Obwohl wir uns um 18.00 Uhr trafen, um den Abend zu beginnen, ist es mittlerweile 23.00, als wir die Magnum Jacques Lassaigne La Colline Inspirée öffnen. Zur Rotbarbe mit Gemüse im Pergamentpapier gebacken soll es der Chardonnay richten – und das gelingt außerordentlich gut. Der Wein wird in gebrauchten Chablis-Fässern ausgebaut und nur in Magnums abgefüllt. Extra Brut dosiert macht dieser Wein mit brillantem Preis/Leistungsverhältnis (90,00 € / 1,5 Liter) große Trinklaune – weshalb ich hier keine ausgeformten Verkostungsnotizen präsentieren kann. Die Trinkfreude war einfach zu groß. Auch zum folgenden Kräutersorbet (das sehr gut tat – denn Sättigung stellte sich ein) funktionierte La Colline Inspirée – definitiv eine Trink-Laune-Empfehlung im besten Wortsinn.
Vom ursprünglichen Plan, den Hauptgang mit einem fetten Champagner zu begleiten, sind wir abgewichen, sodass wir nun eine kurze Essenspause einlegten und den folgenden Egly-Ouriet 2000 solo tranken. Die einzige Cuvée des Tages war entspannte 88 Monate auf der Hefe und präsentierte sich in der Nase dunkel, traubig, fett, gemüsig-käsig-pilzig. Letzteres ist kein bisschen negativ gemeint. Die Geschmacksdimensionen zeigten sich bereits hier in voller Größe, der 2000er fuhr vor wie ein Straßenkreuzer. Am Gaumen primär jung und agil veränderte er sich mit Temperatur und Sauerstoff zusehends. Und wurde genau das Dickschiff, das ich erwartet habe. Extrem groß und fast süßlich von der geballten Pinot-Intensität. Aber definitiv kein Einsteiger-Wein. Phasenweise anspruchsvoll und sehr sättigend. Die Phase des Weins war zum Öffnen gut geeignet, erste Reifetöne rundeten den fetten Pinot-Ton ab. In dieser Verfassung war der Egly 2000 ein wundervoller Glücklichmacher, der Abgang lang und intensiv – wen wundert’s. Wirklich ein großkalibriger Wein, der im Gegensatz zu seinem Vorgänger jedoch auch Aufmerksamkeit fordert. Für seine 75,00 – 80,00 € ein guter Deal.
Langsam wurde es Zeit für den Hauptgang – Robin pochierte einen wundervollen Rehrücken im Gewürzmantel, begleitet wurde er von angebratenen Knödelscheiben, Steinpilzen und Pfifferlingen. Hier wichen wir etwas vom Pfad ab und tranken eine Flasche Spätburgunder, der zur Abwechslung nicht weiß gepresst wurde: August Kesseler Rüdesheimer Berg Schlossberg 2004. Ein brillanter deutscher Pinot Noir mit sehr viel Energie und Struktur in guter Form – braucht sich kein bisschen vor den guten Weinen der Côte d’Or zu verstecken, wenngleich es im Stil natürlich Unterschiede gibt.
Nun ging es zum letzten Champagner der Nacht über, der auch der teuerste Wein des Abends war: Jacques Selosse Substance. Der legendäre Solera-Champagner des Gottvaters des Winzerchampagners aus Avize, degorgiert vor knapp vier Jahren. Fast Orange in der Farbe war dieser Champagner so exorbitant gut und so weit entfernt von allem anderen an diesem Abend, dass ich mir nicht ein einziges Wort notiert habe. Nicht von dieser Welt – absolut betörend, ein magischer Wein. Und während dieses Elixir die Gaumen hinabrann fassten Robin und ich zeitgleich den Entschluss: Die nächste Verkostung wird eine Selosse-Vertikale. Dann liefere ich auch Verkostungsnotizen…
Die delikate Käseplatte wurde eher danach genossen – zusammen mit dem köstlichen Pflaumen-Speck-Brot.
Wir waren zu diesem Zeitpunkt – es war bereits weit nach 3.00 Uhr – alle schon brutal gesättigt, sodass das Dessert langsam zur Arbeit wurde. Ein Mitglied der Verkostungsrunde hatten wir bereits an die süße Verführung in Form eines weichen Bettes verloren. Glücklicherweise wurde die Quark-Vanille-Crème auf Zitrusfrüchtekompott mit weißem Kaffeparfait jedoch von einem ungarischen Süßwein hinuntergespült: Tokaji Aszú 6 Puttonyos 1988 vom Weingut Kereskedöház.
Das war es. Der letzte Gang. Also jetzt: Petit Fours. Eine große Schale. Niemand nimmt mehr einen der angebotenen Reisetbauer-Brände und auch der Espresso findet wenig Anhänger, so gegen 4.30 Uhr. Jede Bewegung fällt schwer und die köstlich aussehenden Pralinen bleiben fast unangetastet, nur zwei Mutige riskieren es noch – ich denke an das Schokoladen-Minzblättchen und Mr. Creosote im ‚Sinn des Lebens‘ von Monthy Python… Dieses fatale Ende bleibt uns jedoch glücklicherweise erspart.
Somit wurde ein wunderbarer Abend beschlossen, an dem – auch wenn es hier nicht so klingt – köstliche Weine und tolles Essen zwar begeistern konnten, doch schlussendlich nur Begleiter waren. Begleiter zu tollen Gesprächen, guter Stimmung und ausgelassener Trink-Laune. Vielen Dank allen Gästen und vor allem: Gastgeber und Menüplaner Robin! Bis zum nächsten Mal – Anselme Selosse ruft….
Durstig geworden? Wein nach Maß, Wein Kreis, und Noble Wine für die Champagner.
KÖSTLICH!!!!!!! 😀
Hallo Torben,
Substance würde ich auch gerne noch mal verkosten! Aber der Preis…..
Interessant wäre auch eine Verkostung von Selosse im Vergleich zu den Ch. seiner „Schülern“ Letzens einen gewaltigen Ulysse Collin BdN getrunken. Der war so gut wie der E.Ouriet BdN..
LG
TR