Brandy ist einer von den Amerikanern, für viele verschieden Spirituosen benutzter Namenszusatz. Cognac, Pisco, Armagnac … Alles wird über einen Kamm geschoren: Brandy. Soweit zumindest im Sprachgebrauch. In der Kategorie der Liköre geht es ähnlich konfus zu. Das dadurch Missverständnisse auftreten, ist vorprogrammiert. So ist vermutlich auch der Singapore Sling eine Missinterpretation des Straits Sling. Man wusste schlichtweg nicht was mit „Dry Cherry Brandy“ im Original Rezept des Straits Sling gemeint war – Fälschlicher Weise nahm man einen Kirchlikör obwohl Kirschwasser gemeint war.
Eine weitere Frucht bei der das Anhängsel „Brandy“ eine Rolle spielt, ist der Apricot Brandy. Auf der Suche nach Definitionen trifft man auf folgendes:
Aus Fruchtfleisch und Aprikosengeist hergestellt. Steht jedoch „Aprikosenlikör“ auf der Flasche, dann fehlt der Zusatz von Aprikosen-Branntwein. Er ist dann süßer.
[Friedrich Müller (1965): Glück im Glas, S.144.]
Brandy […], in its broader sense the term applies to liquor distilled from any fruit,[…] Thus, in addition to grape brandies, we have […], apricot brandies.
[David A. Embury (1978): The Fine Art of Mixing Drinks, S.61.]
Für die Herstellung des Aprikosen-Likörs „Apricot-Brandy“, einem seit langem bekannten Fruchtbrandy, ist der Zusatz von Aprikosenbrand oder Aprikosengeist in der für einen Fruchtbrandy obligatorischen Menge (2L reiner Alkohol pro 100L Likör) unbedingt notwendig.
[Erich Kolb(2004): Spirituosen-Technologie, S.356.]
[…]usually quite sweet.
[W.J. Tarling(1937): Cafe Royal Cocktail Book]
Geht es nach Friedrich Müller und Erich Kolb, so reicht ein gewisser Anteil eines Aprikosen-Destillats. Embury geht weiter und beschreibt Apricot Brandy als ein reines Destillat. Was ist wirklich drin – oder viel wichtiger: Ist in jedem Apricot Brandy das Gleiche und was verlangen alte Rezeptbücher?
Nimmt man zum Beispiel den als Apricot Brandy beschrifteten Likör von Marie Brizard – Apry genannt. Ein typischer Likör. Sehr süß, mit typischen Geschmacksnoten von Aprikosen und vor allem zusätzlichen Mandelaromen – Vermutlich durch die Aprikosenkerne. Produziert wird er laut Herstellerangaben aus Aprikosen und Cognac. Ob das über eine einfache Mazeration und/oder eine Destillation zum gewünschten Ergebnis führt, weiß ich an dieser Stelle nicht.
Dieses Geschmacksbild zieht sich auf jeden Fall sehr ähnlich, durch die Reihe der Apricot Brandies: De Kuyper und Giffard zum Beispiel. Bei letzterem gibt es neben einem Apricot Brandy noch den Apricot du Roussillion aus der Premium-Reihe. Dort kann man vom Geschmack her, durchaus auf die Zugabe eines Aprikosendestillats schließen.
Vergleicht man den aktuellen Apricot Brandy von Bols mit einer alten Flasche,
so zeigen sich keine gravierenden Unterschiede. Es ist ein typischer, recht süßer Likör. In einer alten Werbung von Bols kann man dazu folgendes sehen:
Apricot Brandy wurde also schon viel früher auf diese Art und Weise hergestellt und wies die für uns heute typische Geschmackscharakteristik auf.
Was aber hat die Definition von Embury dann für eine Bedeutung? Seiner Beschreibung verleiht er ein paar Seiten später noch einmal Nachdruck und nennt das Produkt „Barack Palinka“. Ein Aprikosenbrand aus Ungarn mit 43%:
Wie auf dem Etikett zu erkennen ist, wurde auch dieser als Apricot Brandy beschrieben. Der Geschmack ist natürlich ein anderer. Viel weniger, wenn auch für einen Brand recht viel Süße. Stark alkoholisch aber mit einem klaren Aprikosenaroma zusammen mit leichten Mandelnoten. Auch hier sind also die Kerne wahrscheinlich Teil der Herstellung. Nun findet man im Buch von Embury aber auch den Apricot Likör. Das Produkt „Apry“ von Marie Brizard wird dort ausdrücklich als ein Vertreter dieser Kategorie beschrieben. Man kann also davon ausgehen: Nennt Embury in einem Rezept die Zutat Apricot Brandy, so ist definitiv ein Destillat gemeint. Probieren wir das aus:
Mixt man zum Beispiel den Apricot Cocktail aus dem Buch von Embury wie angegeben:
3cl Gin
1cl Apricot Brandy
Dash Orange Bitters
Einmal mit dem Barack Palinka und einmal mit dem Apry von Marie Brizard stellt man fest: Beide Versionen sind geschmacklich nicht der Wahnsinn. Jene mit Apry liefert allerdings das rundere Geschmacksbild. Der Aprikosenbrand macht einen nicht unerheblich anderen Drink – Nur halt extrem stark. An dieser Stelle kommt man also nicht weiter.
