Charles Schumann und Bruno Paillard

Champagne Bruno Paillard im Schumann’s

Am 25. April hatte ich das große Vergnügen an einer exklusiven Verkostung des Champagnerhauses Bruno Paillard teilnehmen zu dürfen. Im Rahmen einer familiären Runde von 30-35 Personen, zu denen auch illustre Gäste wie Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann und Nina Ruge zählten, präsentierte M. Bruno Paillard seine Weine höchstpersönlich im Rahmen einer umfangreichen Degustation. Zwar waren mir die Champagner der Marke Bruno Paillard aus meinen Lehrjahren in der Gastronomie durchaus schon bekannt, der Umfang dieser Verkostung ermöglichte es jedoch einen viel tiefgreifenderen Einblick in die Philosophie und die Stilistik des Hauses zu gewinnen.

Die Veranstaltung begann gegen 16:30 Uhr mit einem entspannten Champagner-Empfang, währenddessen leckere Tatar-Happen gereicht wurden und Charles Schumann interessierten Gästen seine neue Gläser-Kollektion vorführte. Nach dem ersten Glas Champagner und ein paar kurzen Gesprächen sollte es dann auch losgehen und M. Bruno Paillard bat die Teilnehmer an den Verkostungstisch.

Das Haus Bruno Paillard
Vor der eigentlichen Verkostung gab Paillard noch eine Einführung in die Entstehungsgeschichte seines Hauses und der Philosophie, der er sich verschrieben hat:
Paillard selbst wurde 1953 als Sohn einer alteingessenen Weinmakler-Familie in Reims geboren und stieg in Alter von 22 Jahre in die Familiengeschäfte ein. In den folgenden Jahren konnte er intensiven Kontakt zu Weinbauern und Winzern aufbauen und begann 1978 damit Champagner-Posten aufzukaufen um bei diesen die Flaschengärung zu beenden und sie anschließend, damals noch als Handelsmarke, mit eigenem Etikett weiterzuverkaufen. Schnell merkte er jedoch, dass er mehr Kontrolle über den Inhalt der Flaschen haben wollte und entwickelte die Vision seinen eigenen Champagner zu kreieren. Dieser sollte möglichst rein, komplex und elegant sein um die Besonderheiten dieses noblen Getränks klar und präzise ins Glas zu bringen. So geschah es also, dass der junge Paillard 1981 sein eigenes Champagnerhaus gründete obwohl er zu diesem Zeitpunkt nicht einen Weinberg und nur sehr geringes Kapital besaß.  Die anderen Champagnerhäuser reagierten anfangs sehr protektionistisch auf Paillards Vorhaben, was in gewisser Weise auch verständlich erscheint, denn es wurde bereits seit über 100 Jahren kein Champagnerhaus mehr gegründet und der Markt schien trotz Konkurrenz größtenteils aufgeteilt. Paillard lies sich davon jedoch nicht beirren und etablierte sich erfolgreich, so dass es ihm 1994 möglich war die ersten 3 Hektar Weinberge in Grand Cru Lagen zu erstehen. Mittlerweile besitzt Paillard 32 Hektar und kann damit ca. 1/3 des Gesamtbedarfs für die jährliche Produktion von 500.000 Flaschen decken. Den restlichen Bedarf kauft er sich bei unabhängigen Winzern zu, die er aus seiner Zeit als Weinmakler kennt. Um dem Wein den von Paillard gewünschten Stil einzuhauchen, verwendet das Haus nur den Saft aus der ersten Pressung der Trauben um diesen anschließend, je nach Cru, seperat in Edelstahltank oder Barriques zu vinifizieren. Zusätzlich wird ein hoher Anteil an Réserveweinen verwendet um die Stiltreue der Assemblages zu garantieren und die Dosage auf ein Minimum (4-7 g/L) reduziert, um die Reinheit des Weins zu respektieren. Neben dem finessereichen und elegantem Stil seiner Weine, war es Paillard auch von Anfang an wichtig, den Käufer über den Zeitpunkt des Degorgements seiner Weine zu informieren und er war der Erste, der diesen Zeitpunkt auf die Flaschen drucken ließ. Die Notwendigkeit die er dahinter sah, erzählt er mit einer netten Anekdote: Die Kellerarbeiter nennen das Degorgement  „la opération“, also Operation, und tatsächlich könnte man den Eingriff an der Flasche mit einem operativen Eingriff am menschlichen Körper vergleichen. Wenn etwa sein jugendlicher Sohn sich beim Fußball das Bein brechen würde, so dauere es vermutlich nur wenige Monate bis er wieder mit seinen Jungs kicken könnte. Würde Paillard selbst sich jedoch mit knapp 60 Jahren die gleiche Verletzung zuziehen, so würde es deutlich länger dauern bis wieder alles verheilt ist. Ähnlich verhalte es sich mit alten Champagner, die über die Jahre einfach fragiler werden und mehr Zeit brauchen um sich von dem Schock zu erholen. Nach dieser amüsanten Einführung sollte es nun allerdings ans Verkosten gehen, schließlich warteten sechs verschiedene Flaschen darauf, von uns geleert zu werden.

