Aufbau eines Eies

Die Mikrobiologie des Eies

Mikrobiologie – Was ist das überhaupt?
Kurz gesagt ist die Mikrobiologie das Studium all jener Lebewesen die zu klein sind um vom menschlichen Auge direkt gesehen zu werden. Erst mit Hilfe eines Mikroskops lässt sich die faszinierende Welt der Mikroorganismen (MO) erkunden. Ein Teilgebiet der Mikrobiologie befasst sich mit den Auswirkungen von MO im menschlichen Körper, in Tieren und Pflanzen. Das Wissen über diese Vorgänge ist in der Getränke- und Lebensmittelindustrie von essentieller Bedeutung, denn MO können in diesem Sektor Fluch aber auch Segen sein.
Die Vergärung der Maische für einen Fruchtbrand wäre ohne Hefen nicht möglich. Ebenso können diese Hefen jedoch schon bei der Lagerung zum Verderb des Obstes führen. Angefaultes Obst führt jedoch lediglich zu einer negativen geschmacklichen Beeinträchtigung des Brandes. Weitaus gefährlicher wird es wenn die MO toxische Stoffwechselprodukte bilden und damit zu Lebensmittelinfektionen bzw. zu Lebensmittelvergiftungen führen. Die Toxizität dieser Stoffwechselprodukte ist dabei keinesfalls zu unterschätzen. So bildet z.B. das Bakterium Clostridium botulinum eines der potentesten bekannten Gifte – Das Botulinumtoxin. In der plastischen Chirurgie unter den Handelsnamen „Botox“ sehr beliebt, kann sich das Botulinumtoxin in nicht fachgerecht sterilisierten Fleischkonserven bilden und fatale Folgen haben. Die letale Dosis dieses Gifts liegt bereits bei 0,0000021 mg!! pro Mensch (70 kg). Sicherlich ein krasses Beispiel, aber es zeigt auch welche  Verantwortung der Lebensmittelhersteller oder Gastronom gegenüber seinen Kunden hat. Eine weitaus bekanntere Toxin-bildende Bakterien-Gattung sind die Salmonellen.

Salmonellen

Salmonellen

Gerade in Bars kommt es oft zu konträren Diskussionen über die Sicherheit der Verwendung von rohen Eiern in Getränken.
Wie präsent ist diese Gefahr jedoch wirklich? Und wie kann der Barkeeper sich und seine Gäste schützen? Dieser Artikel soll versuchen darauf eine Antwort zu geben.

9500 Fälle. Dies ist die Zahl der Infektionen durch Salmonella enteritidis, der Salmonellen-Unterart die besonders häufig in Eier gefunden wird, im Jahr 2010 in Deutschland. Bei jährlich 17 Milliarden konsumierten Eiern in Deutschland mag dies gering erscheinen, ist jedoch nicht vernachlässigbar. Ein Ei kann auf zwei verschiedenen Wegen mit Salmonellen infiziert werden.

Primär Kontamination
Bei der primären Kontamination sind die Eier bereits vor der Eiablage mit Salmonellen kontaminiert. Dies kann vorkommen, wenn die Legehenne mit Salmonellen infiziert ist. Die Bakterien können sich dann vom Eierstockgewebe auf den Dotter übertragen. Im Jahr 2009 verabschiedete der Bundesrat jedoch die neue Hühner-Salmonelle-VO (HSVO), welche besagt, dass alle Hühner gegen Salmonellen geimpft werden müssen. Dadurch ist die Gefahr einer Vergiftung über primär kontaminierte Eier heute sehr gering.

Sekundär Kontamination
Die landläufige Vorstellung von Salmonellen-Übertragung ist die sekundär Kontamination. Hierbei erfolgt die Kontamination von außen, also z.B. beim Kontakt des rohen Eies mit der von MO befallenen äußeren Schale

In der Natur (und auch im Stall) wird jedes Ei unmittelbar nach der Eiablage durch zahlreiche MO kontaminiert. Um das ungeschlüpfte Küken jedoch vor einem Angriff durch diese MO zu schützen, hat sich die Natur einige Schutzmechanismen einfallen lassen, die das Ei äußerst resistent gegenüber eindringenden MO machen.

Aufbau eines Eies

Aufbau eines Eies

Die Eierschale
Die Eierschale ist grundlegend verantwortlich für das Wohlergehen des Embryos. Sie konserviert nicht nur den Inhalt des Eies, sondern bietet außerdem Schutz gegen mechanische Einwirkungen und ermöglicht den Austausch von Atmungsgasen mit der Umgebung. Der Austausch von Gasen setzt allerdings auch Poren in der Schale voraus, was sie teilweise permeabel für MO macht.

