Macht Kulinarik glücklich? oder Das kulinarische Stendhal Syndrom

„Die einen suchen ihr Glück in der Liebe, die anderen am Lottostand. Die Wissenschaftler suchen es in der Erkenntnis, Aristoteles in der Vernunft, für Foucault hat das Glück gar nicht existiert. Monsieur Vuong hat es in der Suppenschüssel gefunden. …“

weiss Susanne Kippenberger in „Cotta’s kulinarischer Almanach“.

Heißes Glück im Teller
Monsieur Vuong ist ein Vietnamese und nennt seine Suppenkreation „Heißes Glück im Teller“. – Susanne Kippenberger ergänzt: „Suppen machen glücklich. Sie geben einem ein wohlig warmes Gefühl im Bauch, machen satt, aber nicht dick, und die das Glücksgefühl erheblich steigernden Vitamine aus dem Gemüse werden nicht mit dem Kochwasser ausgeschüttet.“ – Naja, man sollte die vielbeschworenen Vitamine nicht überschätzen. Glauben Sie mir, ich verkaufe diese Mikronährstoffe, diese chemischen Verbindungen: Glücklich durch Vitamine? Ein schöner Buchtitel, aber auch kompletter Un-Sinn. Ohne Vitamine allerdings wäre man doch recht unglücklich…..

Die Glücklich-Macher
Überhaupt .. Was gibt es da nicht alles auf dem Buchmarkt…….:
„Mood-Food – Glücksnahrung. Wie man durch Essen glücklich wird“ oder auch das Buch „Sich einfach glücklich essen“ von K & R. Possin. – „Die Glücksdiät. Essen Sie sich glücklich.“ rät Johanna Handschmann in ihrem Buch. – „Kein Fleisch macht glücklich“ weiss wiederum Andreas Grabolle und ein weiteres Buch kennt: „Happyfood. Essen, das glücklich macht“. Wie zum Beispiel : „Schokolade. Warum die süße Versuchung uns glücklich macht“. Markus Schaefer wiederum weitet den Blickwinkel von Gaumenfreuden und Bauchgefühl hin zur Gottesbeziehung:“Schokolade macht glücklich – Gott auch!“
Man sieht: die Sehn-sucht nach Glück boomt.
Und anscheinend hat das auch was mit Essen und Trinken zu tun.

Das Stendhal Syndrom
Susanne Kippenberger: „Um Glück zu empfinden, das hat schon Stendhal gewusst, muss man sich daran laben können.“ – Wobei wir wieder beim Stendahl Syndrom wären..
Halten wir noch einmal einige Symptome dieses Syndroms fest: Desorientierung, Bewusstseinsstörungen, Hochgefühle, Ekstase, SchwindeL…
Ähnelt das nicht stark an die Auswirkungen des Alkoholkonsums? Und sind nicht vielleicht einige dieser Auswirkungen nicht dem Nervengift Ethanol zuzuschreiben, sondern direkte Symptome eines kulinarischen Stendhal Syndroms? Zum Beispiel nach dem Genuss von Weltklasse Drinks wie „Ramos Gin Fizz“ oder „Beuser & Angus Special“ oder eines Champagners, wie wir ihn hier beschrieben haben? Macht nicht „Sterne fressen“ glücklich? – Grossartigste Momente des Schwelgens erlebten wir als Trinklaune Team bei einer gemeinsamen Krug Verkostung, in Restaurants wie dem „e.t.a. Hoffmann” in Berlin oder kürzlich in der „Küchenwerkstatt“ in Hamburg.
War das Glück?
Nun, zumindest ein Zipfel davon. – Davon kann man zehren…

Das kleine Zungenglück
Doch bedarf es keiner Sterneküche oder Großer Gewächse, um Glücksgefühle hervorzubringen. Auch die kleinen und einfachen Dinge können glücklich machen…
Der Autor Thomas Hartmann sammelte in seinem Buch „Zungenglück und Gaumenqualen“ Geschmackserinnerungen von Männern und Frauen wie zum Beispiel diese:

