Flüssige Gastrosophie oder Geist, Geschmack und Genuss

Essen ist ein Bedürfnis des Magens, Trinken ein Bedürfnis der Seele. Essen ist ein gewöhnliches Handwerk, Trinken eine Kunst.

Claude Tillier, französischer Schriftsteller in „Mein Onkel Benjamin“ von 1846

Was meinen wir mit Gastrosophie? Es gibt so viele Ansätze… Manche Gastrosophen bedenken die ökologische Seite unseres Essen und Trinkens, andere haben die Verteilung der Nahrungsmittel oder eine gerechte Wertschöpfung bei der Genussmittelproduktion im Fokus, wieder andere sehen das Essen und Trinken unter dem Blickwinkel der Zuträglichkeit zur Gesundheit. So wichtig diese Ansätze auch sind – wir erwähnen sie der Vollständigkeit halber und um uns von ihnen abzugrenzen -, so sind sie doch recht limitiert, problemorientiert und kopflastig.
So etwas Schönes wie das Essen und Trinken wollen wir nicht beschweren, sondern die Dimension der Leichtigkeit des Genusses hinzufügen. – Genuss ist eine Ausschweifung…

Das gute Leben

Nicht spalten – versöhnen und potenzieren

Unsere Gastrosophie trennt die Kulinarik nicht. Nicht in Essen und Trinken, nicht in gesund und ungesund, nicht in politisch korrekt und unkorrekt, nicht in Kohlehydrate, Fette und Eiweisse, nicht in preiswert und teuer.
Wir spalten nicht, wir führen zusammen und wollen potenzieren: Unser Ansatz ist die Lust am Trinken und Essen. Die Freude die dies uns und anderen macht. Die Freude, die die Zubereitung, die Präsentation, die Verkostung, der Genuss und die Reflektion darüber macht. Die Gaumenfreude des Essens und Trinkens und die Lebensfreude, die sie bewirkt. Die Freude ein guter Gastgeber und ein guter Gast zu sein. Die Summe dieser Freuden zu mehren (und ihre Rahmenbedingungen und Grenzen zu bedenken und zu benennen) ist Ziel unserer „Gastrosophie“.

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Keine ästhetisch-hedonistische Verengung

Eine solche Gastrosophie ist mehr als „Weisheit“. Sie ist ein Lebensgefühl, sie ist Lebensart und ein wichtiger Zugang zur Welt. – Doch nicht der wichtigste:

Sicherlich macht die Welt des Essens nicht das ganze Leben der Menschen aus. Freilich, im landläufigen Sinne verkörpert – oft wohlbeleibt – die Figur des ›Gourmets‹ oder ›Feinschmeckers‹ die irreführende Auffassung, dass das kulinarische Vergnügen das ganze Leben sei. Doch von dieser ›ästhetisch-hedonistischen‹ Verabsolutierung des Kulinarischen setzt sich das gastrosophische Denken gerade ab, indem es die Tatsache (und die gleichzeitige Grenze ihres Gegenstandsbereiches) respektiert, dass die kulinarische Praxis nur ein Teilbereich der alltäglichen Lebenspraxis ist und die ›Welt des Essens‹ zwar einen umfangreichen, aber doch nur einen Weltbezug neben anderen Weltbezügen der menschlichen Existenz bildet. Indes gibt es wenig vergleichbare Angelegenheiten, die ähnlich umfassend wie das Nahrungsgeschehen lokal und global in unzählige Bereiche des gesellschaftlichen Lebens – wie in die Ökonomie, die Landwirtschaft, die Politik, den Transport, die Kultur, das Gesundheitswesen, den Tourismus, die Künste, das Alltagsleben und die individuelle Identität … hineinspielen und diese wesentlich prägen. Zu Recht sprach der französische Anthropologe Marcel Mauss vom Essen als einem »sozialen Totalphänomen«.

Harald Lemke Autor, Gastrosoph.