Die Kutikula
Die Kutikula ist das dünne Häutchen welches das Ei-innere umgibt. Sie besteht aus unzähligen fein-verknüpften Fasern und schützt das Ei vor Austrocknung und Infektion. Durch die Verknüpfung der Fasern ergibt sich eine Art ganz feines Sieb, das wie ein Bakterienfilter wirkt und die durch die Schale diffundierenden MO abfängt. Komplett undurchlässig ist die Kutikula allerdings auch nicht. Kühlt man die Eier z.B. zu schnell ab, bildet sich im Ei-inneren ein Unterdruck der die Kutikula schwächt und eine MO-Kontamination ermöglicht.

Das Eiweiß
Die letzte natürliche Barriere des Eies ist das Eiweiß. Es enthält verschiedene bakteriostatische und bakteriolytische Komponenten, die die Vermehrung der Bakterien stark hemmt bzw. diese direkt zerstören. Das Eiweiß bietet durch seine hohe Viskosität außerdem einen mechanischen Schutz, da diese die Bewegung der MO beeinträchtigt.

Das Eigelb
Das Eigelb besitzt keinerlei natürlicher Schutzmechanismen und ist ein idealer Nährboden für MO. Das Eigelb ist quasi das Ziel der MO auf ihrer Reise ins mittlere des Eies. Sollten die MO dieses Ziel erreichen haben Gast und Gastronom verloren.

Damit dies nicht geschieht, sollten wir uns also nun Gedanken machen, wie wir das erlernte Wissen möglichst effizient nutzen und zu unserem Vorteil einsetzen können.

Das Hauptproblem sind schlicht und einfach die Bakterien auf der Schale. Würden sich keine Bakterien auf der Schale befinden, könnten auch keine Bakterien ins Innere diffundieren bzw. beim Aufbrechen der Eier dieses kontaminieren. Unter normalen Umständen könnten sich die Bakterien auf der Eierschale kaum bis gar nicht  vermehren, da ihnen einfach ein geeigneter Nährboden und Wasser fehlt. Allerdings befinden sich auf fast allen Eierschalen Fäkal- oder Erdreste, welche den MO einen idealen Nährboden bieten und sie vor Austrocknung schützen. Die Eier einfach abspülen ist allerdings keine Lösung, da die auftretenden Kapillarkräfte das Wasser inklusive MO regelrecht in die Schale „saugen“. Ebenso können die überlebenden MO sich auf der feuchten Oberfläche wieder prima vermehren. Am besten ist also man nimmt ein trockenes Tuch und rubbelt die Verunreinigungen vorsichtig ab. Die gereinigten Eier sollten nun möglichst trocken gelagert werden. Daraus resultiert, dass man die Eier nicht an/in der Kühlschranktür lagern sollten. Durch das häufige Öffnen und Schließen der Tür während eines Barabends bildet sich Kondenswasser auf der Eierschale welche den mikrobiellen Verderb des Eies beschleunigt.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Temperatur. Während sich Salmonellen bei 20-40°C pudelwohl fühlen und rasend schnell vermehren, ist eine Vermehrung unter 7°C nicht mehr möglich. Deshalb ist es sinnvoll die Kühlschrank-Temperatur öfters zu überprüfen, da sich die Salmonellen zwischen 9-10°C schon wieder ganz gut vermehren. Dass die Salmonellen sich nicht vermehren heißt übrigens nicht, dass sie absterben. Die Salmonellen versetzen sich unter diesen Umständen in einen Ruhezustand den sie locker mehrere Jahre durchhalten können (was bei Eiern jedoch irrelevant sein sollte…). Beachtet man all die genannten Umstände sollten vor dem 10. Tag nach Eiablage eigentlich keine relevante Zahl an MO ins Ei-innere vorgedrungen sein. Da sich sehr frische Eier nicht zu festem Eischnee aufschlagen lassen, verwendet man das Ei idealerweise zwischen dem 2. und 9. Tag nach Ablage.

