WeinZeit: Sommeliers im Interview – Thomas Sommer

Thomas Sommer

Thomas Sommer

Thomas Sommer, 31 Jahre jung, ist Chefsommelier im Schlosshotel Lerbach (Relais & Chateaux) in Bergisch Gladbach. Sein Haupttätigkeitsbereich im Schloss ist das mit drei Michelin Sternen ausgezeichnete Gourmetrestaurant „Dieter Müller“, unter der Küchenleitung von Nils Henkel. Sein Weg führte ihn neben bekannte Stationen in Deutschland, wie z.B dem Brandenburger Hof, auch nach Paris. Dort war er als Sommelier für die Kochlegende Alain Ducasse in dessen Restaurant „59 Poincaré“ tätig. Die FAZ ehrte seine Verdienste, indem sie ihn im Jahr 2008 zum „Sommelier des Jahres“ wählte.

Trinklaune sprach mit Thomas Sommer über seine Beweggründe Sommelier zu werden, food and wine pairing und natürlich Cocktails.

Warum bist du Sommelier geworden?

Ich wollte gern etwas machen, was niemand sonst im Familien- oder Freundeskreis
macht. Zum Fussball hatte ich kein Talent, aber ich konnte schon früh
erkennen, dass ich das Eine oder Andere nicht „riechen“ konnte. Als ich meine
Ausbildung zum Hotelfachmann absolvierte, lernte ich recht früh ziemlich
schräge Vögel kennen, welche im Wein mehr als ein Alkoholika sahen. Dies hat
mich inspiriert und ich bin Stück für Stück tiefer in die Materie
eingetaucht. Wenn ich von Anfang an gewusst hätte, was mich da erwartet und
vor allem wie hart das ist, hätte mich die Vorstellung wahrscheinlich
abgeschreckt, aber so kam es nur in dezenten und sehr verträglichen Dosen.
Heute kann ich nicht mehr ohne täglich Neues entdecken und verkosten zu
wollen. Das macht es so spannend.

Gab es frühe sensorische Sensationen die dich geprägt haben?

Dadurch, dass ich in einer mittleren Großstadt aufgewachsen bin, sind meine
Geruchsreferenzen eher künstlicher Art. Intensiv hängengeblieben sind Aromen
von frisch geteerten Straßen im Frühjahr und die Abgase von alten
Zweitaktern. Ich genoss die Sommerferien bei meinen Großeltern auf dem Land,
ein wahres Feuerwerk an Düften, gerade für Kinder die überall spielen
wollen.

Was macht für dich einen großen Wein aus?

Er muss spannend sein. Er muss mich fesseln und beschäftigen. Das sind nicht
zwangsweise die größten Weine, aber es sind die besten Gesprächspartner.
Ähnlich wie im Leben kann ich mit einem Schauspieler auch nichts anfangen,
wenn ich nicht die Möglichkeit bekomme, sein wahres Ich zu erleben.

Sind Aperitif bzw. Digestif Cocktails bei euch im Restaurant gefragt?

Wir sind im Restaurant schon sehr klassisch im Aperitifbereich. Champagner
und tolle Winzersekte stehen ganz oben auf der Aperitifliste. In unserer Bar
sind vor allem Digestif-Cocktails schon gefragter.

Was hältst du davon, dass Wein (z.B Champagner, Sherry, Port) aber auch
ganz “normaler” Wein vermischt wird?

Ich habe überhaupt kein Problem damit, im Sommer einen einfachen Wein mit
etwas Sprudel süffiger zu machen. Schade ist es natürlich, wenn wahrhaft
große bzw. teure Weine mit Cola und sonstigem zur Unkenntlichkeit
verstümmelt werden. Wir müssen aber auch begreifen, dass wir Weinverkäufer
und keine Moralapostel sind. Der Gast/Konsument bestimmt, was ihm gefällt und
so lange er den Wein bezahlt, muss es mir gleichgültig sein, auch wenn das
Herz schon mal leise seufzt.
Es gibt aber auch spannende Weincocktails, die ihr Jungs richtig gut ins
Glas bekommt und wenn das gut gemacht ist, habe ich kein Problem damit, wenn
da ein ordentlicher Wein verwandt wurde.

Was können Bartender von Sommeliers lernen?

Ich denke es ist eher ein Austausch, den wir nutzen sollten. Kaum einer von
uns macht einen großen Bogen um gute Bars und Restaurants. Dies
zusammenbringen, kann sicher gegenseitig befruchtend wirken. Die guten
Bartender suchen auch permanent nach DER neuen, genialen Spirituose, genau
wie wir Sommeliers stetig die spannendsten Weine suchen. Beide Lager sind
Jäger des guten Geschmackes.

Von einer Cuvée zum Cocktail ist es gedanklich nicht ganz so weit, oder
doch?

