Zwischen Beuys, Brandy Crusta und Billie Jean – Der Hard Shake

Um den sogenannten „Hard shake“ ist es ruhiger geworden.
Vor ein paar Jahren machte der Hard Shake des japanischen Meister Bartenders Kazuo Ueda weltweit Furore. Zuerst las ich von diesem Schütteln im seeligen Bitters Blog.
Der slovakische Barkeeper Luboz Rasz schrieb dort:

„Sehr interessant ist die “HARD SHAKE”, Methode, welche Mr. Ueda erdacht und weiterentwickelt hat. Das Ergebnis ist ein sehr feiner, runder und ausgewogener Geschmack, der mit konventionellem Shaking nicht erreicht wird. Wenn man nach dem Shaken auf das Resteis schaut, sieht man hier gleichmässige und runde Eiskugeln-die Eiswürfel werden quasi geschliffen und somit platzen weniger Kristalle ab, die später den Drink verwässern können.“


Forciertes Mixen

„Japanese Bartending“ ist im Wesen eine Philosophie, eine bestimmte Grundhaltung und Einstellung zu den Dingen. – So weit, so gut.
Auch ist es sinnvoll Arbeitstechniken immer wieder auf den Prüfstand zu schicken und zu modifizieren und überlieferte Mischtechnilken unter Umständen zu verbessern. Die Kulinarik ist kein Museum. Sie entwickelt sich. Ebenso ihre Techniken und Methoden. „Stillstand ist der Tod“ sagt Max Frisch. Ich muss auch positiv würdigen, dass die Grundidee hinter dem Hard Shake eine Qualitätsverbesserung ist. Das unterscheidet den Hard Shake vom Flairtending.
Ich persönlich halte die sogenannte Hard Shake Technik aber für eine Masche. Gut ausgedacht, doch eine Schnapps-Idee. Im Sinne des Wortes.
Gutes Marketing. Der Hauch des Besonderen. Forciertes Barmixen. Sinnvoll vielleicht für Sahnedrinks.
Das Wort „forcieren“ bedeutet „seine Anstrengungen verstärken, damit etwas stärker oder besser wird“. – Das trifft es. Das ist das Ziel.
Aber im Kern ist der Hard Shake nur ein Beispiel für modernes Schamanentum in Zeiten zugesetzter Zuckercouleur.

Von Blasenkissen, Eisbruchstücken und anderen Einfällen

Japanese Bartending ist eine Haltung vor der ich Respekt habe, aber diese Philosophie produziert in Bezug auf den Hard Shake Ideen, die zum Teil nicht bewiesen sind, zum anderen der Realität und der naturwissenschaftlichen Erkenntnis nicht standhalten.
Als Haupteffekt des Hard Shake werden die kleinen Bläschen genannt, die durch das intensive, kontrollierte Schütteln entstehen. Diese Bläschen „fungieren als ein Kissen und bewahren die Zunge vor dem direkten Kontakt mit der reizenden Rauheit der Zutaten und Spirituosen und führen zu einem feineren Aroma“. Ein weiterer Effekt ist das Entstehen kleiner Eissplitter, die nach dem Schütteln auf dem Drink liegen.
Nun ist es gewiss eine gute Idee, mit verschiedenen „Texturen“ zu arbeiten und ein anderes „Mundgefühl“ zu erzeugen. Nur sind die Bläschen und Eispartikel sehr kurzlebig. Auch sind Eisstückchen im oder auf dem Drink für mein Empfinden ein Kunstfehler. Dafür hat man den Feinstrain erfunden, um Eisreste im Shaker zu belassen, damit sie den Drink nicht nachträglich verwässern.
„Das Ergebnis ist ein sehr feiner, runder und ausgewogener Geschmack, der mit konventionellem Shaking nicht erreicht wird.“ schrieb Luboz Rasz.
Klingt gut… Könnte ja sein….
Aber für mich ist es pure Suggestion. Der Drink wird – so mein Urteil – eben nicht „besser“, nicht „smoother“, nicht feiner oder ausgewogener. Vielleicht etwas kälter. Vielleicht.

Live-Gastronomie

Bartending ist eine der wenigen etablierten Formen der Live-Gastronomie. Live Gastronomie bedeutet, dass der Gast bei der Zubereitung der Produkte unmittelbar zugegen ist und sie begutachten kann. Als Gast mag ich es, wenn sauber gearbeitet wird, der Koch oder Bartender organisiert erscheint und bei ihm oder ihr die Arbeitsabläufe flink und geschickt von Hand gehen.
Der Hard Shake ist eine lustige Sache, aber wenn ich Clowns beobachten möchte, gehe ich in den Zirkus.
Auch möchte ich auf Dauer keine menschliche Schüttelroboter hinter dem Tresen sehen,
Bartender, die sich zum Affen machen und die beim Öffnen des Shakers darauf achten müssen, dass keine Schweißtropfen in den Drink gelangen.

Die Küche wurde deshalb abseits des Gastraumes hinter Schwingtüren verborgen, damit der Gast genießen kann ohne an der Mühsal und der Hektik der Küche teilzuhaben. Live Gastronomie wiederum lebt davon, dass die Speisen und Getränke mit einer gewissen Leichtigkeit und Mühelosigkeit, einer Geschmeidigkeit und mit Finesse zubereitet werden. Das Handwerk braucht Virtuosen, keine Kraftmeier. Ein Cocktail will mit Liebe zubereitet werden und nicht – so wirkt es auf mich – abgetrotzt und erzwungen werden.

Der South African Zulu Warrior Shake

Der Hard Shake ist für mich ein passender Kandidat innerhalb unserer kleinen Reihe unter dem Titel „Zwischen Beuys, Brandy Crusta und Billy Jean – Zum modernen Schamanentum in Zeiten zugesetzter Zuckercouleur“ und ein würdiger (vorläufiger?) Abschluss.

Wer sich weiter mit dem Thema beschäftigern möchte, den verweise ich auf das C&D Cocktailforum. Dort beschäftigen wir uns mittlerweile mit dem von Meister Mangomix entwickelten

„South African Zulu Warrior Shake“. Kriegsgeschrei optional, um nicht nur die Geister der Ahnen, sondern auch die der geschüttelten Spirituose zu wecken.
Besonders geeignet für Amarula-Drinks….

Alchemyst

Alchemyst, geboren in den fünfziger Jahren, studierte Philosophie, Theologie und Pharmazie. Heute leitet er eine öffentliche Apotheke in Norddeutschland. Alchemyst ist nicht selten in Champagnerlaune.

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