Bei der Liebe zu gereiftem Champagner lassen sich Enttäuschungen nicht vermeiden. Das Risiko, überreifte oder schlecht, bspw. eindimensional gereifte Champagner aus der Flasche ins Glas zu bekommen, nimmt man immer mit in Kauf. Ein Wein im perfekten Trinkfenster jedoch beschert größte Freude und Glücksmomente, wie wir sie unter anderem beim Krug 1990 oder beim Bollinger R.D. 1990 aus der Magnum erleben durften.
Neben dem Quentchen Glück, die Flasche am richtigen Abend mit den richtigen Leuten in der richtigen Stimmung aufzuziehen, kann man mit etwas Erfahrung schon einige Fehltritte vermeiden. Einfache Weine haben ihr bestes Trinkfenster oft – aber nicht immer – in der primärfruchtigen, gefälligen Phase. Viele komplexe Weine machen zum Anfang hingegen kaum Spaß, wie uns kürzlich David Léclaparts 2005er L’Apôtre eindrucksvoll bewies – zugenagelt bis zum Schluss. Oft sind es aber ein bis zwei Jahre, die einen gewöhnlichen, guten Champagner, auch jahrgangslos, schon zu einem anderem Erlebnis machen können. Sich diese Zeit zu nehmen schadet fast nie, außer vielleicht bei Qualitäten, die man ohnehin nicht unbedingt im Glas haben möchte… Der Trend geht zur Angabe des Datums des Dégorgements, das erleichtert eine Einschätzung natürlich immens. Wenn nicht angegeben, muss man sich am ungefähren Kaufdatum orientieren – auch das funktioniert.
Auf eine ältere Flasche in perfekter Form lud mich kürzlich ein Freund in Berlin ein – so sieht gereifter Champagner in absoluter Trinkform aus. Ganz viel im Angebot, aber nie anstrengend – diese Mischung ist selten anzutreffen: Pierre Callot 1998
Nase:
Sehr facettenreich, glasklare, frische Frucht trifft auf Rosinen, Dörraprikosen, Holz und Alter.
Gaumen:
Die tatsächlich perfekte Balance übernimmt den ganzen Mundraum, vom ersten Schluck bis zum letzten Ton des Nachhalls. Der 98er Callot hat sich eine tolle Frucht erhalten, Säure und eine feine Süße bilden ein wunderbares Gerüst, in dem sich ein sehr voller, dichter und intensiver Wein präsentieren kann – die Bühne stimmt. Die Kohlensäure beginnt bereits, sich zurückzunehmen und feine Rösttöne sind sanft eingebunden.
Abgang:
Hier sind meine Notizen nicht mehr gut lesbar… Macht aber nichts. Jetzt ist dieser Wein vermutlich auf dem Zenit seines Lebens. Die weitere Entwicklung wird die Fruchtigkeit wahrscheinlich verschwinden lassen, die Kohlensäure wird schwächer und die Rösttöne übernehmen. Zumindest wäre dies ein recht prototypischer Verlauf.
Die Weine von Callot sind in Deutschland schlecht zu bekommen, das Maison de Champagnes in Berlin führt sie. Solltet ihr über einen Jahrgansgswein stolpern – mitnehmen, reifen lassen und einige Momente Glückseligkeit im Glas genießen.
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