Da wir nun alle relevanten Lagerbedingungen besprochen haben, können wir uns an die Zubereitung der Drinks machen. Hier hat der Barkeeper glücklicherweise eine mächtige Waffe zur Hand, die dem Koch oft fehlt. Die Zitrone!
Jede Bakterienart hat einen bestimmten pH-Bereich in dem sie sich besonders wohlfühlt, sprich gerne vermehrt.  Der optimale pH-Wert von Salmonella enteritidis liegt bei pH 6,5-7,5. Allerdings können sie sich auch noch zwischen pH 4,5-9 bedingt vermehren. Erste provisorische Messungen eines Ramos Gin Fizz ergaben einen pH-Wert von 4-5, also gerade noch im Rahmen für die Salmonellen.

pH-Wert Ramos Gin Fizz

pH-Wert Ramos Gin Fizz

Purer Zitronensaft hat jedoch einen pH von 2-3 welcher zum langsamen Absterben der Salmonellen führt. Deshalb ist es sinnvoll zuerst den Zitronensaft und das Eiweiß in den Shaker zu geben und, sofern die Zeit es zulässt, die beiden Zutaten kurz umzurühren und einen Moment stehen zu lassen bevor man die restlichen Zutaten zugibt. Braucht man für einen Drink nur das Eiweiß würde ich dringend dazu raten das Eigelb zu entsorgen und nicht für weitere Drinks aufzubewahren. Wie schon angesprochen besitzt das Eigelb keinerlei natürliche Schutzmechanismen und verdirbt innerhalb kürzester Zeit. Vermischt man Eiweiß und Eigelb verliert das Eiweiß ebenfalls seine chemischen und mechanischen Schutzfunktionen.

Das war es mit dem kleinen Exkurs in die Welt der Mikrobiologie des Eies. Nächste Woche geht es dann weiter mit einem Einblick in die Ernährungsphysiologie des Eies.

Achja, Salmonellen mögen kein Sonnenlicht. Wer es extrem mag, kann sich also noch eine UV-Lampe in den Kühlschrank einbauen….

Robin Stein (†)

Robin Stein, Jahrgang 1987, war studierter Lebensmitteltechnologe und der Jüngste im Team. Sein Weg führte ihm nach dem Abitur 2006 über ein viermonatiges Praktikum in Pusser's New York Bar in München nach Bergisch-Gladbach, wo er eine Ausbildung als Hotelfachmann im Schlosshotel Lerbach absolvierte. Seine persönlichen Honigfallen waren Champagner, Obstbrände, Wein und Whisk(e)y.

8 Kommentare

  1. Clemens v. Hoyos

    Vielen Dank für diesen grandiosen Artikel – unterhaltsam und lehrreich!
    Zum Glück finden sich Salmonellen ja heutzutage vorzugsweise nicht mehr in Eiern sondern in Mettwurst, Salami und Bockshornklee:
    lebensmittelwarnung.de
    Mit den besten Grüßen
    Clemens v. Hoyos

  2. Jessica

    Hmmm, Clemens, machst Du nicht einen Denkfehler, wenn Du aus den Lebensmittelwarnungen schliesst, Salmonellen fänden sich heutzutage vorzugsweise nicht mehr in Eiern sondern in Mettwurst, Salami und Bockshornklee ?

    Wie Robin ausgeführt hat, kommt die primäre Kontamination so gut wie nicht mehr vor. D.h. das Problem ist die mögliche sekundäre Kontamination – also beim Verbraucher. Würde es denn auf lebensmittelwarnungen.de aufgeführt werden, wenn Gastronom XY in seinen acht Grad ‚warmen‘ Kühlschrank vierzehn Tage alte Eier aufbewahrt ?

    Ich fürchte, Du wähnst Dich da ein wenig zu sehr in Sicherheit..

  3. Dennis "travBARtender" Schmidt

    Wirklich klasse Artikel! Es hat echt Spaß geamcht, diesen zu lesen… Davon will ich mehr 😉

  4. Clemens

    Hallo Jessica,
    natürlich bin ich mir über die Gefahr der Sekundärkontamination bewusst – dennoch hab ich es als besondere Ironie empfunden immer Eier oder Hühnerfleich als Träger von Salmonellen zu verteufeln – jedoch kommt das so gut wie garnicht mehr vor. Und obgleich eines der erwähnten Produkte ein deutsches ist, so ist es doch auffalend häufiger der Fall, dass Importware kontaminiert ist.

  5. ben

    Die Kutikula kommt laut Wikipediaeintrag zu „Vogelei“ noch vor der Kalkschale, quasi als schützende Außenhaut des Eis. Direkt nach der Kalkschale kommt die sogenannte Schalenhaut.

    Was stimmt nun?

  6. Robin Stein

    Hallo Ben,

    Kutikula beschreibt generell ein „Häutchen“ bzw. „Haut“. Je nach Autor kann damit die äußere Schicht bzw. in diesem Fall auch die Schutzmembran unterhalb der Eierschale gemeint sein.

    LG
    Robin

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