Es ist ein Handel, auf Betrug gegründet, von Täuschung getragen, durch Listen, Betrügerei, Schmeichelei, Fälschungen, unwahre Gerüchte und alle Arten von Blendwerk genährt. – Daniel Defoe (1660 – 1731)
Nehmen wir einmal die Installation „Die Blaue Stunde“ wie wir sie in Teil 2 präsentiert haben.
Ist das Kunst? – Nun…, wenn der Künstler es behauptet….
Kunst ist, was man als solche benennt. – Ist das wirklich so?
Der römische Kaiser Caligula wollte sein Pferd zum Konsul ernennen.
Damit erhöhte er seinen behuften Liebling und verspottete den Senat.
Aber ein Pferd, ausgestattet mit der Konsulwürde, bleibt ein Pferd. – Das ist jedem klar.
Warum aber verlieren wir diese Klarheit, wenn es um das Etikett: Kunst! geht?
Warum glauben wir so leicht, dass Wodka eine Premium Spirituose sei, nur weil er in Designerflaschen abgefüllt wurde?
Damit ich recht verstanden werde: Ich habe nichts gegen Wodka und nutze ihn.
Wodka gehört in jede Bar.
Und es gehört mittlerweile nur noch Gratismut dazu, über Wodka als Premiumspirituose herzuziehen.
Wir selber haben das unter der Überschrift: Pure Reinheit – Reiner Blödsinn – Der Mehrwert des Mischens Teil 2 auch bereits getan.
Den schönsten Spott aber lieferte Jörg Meyer im seeligen Bitters Blog ab, weshalb ich dieses Kleinod noch einmal zitiere:
“ XXX – Wodka –> Herkunftsland – Phantasien – Gewonnen aus Südhang, halbschatten Getreide, was bei Vollmond geerntet, mit der Spucke einer direkten Nachfolgerin des ersten russsichen Zaren fermentiert und anschließend in aus den Resten der Titanic gefertigten Kupferkesseln destilliert wird. Die Destillation erfolgt 111 mal und im Anschluss wird mit Kobe-Kuhmilch gefiltert . Das Produkt wird daraufhin 36 Monate bei völliger Schwerelösigkeit in den neuen Anbauten der Europäischen Weltraumstation gelagert und dabei Sanft mit Pop Musik aus den 80er Jahren bespielt. Nach Rückkehr auf den Mutterplaneten wird dieser Wodka mit 85000 Jahre altem artikischem Gletscher Eis auf Trinkstärke herabgesetzt und in organische Doppelmagnum Kristallflaschen abgefüllt. Mit Sargnägeln aus der Epoche der Inkas hämmern speziell ausgebildete „Signateure“ nach 11 jähriger Ausbildung eine Nummerierung in die Flasche und füllen diese „Numerierung“ mit zwei karätigen Diamanten auf. Abschließend werden diese Flaschen von Priestern des längst verschwunden geglaubten „WeizenWächter“ Ordens heilig gesprochen und mit Ihrem Siegel versehen.“
Nennen wir doch die Dinge, oder besser gesagt die Würden-Träger, beim Namen:
Ein Pferd bleibt ein Pferd und Wodka bleibt Neutralalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs.
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Ich habe ein Faible dafür, das Marketing für Weingläser zu beobachten.
