Bartender nach einem kleinen bisschen mehr Rum frage, dann geht es in aller erster Linie um das Geschmackserlebnis.

„Mit meinem Cocktail stimmt etwas nicht, der schmeckt überhaupt nicht nach Alkohol.“

Dieser Satz sollte hinlänglich bekannt sein. Die Unerfahrenheit des Reklamierenden, was richtig zubereitete Drinks angeht oder ganz einfach die Tatsache daß er wirklich mehr von der alkoholischen Basisspirituose trinken möchte, könnten hierfür Gründe sein. Der Barkeeper kann dem Gast nun zustimmen und einfach seinem Wunsch nachkommen oder versuchen ihn davon zu überzeugen, dass mit dem Cocktail alles in Ordnung sei. Das Letzteres so gut wie ausgeschlossen ist, dürfte jedem bewusst sein, der diese Art von Gast schon vor sich hatte. Und bis zu einem gewissen Grad ist der Gast ja nun mal einfach im Recht.
Was aber, wenn der Gast wiedererwarten mit dem Thema vertraut ist und bei der Zubereitung des Getränks genau aufgepasst hat? Was passiert, wenn in der Karte die Rezepte mit cl-Mengen angegeben waren und der vermeintliche Connaisseur dem Barkeeper unterstellt, er hätte einen Fehler gemacht? Dann, hat er tatsächlich wirklich das Recht, seinen Cocktail zu reklamieren. Und das sogar per Gesetz. Das bekannteste Beispiel ist wohl ein Urteil des Amtgerichts Flensburg vom 9.10.1981, indem es um den Pharisäer geht. Darin wird zwar kein endgültiges Rezept genannt. Aber der Richter gab einem Mann recht, der einen Pharisäer mit nur 2cl Rum nicht bezahlen wollte, weil dieser nicht original getreu nach genug Rum schmeckte.
Einige Paragraphen im Bürgerlichen Gesetzbuch sichern dieses Recht sogar grundsätzlich zu, wie man in „Das dritte Lexikon der Rechtsirrtümer“ lesen kann. Dort sind folgende Paragraphen aufgeführt: §433 Abs. 1 BGB, §437, §439, §440 und §651.

Genau genommen könnte jemand in eine Bar kommen, mit einem konkreten Rezept, welches er auf einer schlechtgemachten Internetseite gefunden hat und vom Barpersonal verlangen, den von ihnen angebotenen Drink, genau nach diesem Rezept zu bereiten. Das Bild einer solchen Person möge sich jeder selber vor Augen führen.
Wer von diesen Gesetzen Gebrauch macht, hat nun wirklich nichts in einer Bar verloren. Das an ihm die gesamte Atmosphäre dieser wunderbaren Orte vorbeigeht und er ohnehin nicht wegen des Genusses anwesend ist, erklärt sich von selbst. Dieser Spießer wird niemals begreifen, warum nicht per Gesetz festgelegt ist, wie welcher Drink zu mixen ist.
Gehen wir einmal davon aus (Stichwort: Regulierungswut der EU), Cocktailrezepte wären per Gesetz festgelegt und auch nur diese zertifizierten Drinks dürfen zubereitet werden. Aus der Tatsache das die Behörden einige Cocktails einfach unter den Tisch fallen lassen, weil sie nicht alle für relevant halten, könnte sich folgendes Bild ergeben: Es würden im Stil der Speakeasies, Bars existieren, in denen der geneigte Trinker heimlich seine verbotenen Getränke zu sich nehmen kann…

Ich bin froh, dass meine favorisierten Bars alle unterschiedlich sind. Jede hat ihren eigenen Stil und hat mit Einheitsbrei nichts zu tun.

Philipp Jäckel

Das Wissen um die Bar so wie einiger ausgewählter Themen im Detail kommen größtenteils nur durch eine intensive Beschäftigung mit der Cocktail- und Barkultur in seiner Freizeit. Begonnen hat das alles 2006. Einzelne Schwerpunkte im Bereich der Getränke legt Philipp in der Bar zu Hause nicht. Neben allerlei Spirituosen haben auch Bier und Wein ihren festen Platz gefunden.