Ein toller Cocktail mit Apricot Brandy ist auch der Culross: Ursprünglich mit Rum, Lillet und Apricot Brandy zu gleichen Teilen gemixt, gibt es aber auch Quellen (zum Beispiel das Cafe Royal Cocktail Book) die nach der Zugabe von ein wenig Zitronensaft fragen. Hier ist anzumerken, dass im Cafe Royal der Apricot Brandy aber auch explizit als Likör beschrieben ist. Mit oder ohne Zitronensaft ergibt sich, bei der Verwendung von zum Beispiel Apricot du Roussillion ein genialer Drink, welchen man in der Version ohne Zitronensaft lieber mit einem reduzierten Anteil des Apricot Brandys macht, um eine unnötige Süße zu vermeiden.
Mit einem Aprikosenbrand gemixt (unterstellen wir auch an dieser Stelle mal wieder eine Fehlinterpretation von „Brandy“) und ohne Zitrone ergibt sich ein verblüffendes Ergebnis: Der Drink ist keines Wegs schlechter als jene Version mit einem Aprikosenlikör. Abgeschmeckt mit einem halben Barlöffel Zuckersirup… Noch besser. Natürlich ist es ein anderer Cocktail als mit dem süßen Likör. Der Culross ist leider nicht im Buch von Embury zu finden, das würde die Sache hier nochmal um einiges interessanter machen.
Einen Interessanten Beitrag zu dem Thema liefert nun allerdings der „Bartender’s Guide“ von Trader Vic (1947): Dort steht:
Fruit Brandies: Brandy may be made from the fermented juices of many fruits, but if sweetening is added the United States Liquor laws require that the product be called a liquer and not a brandy.
Man müsste also annehmen, dass dort wo Apricot Brandy drauf steht, auch jener drin ist – Nämlich ein Aprikosenbrand. Trader Vic, der nach seiner oben genannten Beschreibung also definitiv wusste, was er meint, wenn er Apricot Brandy in einem Rezept nennt, beschreibt den Culross folgendermaßen:
The Culross
0,5oz. Bacardi
0,5oz. Kina Lillet
0,5oz. Apricot Brandy
Juice of ¼ Lime
Warum also der Unterschied zwischen dem Buch von Trader Vic und dem Cafe Royal Cocktail Book?
Ab hier lassen sich nur Vermutungen anstellen: Der Gebrauch der Worte Apricot Brandy für einen Likör oder einen Brand hat sich vielleicht einfach eingebürgert. Niemand hinterfragte mehr, was wirklich gemeint war. Benutzt wurde wohl meist ein Likör. Die Industrie wird genau das geliefert haben: Einen Likör der sich Apricot Brandy nennt. Das Ganze nach einer Definition wie sie zum Beispiel von Friedrich Müller und Erich Kolb gemacht wurde.
In den USA läuft heutzutage auf jeden Fall alles nach der Definition von Trader Vic. Was bleibt, ist einfach einmal den Versuch zu starten in alten Rezepten, welche nach Apricot Brandy verlangen, einen Aprikosenbrand auszuprobieren. Das Beispiel des Culross Cocktail zeigt, dass das Ergebnis verblüffend und genial zugleich sein kann.
Philipp, es ist schön, dass du wieder die Zeit zum Schreiben gefunden hast!
Würdest du dann den Giffard Premium Apricot Brandy dem Marie Brizard Apry vorziehen?
Hat das schon einmal jemand im Pendennis Cocktail probiert?
Und woher bekomme ich denn einen guten Aprikosenbrand? Gibt es da schon Empfehlungen?
Schau mal hier:
http://www.ungarisches-weinfenster.de/SpirituosenPalinka/Barackpalinka-05L-45-VOL-Palinka-Obstbrand–6419.html
http://www.vivino.de/356_produkt.html?from=froogle
http://www.ungarnservice.de/ungarische_spirituosen.html
Gerade Apricot Brandys verköstigt.
Klare Testsieger für mich der MB Apry, dicht
gefolgt vom Boudier. Giffard hab ich sowohl den Premium, als
auch den normalen Apricot Brandy als viel zu künstlich empfunden. Auch die Kernaromen
waren kaum bis gar nicht vorhanden.
@Dominik: Habe mich mit den einzelnen Produkten jetzt nicht weiter beschäftigt. Werde mal versuchen ein gutes Aprikosen Eau de Vie zu finden.
Im riesigen Likör-Tasting kommt Apricot Brandy ja noch.
@Daniel: Guter Tipp mit dem Pendennis Cocktail. Werde ich mal testen.
Der Penndennis wurde bereits mit verschidenen Apricots getestet. Im Löwen zu Paris.
Weitere Erkenntnisse dürften von Torben wohl in besserer Wortwahl folgen…
Hmm,
ich hab den Abricotine von Morand aus dem Vallais, ein sehr guter Brand, aber den würde ich (auch der kosten wegen) nicht zum Mischen nehmen. Was wäre denn ein guter
Abricot Brandy, der sowohl gut zum Mischen passt und den Geldbeutel nicht zu sehr belastet (bis max 20€)…