Am 4. Advent 2011 war es endlich wieder soweit. Der Münchener Genussstammtisch traf sich erneut. Dieser kleine Zirkel aus Connaisseuren und professionellen Barkeepern trifft sich mehrmals im Jahr unter dem Oberbegriff „Bottle-Party“ um dem größtmöglichen Genuss zu fröhnen. Nach einem entspannten und delikaten Start mit dem Sparkling Sake „Mizubasho Pure„, einer tollen Flasche Reichsrat von Buhl – Ungeheuer Forst Riesling GG 2009, dem spannenden Amphoren-Wein Qvevre 2009 von Bernhard Ott und einer Flasche Schloss Gobelsburg – Kammener Gaisberg Riesling 1 ÖWT 2009 sollte es langsam ans Eingemachte gehen. Nach mehreren Einmachgläsern Enten- und Lachsrillettes folgte dann eine Flasche:
Egon Müller – Scharzhofberger Riesling Spätlese 2010
Auch wenn sie in Deutschland selbst weniger bekannt ist, so gilt die Lage Scharzhofberg doch allgemein unter Weinkennern in aller Welt als der berühmteste Weinberg des Landes. Seinen außergewöhnlichen Ruf hat er vor allem der Dynastie der Müllers zu verdanken. Egon Müller I, der Ururgroßvater des heutigen Egon Müller IV, erwarb das Gut 1797 nach der Säkularisierung durch Napoleon von der Kirche und setzte damit den Grundstein für eine Weinlegende. Wie niemand anderes, verstehen sich die Müllers seit jeher darauf sich den perfekten Boden des Scharzhofberg zu Nutze zu machen. Dieser zeichnet sich besonders durch sehr stark verwitterten Grauschiefer, tonig-schluffige Feinerde und einen hohen Eisengehalt aus. Dieser Boden in Kombination mit dem kühlen Mosel Klima und einer relativ steilen Südlage bieten den Rieslingreben ideale Wachstumsbedingungen. Doch die besten Bedingungen nutzen nichts, wenn sie nicht auch perfekt ausgenutzt werden. Dabei wird von Egon Müller IV und seinem Kellermeister Stefan Fobian traditionell minimalistisch vorgegangen. Dazu wird der Weinberg bis zu sechsmal jährlich umgepflügt und der Ertrag durch radikalen Rebschnitt und Selektion auf ca. 30-60 hl/ha gesenkt. Die teilweise noch wurzelechten Reben werden vollständig per Hand gelesen und dann in kleinen Behältern zum Kelterhaus transportiert. Nach einer schonenden Pressung erfolgt eine spontane Vergärung in Fuderfässern oder Edelstahltanks. Durch die niedrigen Temperaturen des Kellerhauses kommt die Gärung oft von alleine zum erliegen und der Wein behält seine natürliche Restsüße. Die von uns verkostete Spätlese stellt nach dem Scharzhofberger Riesling Kabinett und dem Riesling Scharzhof, die dritt“niedrigste“ Qualitätsstufe der Müller’schen Weine dar. Preislich und qualitativ bleiben bei Egon Müller nach oben keine Wünsche offen – Dazu jedoch später mehr. Obwohl wir uns bewusst waren mit dem Öffnen des aktuellen Jahrgangs 2010 einen Kindsmord zu begehen, konnten wir der Versuchung nicht widerstehen. Ins Glas floss ein goldgelbener Wein mit phänomenaler Nase. Pfirsisch, Zitrone, zarte Botrytisnoten und frische Kräuter habe ich mir notiert aber da war noch einiges mehr. Am Gaumen dann wieder viel Aprikose unterlegt von einem massiven Säuregeflecht und einer feinen Mineralik. Alles scheint schon jetzt wunderbar verwoben. Fazit: Ein wunderbar mineralischer, fruchtiger Wein mit immenser Kraft und Tiefgang. Aufgrund seiner gewaltigen Säure hat der Wein seine besten Jahre aber wohl noch vor sich!