3 Kommentare

  1. Dominik Steinberger

    Was die Bürokratie alles hervorbringt – unglaublich.
    Ich nehme aber auch an, dass die Menschen, die ein solches Verhalten mit dem Wissen der rechtlichen Basis zeigen könnten, eine Bar mit eigenen Rezepten zu schätzen wissen, denn wer kennt dieses Recht schon?
    Ich denke gerade an die Leute in meinem Freundeskreis, denen ich diese Frage nach mehr Alkohol mit dem Ziel des Rausches zutrauen würde – keiner davon dürfte dieses Recht kennen. Aber von denen schaut auch keiner hier vorbei 😉

  2. Thorwise

    Um kurz zu beweisen, dass hier tatsächlich Leute vorbeischauen, die so etwas wissen 😉 :
    Natürlich hat, wer ein jeder Recht auf das, was er kaufen möchte. Und wenn in der Rezepteliste die „Eigenschaftenliste“ aufgeführt ist, dann hat der Käufer auch das Recht es zu erhalten, die Abweichung ist klar ein Mangel.
    Deswegen kann man nur dazu raten, keine solche Angaben auf der Karte zu machen. Und den Gast nicht mit der Alkoholmasse sondern der Klasse der Drinks zu überzeugen. Oder im Notfall Preisnachlass zu geben:
    Sowas fällt dann unter die Kategorie: „Alternative Dispute Resolution“
    Liebe Grüße

  3. weltraumpirat

    Es kommen immer mal wieder „Was ist am billigsten und knallt am meisten“-Leute an die Bar. Diese schicke ich dann zur nächsten Tankstelle, um sich eine Flasche Korn zu kaufen.

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Das Recht auf mehr Alkohol

Wenn ich den Bartender kenne, so nehme ich mir öfter die Freiheit herraus und formuliere meine Bestellung folgendermaßen: „Ich bin mir nicht sicher was ich trinken soll. Ich lasse mich gerne überraschen“. Manchmal werden mir daraufhin Vorschläge gemacht oder einfach ein Drink zubereitet. Besonders in diesem Fall, aber auch wenn ich einen konkreten Drink nenne, verlasse ich mich also voll und ganz auf das Können des Bartenders.
Einmal ganz von dieser Praxis abgesehen, kommt es schon manchmal vor, dass man nach dem ersten Probieren gerne noch einen Dash Bitters oder ähnliches im Drink haben will.
Zum Beispiel ein einfacher Rum Sour: Wenn ich den Bartender nach einem kleinen bisschen mehr Rum frage, dann geht es in aller erster Linie um das Geschmackserlebnis.

„Mit meinem Cocktail stimmt etwas nicht, der schmeckt überhaupt nicht nach Alkohol.“

Dieser Satz sollte hinlänglich bekannt sein. Die Unerfahrenheit des Reklamierenden, was richtig zubereitete Drinks angeht oder ganz einfach die Tatsache daß er wirklich mehr von der alkoholischen Basisspirituose trinken möchte, könnten hierfür Gründe sein. Der Barkeeper kann dem Gast nun zustimmen und einfach seinem Wunsch nachkommen oder versuchen ihn davon zu überzeugen, dass mit dem Cocktail alles in Ordnung sei. Das Letzteres so gut wie ausgeschlossen ist, dürfte jedem bewusst sein, der diese Art von Gast schon vor sich hatte. Und bis zu einem gewissen Grad ist der Gast ja nun mal einfach im Recht.
Was aber, wenn der Gast wiedererwarten mit dem Thema vertraut ist und bei der Zubereitung des Getränks genau aufgepasst hat? Was passiert, wenn in der Karte die Rezepte mit cl-Mengen angegeben waren und der vermeintliche Connaisseur dem Barkeeper unterstellt, er hätte einen Fehler gemacht? Dann, hat er tatsächlich wirklich das Recht, seinen Cocktail zu reklamieren. Und das sogar per Gesetz. Das bekannteste Beispiel ist wohl ein Urteil des Amtgerichts Flensburg vom 9.10.1981, indem es um den Pharisäer geht. Darin wird zwar kein endgültiges Rezept genannt. Aber der Richter gab einem Mann recht, der einen Pharisäer mit nur 2cl Rum nicht bezahlen wollte, weil dieser nicht original getreu nach genug Rum schmeckte.
Einige Paragraphen im Bürgerlichen Gesetzbuch sichern dieses Recht sogar grundsätzlich zu, wie man in „Das dritte Lexikon der Rechtsirrtümer“ lesen kann. Dort sind folgende Paragraphen aufgeführt: §433 Abs. 1 BGB, §437, §439, §440 und §651.