„Ich bin ein Kriegskind, weiblich. Immer wenn ich traurig bin, backe ich Pfannkuchen. Es war ein Gefühl der Geborgenheit, wenn die Mutti Pfannkuchen gebacken hat. Es war Krieg, und Pfannkuchen gab es nur, wenn der Bauer nebenan Milch und Eier übrig hatte. Das war ein Glücksfall. Und Mutti hatte Himbeermarmelade eingekocht, die wurde draufgestrichen, der Pfannkuchen zusammen gewickelt. Wenn meine Tochter und ich heute um den Tisch sitzen und die herrlichen Pfannkuchen verspeisen, dann ist die Welt auch wieder in Ordnung.“

Der Philosoph Denis Diderot hat recht:
Ein Glück, das nicht von Zeit zu Zeit vom Vergnügen belebt wird
und über das Vergnügen nicht seine Wonnen ausbreitet,
ist weniger ein wahres Glück
als ein Zustand, eine ruhige Lage: das ist ein trauriges Glück.

Das große Wort „Glück“ sollte aber nicht überstrapaziert werden. Glück ist nicht generierbar, nicht machbar. Man kann diese Momente, diese zurecht Augenblicke genannten Phasen, nicht festhalten und sollte sie auch nicht mit der Glück-Seeligkeit verwechseln. Sie sind nicht das Ziel des Lebens, aber sie machen das Leben lebenswert.

Macht Kulinarik high?
Jawoll! – Keine Frage. Auch die flüssige Kulinarik.
Immer aufs Neue haben wir uns hier der Frage: „Warum Champagner?“ gestellt.
Die Wissenschaft vermutet nun, dass die aufsteigenden, tanzenden, wirbelnden Gasblasen des Edelschäumers nicht nur Aromastoffe zur Nase transportieren,
sondern dass auch psychoaktive, euphorisierende Substanzen mitreisen.
Erst in der Gasperle, dann fein zerstäubt in der Atemluft.
Horchen und riechen Sie an ihrem Champagner.
Schnüffeln Sie ihn, atmen Sie tief ein, inhalieren Sie ihn,
um ihn dann erst zu trinken. Mit Bedacht. –
Sie werden belohnt mit einem High-Gefühl – im doppelten Sinne.

Macht Kulinarik stendhalesk?
Na klar. – Und wenn Stendahl durch Kunstgenuss high wird und einem Kunstkoller, genannt Stendhal Syndrom, verfällt, dann können wir das Gleiche auch für den kulinarischen Genuss postulieren.

„Die Glücksstoffe, die das Hirn ausschüttet, wenn uns die Sinne Genuss vermitteln wollen, sind ohnehin dieselben – egal, ob jemand sich freut, weil er eine Auster schluckt oder eine mathematische Formel verstanden hat. Man kennt rund fünfzig verschiedene sogenannte Neurotransmitter …es kommen noch allerhand Hormone dazu. Aus diesen lassen sich vielerlei Cocktails mixen, die in verschiedenen Gehirnregionen Gutes tun. … Ist es nicht wunderbar, dass wir so etwas feines im Schädel haben?“

fragt Gero von Randow in seinem Buch „Geniessen – eine Ausschweifung“. Und er fährt fort: „Die segensreiche Arbeit des Gehirns erlaubt es uns, vom Genuss im Allgemeinen zu sprechen: von dem Wohlgefühl im Augenblick des Lebensverbrauchs.“ –

Macht Kulinarik glücklich?
Ja! – Immer wieder!
So hat – wieder einmal – Goethe recht mit dem Merksatz:
„So lang‘ man noch trinken kann, läßt sich’s noch glücklich sein“.

Alchemyst

Alchemyst, geboren in den fünfziger Jahren, studierte Philosophie, Theologie und Pharmazie. Heute leitet er eine öffentliche Apotheke in Norddeutschland. Alchemyst ist nicht selten in Champagnerlaune.

2 Kommentare

  1. “So lang’ man noch trinken kann, läßt sich’s noch glücklich sein”

    Haha auch ein interessanter Ansatz, aber auf Dauer sollte das auch nicht die Lösung sein! 😉

  2. Aber glücklich sein… sollte die Lösung sein. 🙂

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