Der alte Mann und das Meer… und sein Weinkeller

Bilder von: Detlef Cordes

Fotos: Detlef Cordes, Hamburg

Das da oben bin ich.
Ich inspiziere gerade meinen zukünftigen Weinkeller.
Auf dem Bild ist er rechts zu erkennen.
Ist es nicht eine wunderbare Idee, das Meer als Weinlager zu nutzen?

Der Champagner des Zaren
Der Gedanke umtreibt mich schon eine ganze Weile, seitdem 1997 vor der finnischen Küste der 1916 vom deutschen U-Boot U22 versenkte Zweimastschoner Jönköping von einer Suchexpedition entdeckt wurde.
An Bord befand sich eine kostbare Fracht, die für den russischen Zaren Nikolaus II. bestimmt war. Neben Wein und Cognac enthielt die Ladung 2000 schwere, mundgeblasene Flaschen Champagner der Marke Heidsieck Monopole aus dem Jahre 1907.
Der Zustand des Champagners war eine kleine Sensation. Zur Überraschung aller Kenner hatte die Qualität des Champagners die lange Zeit makellos überstanden. Die kühle, feuchte Lagerung erwies sich als optimal.
Mario Scheuermann bewertete damals den Champagner äusserst positiv und vermerkte lediglich eine verminderte Perlage und einen etwas kurzen Abgang. –
Als einige dieser Flaschen 2001 im Hotel Vier Jahreszeiten versteigert wurden, musste ich leider bereits bei 990,- DM die Segel streichen. Der Champagner erreichte pro Flasche zum Teil die doppelte Summe…

Ein Rückschlag
Einen weiteren Anstoß erhielt ich 2004, als vor der südenglischen Küste das Wrack der „Seine“ entdeckt wurde und mit ihr 20000 Flaschen mit 49 Jahre altem Champagner.
Bei der anschließenden Verkostung zeigte sich der Edelschäumer zwar trinkbar, doch fehlte ihm eine ansprechende Perlage und er offenbarte sich als etwas muffig mit einem leichten Fischaroma, welches unter Umständen bestenfalls in der Kombination mit Kaviar oder Austern harmonieren könnte. – Das war ein kleines Debakel, sodass ich meinen verwegenen Plan für eine Weile wieder verwarf.

Die Wiege des Meeres für Louis Roederer

Neuen Mut, mein Projekt der Meereslagerung voranzutreiben, fasste ich allerdings im letzten Jahr, als ich von einem laufenden Experiment in der Bucht von Saint Malo im Nordosten der Bretagne hörte. Taucher deponierten dort im Juni 2008 in ca. 14 Meter Tiefe etliche Flaschen der Champagnerkellerei Louis Roederer. Ein Jahr lang soll der Schäumer auf dem Meeresboden reifen. Dann wird verkostet.

Ein idealer Ort
Versunkene Schiffe und gewagte Experimente wiesen mir den Weg.
Nun werde ich meinen Champagner, nachdem ich ihn mit Wachs versiegelt habe, in einem Drahtkäfig an einem selbstverständlich geheimen Ort auf den Meeresboden versenken, um ihn dort weiter reifen zu lassen.

Die Bedingungen für die Weinlagerung und die Reifung sind ideal:
-In einer gewissen Tiefe ergibt sich eine konstante Temperatur von ca. 11°C, was der optimalen Lagertemperatur entspricht.
-Der Lagerort ist dunkel und der edle Flascheninhalt wird durch die dicke Wasserhaut vor der UV Strahlung geschützt, sodaß ein Lichtgeschmack verhindert wird.
-Der Reifungsprozeß wird durch die sachte Bewegung des Wassers vorangetrieben.
Durch die Tide und die Strömung erlebt das noble Hefeprodukt eine sanfte Tiefen-Massage.

Champagner – tiefergelegt
Nachdem bisher lediglich schlechter Champagner von getauften Schiffsrümpfen ins Meer tropfte, werde ich nun meine wertvollen Jahrgangspullen ins kühle Nass eintauchen und gebe damit dem Meer kurzfristig zurück, was diesem Gewässer einen Teil seiner Einzigartigkeit verdankt:
Der Untergrund der Weinbaufläche in der Champagne setzt sich hauptsächlich aus Kalkstein aus der Kreidezeit zusammen. Die Champagne-Weinstöcke haben eine Vorliebe für diesen Kreideboden. Diese Bodenformation besteht aus Kalzitkörnchen, die vom Skelett von Meeres-Organismen (Krebstieren, Korallen, Muscheln, Schnecken) und -Mikroorganismen stammen.
Statt tief, kühl und dunkel in den Kreideschächten der Champagne lagert mein Lieblingstrunk nun bald in der kühlen, dunklen Tiefe des Meeres.