Genau genommen könnte jemand in eine Bar kommen, mit einem konkreten Rezept, welches er auf einer schlechtgemachten Internetseite gefunden hat und vom Barpersonal verlangen, den von ihnen angebotenen Drink, genau nach diesem Rezept zu bereiten. Das Bild einer solchen Person möge sich jeder selber vor Augen führen.
Wer von diesen Gesetzen Gebrauch macht, hat nun wirklich nichts in einer Bar verloren. Das an ihm die gesamte Atmosphäre dieser wunderbaren Orte vorbeigeht und er ohnehin nicht wegen des Genusses anwesend ist, erklärt sich von selbst. Dieser Spießer wird niemals begreifen, warum nicht per Gesetz festgelegt ist, wie welcher Drink zu mixen ist.
Gehen wir einmal davon aus (Stichwort: Regulierungswut der EU), Cocktailrezepte wären per Gesetz festgelegt und auch nur diese zertifizierten Drinks dürfen zubereitet werden. Aus der Tatsache das die Behörden einige Cocktails einfach unter den Tisch fallen lassen, weil sie nicht alle für relevant halten, könnte sich folgendes Bild ergeben: Es würden im Stil der Speakeasies, Bars existieren, in denen der geneigte Trinker heimlich seine verbotenen Getränke zu sich nehmen kann…

Ich bin froh, dass meine favorisierten Bars alle unterschiedlich sind. Jede hat ihren eigenen Stil und hat mit Einheitsbrei nichts zu tun.

Philipp Jäckel

Das Wissen um die Bar so wie einiger ausgewählter Themen im Detail kommen größtenteils nur durch eine intensive Beschäftigung mit der Cocktail- und Barkultur in seiner Freizeit. Begonnen hat das alles 2006. Einzelne Schwerpunkte im Bereich der Getränke legt Philipp in der Bar zu Hause nicht. Neben allerlei Spirituosen haben auch Bier und Wein ihren festen Platz gefunden.

3 Kommentare

  1. Dominik Steinberger

    Was die Bürokratie alles hervorbringt – unglaublich.
    Ich nehme aber auch an, dass die Menschen, die ein solches Verhalten mit dem Wissen der rechtlichen Basis zeigen könnten, eine Bar mit eigenen Rezepten zu schätzen wissen, denn wer kennt dieses Recht schon?
    Ich denke gerade an die Leute in meinem Freundeskreis, denen ich diese Frage nach mehr Alkohol mit dem Ziel des Rausches zutrauen würde – keiner davon dürfte dieses Recht kennen. Aber von denen schaut auch keiner hier vorbei 😉

  2. Thorwise

    Um kurz zu beweisen, dass hier tatsächlich Leute vorbeischauen, die so etwas wissen 😉 :
    Natürlich hat, wer ein jeder Recht auf das, was er kaufen möchte. Und wenn in der Rezepteliste die „Eigenschaftenliste“ aufgeführt ist, dann hat der Käufer auch das Recht es zu erhalten, die Abweichung ist klar ein Mangel.
    Deswegen kann man nur dazu raten, keine solche Angaben auf der Karte zu machen. Und den Gast nicht mit der Alkoholmasse sondern der Klasse der Drinks zu überzeugen. Oder im Notfall Preisnachlass zu geben:
    Sowas fällt dann unter die Kategorie: „Alternative Dispute Resolution“
    Liebe Grüße

  3. weltraumpirat

    Es kommen immer mal wieder „Was ist am billigsten und knallt am meisten“-Leute an die Bar. Diese schicke ich dann zur nächsten Tankstelle, um sich eine Flasche Korn zu kaufen.

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