Der Mehrwert des Mischens III – Ein Mint Julep nach neuestem Geschmack.

… Zur Essenszeit hätte man sehen sollen, wie diese Menschenmenge über die Lieblingsspeisen des Südens herstürzte …

Jules Verne

Jules Verne

Aber wie viele Arten von Getränken und Schnäpsen kamen der Verdauung zu Hilfe!
Und welch aufmunterndes Geschrei, einladendes Zurufen hallte in den Schankbuden und Gaststuben voll Gläsern und Bechern, Flaschen, Karaffen und Mörsern.
„Hier Minz-Julep!“ rief´s schallend aus einer Schankstube.

Quelle: Jerry Thomas, 1862

Quelle: Jerry Thomas, 1862

„Sangaree mit Bordeaux!“ erwiderte ein anderer mit kreischender Stimme.
„Gin-Sling!“ ließ sich einer vernehmen.
„Cocktail! Brandy-Smash!“ schrie jemand.
„Wer echten Minz-Julep kosten will nach neuestem Geschmack!“
riefen die Verwandten, indem sie flink wie Taschenspieler
Zucker, Zitrone, Minzkraut , zerstoßenes Eis, Kognak und Ananas mit Wasser mengten,
den erquickenden Trank zu bereiten. …

aus dem 26. Kapitel des Buches „Von der Erde zum Mond“

aus dem Jahr 1865 von Jules Verne

Foto by Stéfan

Foto by Stéfan

Das obige „Name-Dropping“ historischer American Drinks zeigt die lebendige Trinklaune vergangener Tage. Der Autor Jules Verne, den ich für für ein unterschätztes Universalgenie halte, verquickt in seiner Person Geistes- und Naturwissenschaft mit einem künstlerischen Anspruch und zeigt sich in obigem Zitat, auch in Bezug auf leckere Mischgetränke auf der Höhe seiner Zeit.

Noch ein Jahrhundert zuvor sah es im alten Europa anders aus.

Der Mehrwert des Mischen im Bereich der Gastronomie wurde in Jules Vernes‘ Heimatland erst allmählich erkannt. Klaus Ebenhöh und Wolfgang Popp beschreiben in ihrem empfehlenswerten Buch: „Der Philosoph im Topf“ die verkrustete gastronomische Szene in Frankreich Mitte des 18. Jahrhunderts so:

„Es gibt noch keine Gasthäuser, die ein ganzes Menü servieren dürfen. Wer was anbieten darf, ist streng reglementiert. Die Produktion von Saucen ist den Vinaigriers, Buffetiers, Moutardes und Distillateurs vorbehalten. Kaffeehäuser werden werden von Limonadiers betrieben. Cuisiniers, Oyeurs und Traiteurs dürfen Speisen anbieten. […] Bei den Taveniers, den Kneipenbesitzern, dagegen darf man Wein trinken, will man dazu auch essen, so muss dieser die Speisen von den Traiteurs, Rôtisseurs oder den Charcutiers besorgen.“ Erst der Suppenküchen-Besitzer Boulanger erkennt den Mehrwert der Mischung und „stürzt das starre System [… ]indem er über der Tür das Schild „Boulanger débit des restaurants” (wörtlich: Boulangers Laden der Stärkungen) anbringt. Restaurants sind damals Kraftbrühen, die der findige Koch mit Eigelb eindickt und mit Hammelfleisch offeriert. Ein Affront in den Augen der Traiteurs, die in Boulangers Speise einen Eintopf erkennen wollen, eine Domäne ihrer Zunft.“

Erst das Parlament beendet den Streit, indem es Boulanger und damit seiner Erfindung des Restaurants recht gibt.

Ich erwähne diese Begebenheit, um das Zeitkolorit deutlich zu machen und um aufzuzeigen, welchen Aufbruch die Vermischung im Bereich der Gastronomie bedeutete. Das Zusammenbringen von dem, was vorher getrennt war, wurde zur kreativen Herausforderung.

Das galt erst Recht in der Neuen Welt, die für jeden Ankömmling einen Neuanfang bedeutete, in der man den Ballast und die Konventionen der Vergangenheit von sich werfen konnte. Eine Welt in der die Zünfte und Gilden und Kammern der Alten Welt nichts mehr galten und überkommene Bestimmungen neu definiert werden konnten.

Aufbruch zu neuen Ufern

Aufbruch zu neuen Ufern

Eine neue große Welt in der sich Menschen verschiedenster Herkunft, unterschiedlicher Traditionen und Gebräuche begegneten.
Jede Begegnung bewirkt Veränderung. In diesem Gemenge der Rassen und Nationen geschah ein Auf-bruch im doppelten Sinne des Wortes. Hier war der Boden geschaffen für das Aufblühen von jungen Ideen, frischen Kombinationen und…… innovativen Getränken!

Damit zurück zu Jules Verne und seinem  „Real mint-julep in the new style!“ wie es in der englischen Übersetzung heißt. Ein neuer Stil, ein neuer Geschmack in einer neuen Welt.

„Wer echten Minz-Julep kosten will nach neuestem Geschmack!“
riefen die Verwandten, indem sie flink wie Taschenspieler
Zucker, Zitrone, Minzkraut , zerstoßenes Eis, Kognak und Ananas mit Wasser mengten, den erquickenden Trank zu bereiten. …

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Ich habe versucht obige Informationen in ein Rezept umzuformen.
Es ist meines Wissens der erste Versuch einer Rekonstruktion dieses Juleps, da die Zutaten in der englischen Übersetzung des Buches fehlen.
Doch für heute sei es genug. Morgen gehts weiter mit dem JuleP Verne…

Alchemyst

Alchemyst, geboren in den fünfziger Jahren, studierte Philosophie, Theologie und Pharmazie. Heute leitet er eine öffentliche Apotheke in Norddeutschland. Alchemyst ist nicht selten in Champagnerlaune.

3 Kommentare

  1. Sigurd

    Geniale Geschichte, freu mich auf mehr!

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