Unterschiedliche Stile hinter der Bar – Agricole und Mirabelle…

Seit einiger Zeit beschäftigt mich die Frage, ob man bei der Bar, bei Drinks, von Stilrichtungen sprechen kann wie in der Küche. Denn wenngleich jeder Mensch unterschiedliche Dinge bevorzugt und eventuell mit einem Twist versieht, bleibt ein klassischer Gin Fizz doch – im Idealfall, je nach Denkschule? – ein Gin Fizz, unabhängig davon, ob man ihn bei einem Verfechter des Cuisine Styles, einem klassisch fokussierten Barmann oder einem Molekular-Experten bestellt. Oder beeinflusst der jeweilige Stil das Ergebnis per se schon so stark, dass man unterschiedliche Getränke erwarten kann, ja muss, in dem Sinne, wie das Ergebnis der Interpretation eines klassischen Entengerichts in der Spitzenküche variieren wird? Oder sollte die Voraussetzung ein immer gleiches/sehr ähnliches klassisch komponiertes Getränk sein, das erst die Basis für eigene Ideen und freies Spiel bildet?

Unweigerlich stellt sich früher oder später bei diesen Gedankenspielen die Frage, ob es den eigenen, persönlichen Stil gibt und was ihn ausmachen könnte.

Für mich habe ich nach längerer Zeit des Nachdenkens und Reflektierens des eigenen Trinkverhaltens eine Antwort gefunden. Oft lese ich neue Rezepte, die mir großartig erscheinen und die auch fantastisch munden, auf die ich selber aber niemals kommen würde. Mein persönlicher Stil bleibt doch eher ein kleiner, hoffentlich passender und gut ergänzender, Twist auf das Original. Das reicht mir meistens.
In diesem Sinne funktioniert der Ti Punch mit Rhum du Père Labat, infusioniert mit Mirabellen. Eine kleine Veränderung bei gleich bleibendem – weil für meinen Geschmack nicht mehr zu verbesserndem – klassischen Gesamtkonzept. Momentan sind die Monate der Mirabellenernte und die vollreifen, süßen Früchte ergänzen den wilden 59%igen Rhum Agricole mit ihrer verspielten Fruchtigkeit und dem sanften Honigton.

100 gr. Mirabellen, entsteint, geviertelt
250 ml Rhum du Père Labat Blanc

In ein Gefäß geben und ca. 24-30 Stunden ziehen lassen. Zwischenzeitlich probieren und bei Gefallen durch Sieb und Tuch abseihen.

Der Ti Punch mit dieser Infusion bleibt ein Ti Punch, kräftig und frisch. Umspielt jedoch mit einer feinen Fruchtigkeit – der dezenten Variation. Cheers!

Torben Bornhöft

Torben Bornhöft beschäftigt sich seit 2004 leidenschaftlich mit Themen rund um Bar, Cocktails und Genuss. Nachhaltig geprägt durch fünf Jahre im Hamburger Le Lion und die Likörproduktion mit Forgotten Flavours liegt Torbens Fokus hier mittlerweile auf den Themen Champagner, Infusionen und Twists auf Klassiker.

3 Kommentare

  1. Marius

    Schöner Artikel und spannender Denkansatz!

  2. Marius

    Du schreibst ja auch bereits „klassischer Gin Fizz“. Bei diesem Beispiel sehe ich die Auslebung einer eigenen Stilrichtung eher begrenzt – außer vielleicht über die Säure oder Süße.

    Bei Neukreationen oder Twists hat jeder eine eigene Strilrichtung – was auch gut so ist. Die Handschrift einiger Bartender, man nehme z.b Herrn Meinke als Beispiel, lernt man dann doch über die Zeit zu lesen. Hier sehe ich die parallele zur Küche.

  3. hannibal

    Schöner Artikel!

    Jeder bringt seine eigene Handschrift mit ein. Das geht auch gar nicht anders.
    Wenn man das ganze mit Sourveränität und etwas Können kombiniert, dann kommt ein persönlicher Stil heraus.
    Dabei bleibt der Gin Fizz ein Gin Fizz.

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