Das so oft vergessene Trinken von Genussmitteln darf man getrost dazu rechnen. Gibt es mittlerweile die verschiedensten gastrosophischen Ansätze, die sich mit dem Essen beschäftigen, liegt unser Schwerpunkt naturgemäß auf dem, was wir „flüssige Gastrosophie“ nennen. – Die Gastrosophie des Trinkens.
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„All the Gs that flavour the life.“

„Gastrosophie? Ist das eine Krankheit ?“, fragte einmal ein Gast.
Als wir begannen als Trinklaune Team diesen Blog zu konzipieren, hatten wir die Rubrik Gastrosophie bereits diskutiert, aber wieder verworfen, da sie uns ein wenig zu kompliziert und ambitioniert erschien.
Denken. Schmecken. Genießen. lautet unser Untertitel. oder mit anderen Worten: es geht uns um die Verbindung der 3 großen Gs: Geist, Geschmack und Genuss. –
Innerhalb dieses Dreiecks bewegen sich unsere Beiträge. Diese Trias bildet auch den Rahmen unserer Gastrosophie.
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Gastrosophie – Trinklaune Style

Was wir unter unter Gastrosophie verstehen, sieht man vielleicht am besten an unseren bisherigen Beiträgen mit gastrosophischem Schwerpunkt, die man jetzt auch in der neuen Rubrik Gastrosophie (rechts in der Sidebar) findet:

Im Beitrag Genuss zelebrieren widmet sich Torben der Seele des Genusses:
der Hingabe. Erst die Hingabe sowie die Sorgfalt und die Liebe zum Detail führen zu vollendetem Genuss.

Bei der Unterscheidung der Lebensweisen des Gentleman und des Snobs zeigen wir, dass der Respekt vor Menschen und Dingen auch Auswirkungen auf die Trinkkultur hat.

Und in Apollo und Dionysos bedenken wir Freuden und Grenzen der Trinklaune.
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„Nichts ist im Verstand, was nicht zuvor in den Sinnen war“

Das Trinken, das Essen, der Genuss ist eine besonders intensive Beziehung zur Welt.
Der Autor Gero von Randow schreibt:

„In den kostbarsten Genussmomenten seufzen, stöhnen oder schreien wir, oder wir lächeln selig in uns hinein…“

„Genuss will nicht nur ausschweifend, er will auch abschweifend sein: Genuss weckt die Lebensgeister, ruft die Fantasie wach, holt die Erinnerung zurück…“

Das weiss auch das beliebte Trinkwort, das man sich vor dem Trinkgenuss zuspricht: Prost! Prosit! – Es möge zuträglich sein. Das meint – in unserer Gastrosophie – aber eben nicht die „Verzweckung“ des Trinkens z.B. im Sinne eines gesundheitlichen Nutzens, sondern ist einfach Ausdruck der Lebensfreude. Ein Glas Champagner ist nicht nur ein kohlensäurehaltiges Produkt einer Vinifikation, nicht ein Genussmittel mit 12% Alkohol, sondern vorallem ein sprudelnder Quell unbeschwerter Lebensfreude. Es „weckt die Lebensgeister, ruft die Fantasie wach, holt die Erinnerung zurück…“
Nicht das Trinken ist das Ziel und auch der Genuss nur ein Zwischenziel.
Letztlich geht es aber um das, was dadurch angeregt, inspiriert und transportiert wird. –

Das ist Lebenskunst, das ist Lebensart. Unsere Gastrosophie liefert dazu die Hintergrundsmelodie.

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Mehr zu dem Thema demnächst unter den Überschriften:
„Flüssige Gastrosophie oder der Unterschied von Spaß und Freude“
und „Flüssige Gastrosophie oder der Unterschied von Effektivität und Effizienz“

Alchemyst

Alchemyst, geboren in den fünfziger Jahren, studierte Philosophie, Theologie und Pharmazie. Heute leitet er eine öffentliche Apotheke in Norddeutschland. Alchemyst ist nicht selten in Champagnerlaune.

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