Schaumgeburten
Der Claim ist abgesteckt, das Boot samt Markierungsboje ist bereit. – Ahoi Seemann, das Abenteuer kann beginnen! – Ich freue mich darauf nach gut einem Jahr all die Algen, Muscheln und Ablagerungen, diesen Schutzmantel den die Nordsee Tag für Tag über meine Schätzchen gelegt hat, langsam zu entfernen. Das wird ein meditativer Akt, denn es macht noch mal deutlich, daß guter Wein, daß gereifter Champagner „Zeit im Glas“ ist. Zeit im Glas – ein wundervoller Begriff, den der Weinfreund und -Händler Martin Kössler geprägt hat.

Ich freue mich darauf, wenn mir nach dem Öffnen die rauschende Gischt des Champagners entgegen strömt und die feinen Blasen an meiner Nase prickelnd zerplatzen…

Manchmal habe ich tolle Ideen. Vor allem an einem Tag wie diesem…

Alchemyst

Alchemyst, geboren in den fünfziger Jahren, studierte Philosophie, Theologie und Pharmazie. Heute leitet er eine öffentliche Apotheke in Norddeutschland. Alchemyst ist nicht selten in Champagnerlaune.

8 Kommentare

  1. hannibal-007

    Genial…die Überschrift, die Bilder, die Geschichte!

    Ich will auch!!!!

  2. Eine gar wunderbare Geschichte und viel Erfolg bei der Umsetzung. Vielleicht noch einige hilfreiche Hinweise:
    Ich würde zu Siegellack statt Wachs raten,
    würde eher zu drei Flaschen raten um eventuell die Lagerung verlängern zu können,
    würde nicht daraufsetzen allzu viel Getier entfernen zu müssen nach nur einem Jahr,
    und würde darauf achten nicht zu sehr an Fischereigebiete heranzukommen.
    Ein Gast von mir lagert seit vielen Jahren seinen Cognac bei einem Bekannten der eine Muschelbank besitzt, die Flaschen sind extrem beliebt das sie extrem urig aussehen.
    wunderbarer Bericht – Danke dafür
    Ciao Mike

  3. Eine sehr gute Idee!
    Vermietest du Lagerplatz unter? Vielleicht führt die ungewöhnliche Lagerung ja dazu, dass mir Champagner auch mal zusagt. Ich wäre mit einer Kiste dabei. 😉

  4. Sigurd

    Das Interesse ist geweckt, auch bei mir…auch wenns grad finanziell nicht passt.

  5. Hui Buh

    Ich hätte mir nicht so viel Mühe gemacht, einen so langen Text zu schreiben. Ist zwar ganz nett diese Idee, aber jeder weiß doch, was dahinter steckt…

  6. Alchemyst

    @ Hannibal,
    Schön, daß dir auch die Bilder gefallen. Die hat mein Freund Detlef Cordes gemacht. Hier findest du mehr:Fotostream Detlef Cordes
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    @ Mike: Das sind gute Tipps.
    Die Erfahrungen die das Champagnerhaus Louis Roederer im Atlantik bei Saint-Malo gemacht hat, zeigen daß die Flaschen schon nach einem Jahr komplett mit Ablagerungen überzogen sind. Auch die Etiketten sind praktisch nicht mehr vorhanden.

    Die Idee mit dem Siegellack werde ich zusätzlich zum Wachs umsetzen. Die größte Gefahr für den Champagner ist wohl das Eindringen von Seewasser durch einen porösen Korken. Die Kombination von Wachs und Lack wird das verhindern. Vielen Dank, Mike.
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    @ Hannibal, Sigurd und Alessandro.
    Ich würde mich freuen, wenn ihr euch einklinken würdet – das senkt auch die Kosten.

    Deine Kiste ist schon gebucht Alessandro. Die Bergung könntest du vielleicht nächstes Jahr bei deinem Cachaça Blog bringen…

    Wir könnten nach der Champagnerversenkung übrigens mit dem Boot nach Sylt weiterschippern und dort eine Sause machen, denn: Sylter Luft ist wie Champagner
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    @Hui Buh

    Du hast mich durchschaut: Ich habe die Methode so ausführlich beschrieben, um noch weitere Mitstreiter zu gewinnen. Das ist ja auch gelungen.
    Ich denke, ich habe die Vorteile einer Meeresreifung, der sogenannten Immersion (Einbettung), überzeugend dargelegt. Wenn du Interesse hast: ich möchte ein deutsches Departement der „Association de l’immersion“ gründen, die bisher nur in Frankreich aktiv ist. – Ich denke, auch wir deutschen Champagnerfreunde sollten diesen innovativen Weg weiterverfolgen – die Zeit ist reif dafür…

  7. J&R Single Barrel

    Hört sich super interessant an! Ich würde mich gerne beteiligen aber das scheitert zur Zeit leider am Geld. Vielleicht dann bei der nächsten Chace.

    P.S: wenn ihr nach Sylt kommt sagt bescheid wenn ihr wollt. Da bin nebenan.

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