Esco… Esco… Escorial oder Die andere Fee

Denkt man an die Herkunft großer Liköre dieser Welt, fallen mir vor allem zwei Länder ein. Zum einen Frankreich mit seinem wunderbaren Benediktinen, dem Klosterlikör Chartreuse, dem duftigen Cointreau oder dem edlen Grand Manier. Das andere Land ist natürlich Italien. Ich nenne nur den Maraschino Likör oder die von mir sehr geschätzte Safran Spirituose Strega. – Gemeinsam haben beide Nationen eine große Vermouth Tradition.

Anfang des letzten Jahrhunderts nun packte die Münchener Fabrikantenfamilie Riemerschmied der Ehrgeiz, ebenfalls solch ein süsses Kleinod für den deutschsprachigen, aber auch für den internationalen Markt zu kreieren und heraus kam eine Spirituose, die mittlerweile, 100 Jahre nach ihrer Geburt, fast vergessen scheint:
Escorial – eine echte GSA Spirituose.

Es war die Zeit der frühen bunten Liköre. Zu jener Zeit führte die gute Bar roten, grünen und gelben Grand Manier, Curaçao rot, grün und weiss, rote und weisse Crème de Vanille, Chartreuse grün und gelb und grünen und weissen Absinthe.

Mit dem Absinth war das so eine Sache.
Die halbe alte Welt war verrückt nach Absinth. Aber die andere Hälfte war damit beschäftigt gegen die Wermutspirituose zu kämpfen. Und so trat im Geburtsjahr von Escorial das eidgenössische Absinth-Verbot in Kraft. Die USA folgte 1912, Frankreich zwei Jahre später.

Dies war das Umfeld für Escorial:
Eine Barwelt mit allerlei farbigen Likören und ein sinkender Stern des Absinths.
Riemerschmied kreierte nun eine Spirituose mit deutlicher Anis Note und machte damit Anleihen beim Absinth – auch durch die hellgrünlich-gelbliche Färbung.

Escorial war sowohl beim Geschmack wie bei der Färbung das Ergebnis eines wohlbedachten Produktdesigns.
Was noch fehlte war ein wohlklingender, griffiger Markenname:
Ein Name, der Großes und Edles verheißt.
Ein Name, der auch international Strahlkraft hat.

Zur damaligen Zeit regierte der französische Koch Auguste Escoffier die kulinarische Welt. Er war der erste echte Starkoch. Wilhelm II. soll ihn „Kaiser der Köche“ genannt haben. Escoffier ist der Erfinder der modernen Küchenorganisation, der Begründer der französischen Dominanz in der Hochküche und einer der Schöpfer der Grand Cuisine.
Seine Hauptwirkungsstätten waren das Londoner Savoy Hotel sowie das Pariser Ritz. Beides Hotels, die auch eine große Bartradition aufweisen können.
Escoffiers Werk „Guide Culinaire“ gilt bis in die heutige Zeit als Grundlage der Kochkunst und wird auch noch heute zu Rate gezogen.
Escoffier – eine Name der Hochgenuß versprach.

Riemerschmied wählte als Namen Escorial.
Das klang nach Ferne, nach spanischen Granden, nach königlichem Genuss unter iberischer Sonne. Ein Name, den jeder schon einmal gehört hatten, ohne dass man ihn einzuordnen wusste. Escorial, das klang international. Nur nach einem klang Escorial nicht: es klang nicht deutsch.

Olaf Gulbransson

Nachdem die deutsche Spirituose 1910 auf den Markt kam, wurde der Name im Jahre 1914 national geschützt und in den Zwanzigern auch international. Es dauerte gut 10 Jahre bis der kriegsgeschüttelte, deutschsprachige Markt durchdrungen wurde. Zeitgleich mit dem Niedergang des Absinth, dessen Herstellung, Lagerung und Verkauf in Deutschland 1923 per Gesetz verboten wurde, erlebte Escorial einen ersten Boom.
Die goldenen 20er Jahre – auch für Escorial.

Anton Riemerschmied setzte noch einen drauf und drehte nach dem Absinthverbot an der Werbeschraube: Der damals bekannte Maler, Buchillustrator und Karikaturist (vor allem für den berühmten Simplissimus) Olaf Gulbransson wurde engagiert und kreierte verschiedene Werbegraphiken, die noch heute durch ihre Ästhetik beeindrucken, wie man weiter oben sehen kann.
Besonders eine Zeichnung ist bekannt geworden und ziert seither das Flaschenetikett. Der damals eher hellgelbliche Escorial zeigt deutlich seine angestrebte Nähe zum Absinth und präsentiert sich als …. die andere Fee.

Die andere Fee

Diese „vergessene“ GSA Spirituose ist hochgradig interessant, in geschmacklicher Hinsicht, wie auch in historischer Perspektive, weshalb wir mir ihr durch das vergangene Jahrhundert gehen wollen, um dann aber auch die heutige Anwendung zu beleuchten. – Ein deutscher Likör im Wandel der Zeiten.

So werden wir demnächst in Teil 2 fragen, wieso die andere Fee grün wurde:
Escorial Grün – Der andere „Klosterlikör.“

Alchemyst

Alchemyst, geboren in den fünfziger Jahren, studierte Philosophie, Theologie und Pharmazie. Heute leitet er eine öffentliche Apotheke in Norddeutschland. Alchemyst ist nicht selten in Champagnerlaune.

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