Absinth, Vin Mariani, Laudanum – The Treacherous Three

img_1202Das Verbot vom Absinth vor rund 100 Jahren mag uns heute seltsam und überzogen erscheinen, aber es passte damals in den gesellschaftlichen Kontext. Dieses Verbot war für eine ganze Weile der letzte Schritt in einer langen Reihe von Ereignissen:

Die Alchemisten aller Zeiten sannen darauf, die sie umgebenden Dinge und Stoffe zu veredeln, um quasi zum Wesen der Stoffe, zur ihrer Essenz vorzustoßen und sie zu isolieren. Als Beispiel kann man den Wein anführen.
Von den Arabern übernahmen die Europäer die Kunst der Destillation und gewannen so aus Wein den „Spiritus Vini“, den Geist des Weines. Diesen Weingeist, den Alkohol also, sah man als die eigentliche Natur, das Wesen, die Essenz, die Quintessenz des Weines an.
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Diese Kunst der (chemischen) Trennung und Reinigung schritt voran. Aus Cocablättern isolierte man das Cocain, aus dem Opium das Morphium.
Spiritus, Cocain, Morphium zeigen erst in ihrer Isolation, in ihrer Reinform ihre gefährliche Kraft, ihre suchtschaffende Potenz. Das Nervengift Thujon, das im Absinth lauerte, wurde dieser Reihe schnell eingegliedert, doch fehlte es an Erfahrung, die Gefährlichkeit zu gewichten und zu bewerten.

Seit Jahrhunderten kauen die Völker Zentral-Amerikas ohne große Folgeschäden Cocablätter. Cocablätter enthalten unter anderem 15 Alkaloide. Das bekannteste wurde 1860 zum ersten Mal als „das wirksame Prinzip“ von dem Chemiker Albert Niemann dargestellt und Cocain genannt und machte schon bald als „das neue Wundermittel“ Furore. Der gezielte arzneiliche Gebrauch setzte ein und machte Menschen glücklich. Ein wenig zu glücklich…
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Das Potenzial von Cocain erkannte auch der Apotheker Angelo Mariani der Coca Extrakt mit Bordeaux Wein mischte und damit großen Erfolg hatte. Der nach dem Hersteller benannte „Vin Mariani“ versprach Nervenstärke, Kreativität und Lebensfreude.
Obwohl es allein in den USA über 100 Nachahmer-Produkte gab, blieb Vin Mariani der Marktführer im Bereich der „Peruanischen Coca Weine“. Insbesondere das Marketing Marianis war beeindruckend. Er versandte seinen Wein an hochstehende Persönlichkeiten und druckte ihre dankbaren Antworten in Zeitungsanzeigen ab. Zum Fankreis des Coca Weins zählten u. a. Papst Leo XIII, Queen Victoria, „Buffalo Bill“ Cody, H. G. Wells und Jules Verne.

Ein Nachahmer Produkt aber überflügelte das Original später. Aus Pemperton’s French Wine Coca wurde nachträglich, als die Prohibition drohte, der wirkstoffhaltige alkoholische Coca Extrakt entfernt, Zuckersirup ergänzt und das neue Getränk in Coca Cola umbenannt. Der weitere Erfolg ist bekannt.

Nicht nur Cocain war über 50 Jahre im freien Handel.

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Noch größere Furore machte Laudanum, eine opiumhaltige Tinktur, die über Jahrhunderte das Aspirin ihrer Zeit war.
Die freie Verfügbarkeit von Vin Mariani und Laudanum machen deutlich: die Menschen aller Zeiten schöpfen ihre Möglichkeiten aus, ohne die Folgen, die Risiken und Nebenwirkungen im Blick zu haben. Dies ist das gesellschaftliche Umfeld in dem auch der Absinth unter Generalverdacht geriet.

Ein weiterer Faktor:
Es wurde zunehmend deutlich, dass die immer neuen Produkte, Lebens-, Genuss- und Arzneimittel überprüft werde mussten, um der Gier des Fälscher und Panscher Einhalt zu gebieten und die Bevölkerung zu schützen. Gesetze und Verordnungen wurden erlassen, Chemiker und Kontrolleure zogen durch die Lande und fanden bei Lebensmittelhändlern (Grocers) verwässerte Milch oder Margarine, die als Butter verkauft wurde. Bei „Druggists“ stieß man auf Traubensaft, der mit Salizylsäure haltbarer gemacht wurde, was z. B. Kindern gar nicht gut bekam, oder man entdeckte ein Getränk, das zwar als „Traubensaft“ deklariert war, aber 15% Alkohol enthielt… Bei Arzneimittelherstellern machten die staatlichen Wächter Tabletten ausfindig, die nicht mal die Hälfte des ausgewiesenen Wirkstoffes enthielten  usw…

Es zeigte sich schnell:

Vertrauen ist gut. Kontrolle ist besser.

Ein Satz von Lenin (1870-1925), der ein Kind seiner Zeit war und deshalb kurzzeitig in Russland den Wodka verbot.
Solche Verbote entsprachen dem Zeitgeist und so erwischte es auch weltweit den Absinth… – Doch dazu ein andermal mehr.
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New Haven, 1884 – Laudanum! – Last Night A Bartender Saved My Life…
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Alchemyst

Alchemyst, geboren in den fünfziger Jahren, studierte Philosophie, Theologie und Pharmazie. Heute leitet er eine öffentliche Apotheke in Norddeutschland. Alchemyst ist nicht selten in Champagnerlaune.

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