Naja, der Winzer entwickelt ein Cuvée um Vor- und Nachteile verschiedener
Rebsorten und Lagen in unterschiedlichen Jahren auszugleichen. Mischen ist
da nicht so falsch, klingt aber immer anrüchig. Wenn in Bordeaux der
Jahrgang zum Beispiel sehr kühl ist und Cabernet Sauvignon nicht voll
ausreift, dann kommt Merlot als früher reifende Sorte auf den Plan. Diese
gleicht dann im Mehrverhältnis die eventuell fehlende Fülle des Weines aus.

Was ist für dich wichtig bei der Beurteilung eines Cuvées?

Sie muss Sinn machen. Wenn ich aber aus klassischen Regionen dann Cuvées
vorgestellt bekomme, bei welcher Rebsorten benutzt wurden, welche von
Grund auf da nicht hingehören, dann stelle ich das gern in Frage. Spätestens
bei Grenache aus Deutschland würde ich mich nach dem Sinn und Unsinn fragen.
Das Wichtigste bleibt aber der Geschmack und die Eigenständigkeit der
Rebsorten. Wenn dieser vorhanden ist und die Grundcharakteristik der Rebsorten
zum Vorschein kommt, dann ist das Cuvée grundsätzlich ok.

Was würdest du zu Sushi oder Sashimi empfehlen?

Neben Grünem Tee?
Fisch und Reis sind kein Problem in der Weinkombination. Die Schwierigkeit
ist die Wasabi und die Sojasauce. Wasabi ist durch die Schärfe ein
Weinkiller. Die Säure wird scharf und der Wein wirkt metallisch. Wichtig ist
eine gehörige Portion Restzucker. So um die 80 g/l dürften Sinn machen.
Eine gereifte Riesling Spätlese würde mir Spaß machen. Je mehr Wasabi umso
schwerer wird es werden. Die Sojasauce lässt sich aber auch mit
fassgereiften Weinen kombinieren.

Wo siehst du den größten Unterschied beim Genuss von Wein und Cocktails?

In der Tageszeit. Ja mal ehrlich, um zwölf Uhr mittags komme ich nicht auf
die Idee, einen White Russian zu trinken, einen saftigen Weißwein aber schon.
Das Spannende an Cocktails ist die Möglichkeit der persönlichen
Beeinflussung des Geschmackes des Cocktails. Den Wein kann ich nur durch
Temperatur, Glasform und ein eventuelles Dekantieren beeinflussen. Ich sehe
somit den Bartender eher als Koch, der seinen persönlichen Stil zum Ausdruck
bringen kann.

Kannst du einen Champagner für den Herbstanfang empfehlen?

Klar. Ähnlich wie sich die Blätter im Wald verfärben, würde ich den Wein
„Aromadunkler“ aussuchen. Ein länger im Fass gereifter und stoffiger
Champagner wäre meine Wahl. Egly-Ouriet Grand Cru Blanc de Noirs oder Jacques
Selosse’s Substance würden mir spontan einfallen.

Dein bisher schönstes Weinerlebnis?

Das ist das Schönste an dem Leben eines Sommeliers – die Geschichten
drumherum. Eine meiner frühesten und bewegensten Erlebnisse war sicher das
Dinner auf Mouton Rothschild, bei welchem ich als Gewinner der Trophée Baron
Philippe de Rothschild am Tisch von Madame Baronesse Rothschild sitzen
durfte. Dies war zu Beginn meines Weinstrebens. Von daher eher im Nachhinein
unglaublich bewegend mit einer der großen Ikonen der Weinwelt zu chatten. An
diesem Abend hatte ich mir geschworen, französisch zu lernen. Aber nahezu
jeder Winzerbesuch ist ein nichtwiederbringbares, spannendes und zumeist
großartiges Erlebnis. So wie letzten Sommer bei René Barbier auf Clos
Mogador, einer der positiv verrücktesten Biodynamiker die ich bislang
kennenlernen durfte. So etwas vergisst man nicht mehr.

Deine Lieblingsspirituose?

Ganz klar Gin. Favoriten: Bombay Sapphire und neuestens Hendrick’s.

Dein Lieblingscocktail?

Mojito, Gin Tonic, Whisky Sour

Vielen Dank!

Gern geschehen und denkt dran: Euer Geschmack ist einzigartig!

Schlosshotel Lerbach, Bergisch Gladbach

Schlosshotel Lerbach, Bergisch Gladbach

Robin Stein (†)

Robin Stein, Jahrgang 1987, war studierter Lebensmitteltechnologe und der Jüngste im Team. Sein Weg führte ihm nach dem Abitur 2006 über ein viermonatiges Praktikum in Pusser's New York Bar in München nach Bergisch-Gladbach, wo er eine Ausbildung als Hotelfachmann im Schlosshotel Lerbach absolvierte. Seine persönlichen Honigfallen waren Champagner, Obstbrände, Wein und Whisk(e)y.

2 Kommentare

  1. Dr. Riesling

    Innovativ ist er bei den Weinempfehlungen, aber bei den Cocktails, naja, Thomas, Du kennst halt noch keine gute Bar in der Domstadt!!!

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