Gastrosophie oder Vom Spiel der zwei Zungen

„Ich höre auf diesen Bauch seit meinem 14ten Lebensjahr und so langsam glaube ich das mein Bauch nur Scheiße im Kopf hat.“

räsoniert der Neurotiker Rob im englischen Spielfilm „High Fidelity“.
„Entscheidungen aus dem Bauch vermeiden den Umweg über das Gehirn“ meint der deutsche Dichter Hermann Lahm. –
Ein Sinti Sprichwort ergänzt: „Wenn der Bauch des Amtes waltet, ist die Vernunft ganz ausgeschaltet.“ und auch das bekannte Wort: „Ein voller Bauch studiert nicht gern.“ konstruiert einen Gegensatz zwischen Bauch und Verstand.

Hier scheinen zwei Welten aufeinander zu prallen: Auf der einen Seite das „Bauchgefühl“ und das Essen, Trinken und Genießen. Auf der anderen Seite „Kopfgeburten“, der Verstand, die denkerische Zuwendung zur Welt.
Doch ist es gerade unser Anliegen als Trinklaune-Team beide Seiten zu versöhnen und deutlich zu machen, dass Denken, Schmecken und Genießen keine Widersprüche sind, sondern im Gegenteil zusammen gehören und in einem Wort zusammengefasst werden können: Gastrosophie.

Ein Gastrosoph - Ein Foto von einem Gast aufgenommen 2010 während des BCB in der Bar "Becketts Kopf", Berlin

Was bedeutet Gastrosophie? Der Begriff setzt sich aus zwei altgriechischen Wörtern zusammen: sophos (die Weisheit) und gaster (der Bauch, der Magen) und bedeutet soviel wie „Die Weisheit des Essen und Trinkens“.
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Gastrosophen:
Der Begriff ist eng mit einigen Persönlichkeiten verbunden:
Baron Eugen von Vaerst, geboren 1792 schuf in 10jähriger Arbeit seine 600-seitige Grundlagenschrift mit dem Titel „Gastrosophie oder die Lehre von den Freuden der Tafel“, in der er drei Arten von Feinschmeckern unterscheidet: den Gourmand, den Gourmet und den Gastrosophen. Er schrieb 1851:

„Der Gourmand ist begierig auf Alles, was gut schmeckt, ohne Rücksicht auf die Gesundheit, das Maß und die Gesetze der Grazien. […] der Gourmet ist blos lüstern, doch nur nach alle dem, was Zunge und Auge anlockt. Aber der Gastrosoph wählt aus dem Guten das Beste, in schönster Form, mit gewissenhafter Rücksicht auf Gesundheit und Schicklichkeit.“

Gut 150 Jahre später ist es der 81jährige Cédric Dumont, der im Jahre 1997 in seinem „Kulinarischen Lexikon“ eine modifizierte Definition abliefert:

Ein Gastrosoph ist … einer, der Speisen und Getränke mit Sorgfalt auszuwählen, Tafelfreuden weise zu genießen und klug über sie zu debattieren weiß.

Eine gute Definition.
Es ist die Verbindung der beiden Zungen: der schmeckenden, wie der sprechenden.
Denken. Schmecken. Genießen. – Und darüber schreiben.

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Gastrosophie nach Trinklaune Art:

Vom Allgemeinen zum Speziellen… Wir setzen unsere kleine Reihe fort unter der Überschrift: „Flüssige Gastrosophie – Geist, Geschmack und Genuss oder mit einem Wort: Prosit!“

Alchemyst

Alchemyst, geboren in den fünfziger Jahren, studierte Philosophie, Theologie und Pharmazie. Heute leitet er eine öffentliche Apotheke in Norddeutschland. Alchemyst ist nicht selten in Champagnerlaune.

3 Kommentare

  1. Goncalo

    … Genuß und Freude … Punkt.

  2. Alchemyst

    Du sagst es.
    Genau darum wird es u.a. im zweiten (Die Leichtigkeit des Genusses, die Lebensfreude) und schwerpunktmäßig im dritten Teil (Vom Unterschied von Spass und Freude) unserer kleinen Reihe gehen.

  3. Goncalo

    Freu mich bereits auf die Fortsetzung der Reihe.

    ‚Gastrosophie‘ soll ja schließlich nicht zu einer intelektualisierenden Wortwahl verkommen wie dem dienstleistenden Handwerk; Mixologie.

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