Hans Reisetbauer / Egon Müller – Scharzhofberger Riesling Trockenbeerenauslese Tresterbrand 2005
Mit Vollgas sollte es weitergehen. Der Gastgeber und edle Spender Klaus St. Rainer, seines Zeichens Chef der Goldenen Bar in München, zauberte eine ganz besondere Spezialität hervor. Es handelte sich um einen Brand des österreichischen Meisterbrenners Hans Reisetbauer. Genauer gesagt um einen Tresterbrand der legendären Trockenbeerenauslese (TBA) von Egon Müller. Reisetbauer gilt mittlerweile vielen als der beste Obstbrenner der deutschsprachigen Länder. Er zeichnet sich durch ein ebenso leidenschaftliches Qualitätsbewusstsein aus wie Egon Müller und ist stets auf der Suche nach den besten Produkten. Ein kleines Beispiel: Im Sommer ließ Reisetbauer von zwei Mitarbeitern ca. 1500l Marillenmaische aus dem 500km entfernten Bozen, Italien bei einem kleinen Bauern abholen um diese zusammen mit den wunderbaren Marillen von Bernhard Ott zu brennen. Betriebswirtschaftlich ist diese Entscheidung sicherlich nicht zu rechtfertigen, seine durchweg mit Höchstnoten ausgezeichneten Brände geben ihm allerdings Recht. Neben dem Obstbrennen hat Reisetbauer allerdings noch eine weitere Leidenschaft: Wein. Sein Privatkeller ist größer als der von vielen Luxushotels und wird sehr intensiv und unegoistisch genutzt. Kein Wunder also, dass er seit jeher auch sehr hochwertige Tresterbrände produziert. Was passiert allerdings wenn zwei Qualitätsfanatiker aufeinander treffen? Das Ergebnis stand vor uns in einer unscheinbaren und doch wunderschönen 0,375l Flasche.
Die Geschichte:
Um sich der Besonderheit dieser Flasche bewusst zu werden, muss man auch die Geschichte dahinter verstehen. Diese beginnt im Scharzhofberg mit einer extremen Selektion. Die von der Edelfäule Botrytis befallenen und eingeschrumpelten Rieslingbeeren werden einzeln! per Hand aus der Traube geplückt. Dabei suchen die Erntehelfer nur perfekten Beeren aus, die anschließend erneut im Weingut sortiert werden. Dadurch ergibt sich ein so hochwertiges und teures Produkt, dass der Literpreis selbst bei aktuellen Jahrgängen weit über 5000€ liegt. Euromaxx hat kürzlich ein kurzes Video für seine Serie „Weinwelten“ produziert, welches den Produktionsaufwand gut einfängt. Ich würde euch bitten dieses vor dem Weiterlesen anzuschauen:
\“Weinwelten\“ – Egon Müller TBA
Wie man in dem Video deutlich erkennen kann, sind die geernteten Mengen verschwindend gering und der Arbeitsaufwand ist enorm. Eine TBA von Egon Müller ist die Essenz des deutschen Weines. Was passiert allerdings wenn man die Grundlage dieser Essenz weiter konzentriert? Erhält man die Quintessenz? Dieser Frage wollten Müller und Reisetbauer auf den Grund gehen und so lieferte Egon Müller den Trester seiner 2005er TBA in das beschauliche Axberg in Oberösterreich. Dort machte Reisetbauer sich daran den Trester zu destillieren. Bei Reisetbauer heißt Destillieren allerdings nicht Destillieren. Nachdem der, aus dem ersten Brennvorgang erhaltene, Raubrand erneut in der kleinen, kupfernen Wasserbadbrennanlage gebrannt wird, trennt Reisetbauer das Herzstück des Brandes heraus. Dies geschieht unter ständigem Probieren um den idealen Zeitpunkt abzupassen. Während andere renommierte Brenner das Herzstück bei ca. 75% vol. abtrennen, geht Reisetbauer nur bis ca. 82% vol. runter. Dadurch werden zwar große Produktmenge verworfen, das erhaltene Destillat besitzt allerdings eine ungewöhnliche Reinheit und Intensität. Macht man sich nun das Qualitätsbewußtsein der beiden Persönlichkeiten Müller und Reisetbauer bewusst, wird einem auch klar welch ungewöhnliche Rarität in der kleinen Flasche schlummert. Aus Trauben auf insgesamt ca. 8,5 ha (85.000 m²!) Rebfläche die Müller auf dem Scharzhofberg bestockt, sind weniger als 50l Tresterbrand entstanden! Und dieses edle Produkt stand nun also vor uns im Glas. Ehrfürchtig hielt ich die Nase in das Glas und wurde von einem immensen Aroma erschlagen: Botrytis pur! Wundervoll! Am Gaumen dann intensiv-komplexe Aromen von Rosinen, Botrytis, Rieslingaromen und einer leichten Süße. Der Nachklang ist enorm lang und die erneute feine Süße zaubert einem ein Lächeln ins Gesicht. Fazit: Ein Elixier für die Ewigkeit!
Produkte wie dieser Tresterbrand und die dazugehörigen Momente mit besonderen Freunden zeigen einfach, dass es sich lohnt für unsere Leidenschaft zu leben!
Hochinformativer Artikel – ein wahrhaftiger Genuss schon beim Lesen!
…und endlich weiß ich wie dieser Tresterbrand aus der Dallmayr-Raritätenvitrine schmecken muss 😉
Hier noch weitere Eindrücke von mir zum Thema E. Müller und Scharzhof:
Man muss wirklich vor Ort gewesen sein, um diese einzigartige Lage zu verstehen!
http://budisfoodblog.wordpress.com/2011/03/27/riesling-von-egon-muller/
Ist wirklich sehr interessant!