Die Fa. Riedel zog über Jahre durch die Lande mit dem Verkaufsargument, das ihre Weinglastypen, z.B. aus der umfangreichen Sommeliers-Serie, sozusagen mundgerecht ausgeformt seien. In einem Artikel im Magazin der Neuen Zürcher Zeitung las ich:
„Wein und Zunge sind die Parameter in der Theorie des rührigen Glasfabrikanten böhmischen Ursprungs. Denn jeder Weintyp weist unterschiedliche Ausprägungen der wesentlichen Inhaltsstoffe wie Säure, Süsse, Gerb- und Bitterstoffe auf. Und die menschliche Zunge ist ebenfalls dergestalt geartet, dass sie die verschiedenen Geschmacksstoffe vor allem an bestimmten Stellen registriert, nämlich: an der Zungenspitze die Süsse, am mittleren Rand die Säure und weiter hinten die Bitterstoffe. Daraus lässt sich nun laut Riedel folgern, dass bei der Konzeption eines Glases zu berücksichtigen ist, dass der Wein nicht einfach in den Mund fliesst, sondern auf die für seine Eigenschaften prädestinierten sensiblen Stellen auf der Zunge. Riedel: «Der Wein muss auf die Zunge springen. Und das Sprungbrett dazu ist der spezifische Neigungswinkel der Glaswand zur Öffnung des Kelches.» „
Weiter wurde behauptet, daß „durch die verschiedenen Glastypen unterschiedliche Trinkbewegungen verursacht und somit andere Mundregionen angesprochen werden.! … Mit Computersimulationen wurde dann durchgespielt auf welche Zungenregionen die Flüssigkeit trifft.“ – Auch wenn Riedel diese Argumentation nicht mehr verfolgt, taucht sie doch immer wieder in verschiedenen Publikationen auf, obwohl es sich bei der „Karte der Zungenregionen“ um eine wissenschaftliche Ente handelt, denn die Rezeptoren für die verschiedenen Geschmacksqualitäten sind weitgehend gleichmässig über die ganze Zunge verteilt.
„Wir alle haben in der Schule gelernt (und Studenten lesen es heute noch in den meisten Lehrbüchern), dass sich auf unserer Zunge verschiedene Bereiche befänden, die unterschiedlich empfindlich für die vier Grundqualitäten seien. Nach dem klassischen Bild, das man in fast allen Lehrbüchern findet, ist die Zungenspitze besonders sensibel für süß, die Ränder für sauer und salzig und der Zungenhintergrund für bitter.
Alle neueren Messungen der letzten Jahre konnten dies jedoch nicht bestätigen. Es zeigte sich, dass die Zunge zwar an der Spitze, am Rand und im Hintergund geschmacksempfindlicher ist als in der Mitte, aber die Sensibilität für alle vier Grundqualitäten nahezu gleich ist. Die Fehlinformation kam dadurch zustande, dass – wie so oft -, wenn Daten erst einmal Eingang in die Sekundärliteratur gefunden haben, sie unkritisch von Lehrbuch zu Lehrbuch übernommen und abgeschrieben werden.“
Hanns Hatt.
Etliche Generationen von Schülern und Wein-Eleven mussten sich seitdem – zwischen Beuys, Brandy Crusta und Billy Jean – einreden, sie würden Süße nur an der Zungenspitze erschmecken. – Zum Glück halfen dabei die Riedel Gläser.
Mittlerweile ist die Firma Zalto in die Bresche gesprungen. Ihre Gläser sind den Neigungswinkeln der Erde nachgestaltet…:
„Bei der Entwicklung der Serie Denk`Art hat ein kosmisches Phänomen die Designer inspiriert. Die verwendeten Winkel von 24°, 48° und 72° entsprechen den Neigungswinkeln unserer Erde. Glaubt man den Überlieferungen, so hatten bereits die alten Römer erkannt, dass diese Winkel bei der Herstellung von Vorratsbehältnissen überragende Eigenschaften mit sich brachten. Lebensmittel blieben darin nicht nur länger frisch, sie schmeckten auch wesentlich besser.“
Modernes Schamanentum in Zeiten zugesetzter Zuckercouleur. –
Ach, wo wir gerade beim Thema sind: hatte ich bereits den „Hard Shake“ erwähnt?
Sehr schöner Text, danke dafür!
Durch die Bestückung des Artikels mit einem Foto der eigenen Gläser, stammend von den auf Schippe genommenen Herstellern, nehme ich an, dass du diese auch trotz diesem Hokuspokus aus der Marketingabteilung empfiehlst?
Genau. Unbedingt.
Wie ich schrieb: Glaskultur ist ein Teil der Trinkkultur und liefert ganz nebenbei ein ästhetisches, haptisches Element.
Mein Rotwein macht es sich in Riedelgläsern behaglich.
Und die Zalto Gläser sind wirklich grossartig: modern, fein, leicht, wohlgeformt. – Abgebildet ist links das Champagnerglas.