Charles Schumann und Bruno Paillard

Charles Schumann und Bruno Paillard

Brut Première Cuvée
Als erstes präsentierte Paillard den „Fahnenträger“ des Hauses, den Brut Première Cuvée. Dieser Standard-Wein macht 60% der Produktion aus und wird komplett aus Weinen der ersten Pressung von bis zu 32 verschiedenen crus gekeltert. Die Grundweine werden getrennt in Tanks oder kleinen Holzfässern ausgebaut und anschließend mit bis zu 48% Reserveweinen vermählt. Die Assemblage besteht aus 22% Pinot Meunier, 33% Chardonnay und 45% Pinot Noir. Das Degorgement erfolgt erst nach einer mindestens dreijährigen Reifezeit auf der Hefe, was mehr als dem doppelten der vorgeschriebenen Mindestliegezeit von 15 Monaten entspricht. Nach dem Degorgement darf sich der Wein noch 3-4 Monate im Keller ausruhen, bevor er an die dürstenden Gourmets auf der ganzen Welt ausgeliefert wird.

Bruno Paillard – Brut Première Cuvée
Farbe strohgelb
Nase Frucht dominiert, Pampelmuse, Limette, Johannisbeere, Kirsche
Gaumen massives Säuregeflecht, Mineralität, sehr stringent, klar, Toast, Mandel
Abgang vollmundig, schöne Länge, klares Finale

Fazit: In diesem Wein erkennt man klar die von Paillard verfolgte Philosphie der Stringenz, Reinheit und Unverfälschtheit. Die geringe Dosage von 6 g/L (die den Wein eigentlich zum Extra Brut machen) und die markante Säure geben dem Wein keine Chance, sich zu verstecken. Für mich ein toller Aperitif-Champagner, da er es schafft, die Sinne zu schärfen und den Geschmack anzuregen, ohne diesen dabei zu belasten. Ich möchte jedoch auch darauf hinweisen, dass die Première Cuvée vermutlich nicht bei allen Endkonsumenten auf Anhieb gut ankommt, denn er erfordert mehr Konzentration beim Trinken als der gefällige Geschmack der Massenprodukte, auf den viele Gaumen geeicht sind.

Rosé Première Cuvée
Als zweiter Wein der Probe folgte der Rosé des Hauses, der 22-23% der Gesamtproduktion ausmacht. Wie alle Champagner von Paillard wird auch der Rosé exklusiv aus der ersten Pressung hergestellt und besteht mehrheitlich aus Pinot Noir, besitzt jedoch auch einen signifikanten Chardonnayanteil, der für eine angenehme Frische sorgt. Mit einer Dosage von 7 g/L ist er ein authentischer Brut und reift, wie auch der Brut Première Cuvée, nach dem Degorgement für 3-4 Monate im Keller.

Bruno Paillard – Rosé Première Cuvée
Farbe sehr schöne, natürliche rosa-goldene Farbe
Nase fruchtig-florale Nase, der Chardonnay-Anteil wird deutlich, rote Beeren
Gaumen cremige Struktur, reife rote Früchte, dabei nicht zu schwer
Abgang sehr präzise, erfrischend

Fazit: Ein natürlich schmeckender Rosé, der sich abseits des kitschigen Bonbon-Geschmack einiger Konkurrenzprodukte positionieren kann. Der Wein hat mich nicht nachhaltig beeindruckt, war aber ohne Frage ein perfekt gemachter, ehrlicher Tropfen mit Charakter. Laut Paillard ideal zu Käse und Thai-Food.

Rosé Première Cuvée im Glas

Rosé Première Cuvée im Glas

Blanc de Blancs Réserve Privée
Nr. 3 sollte ein exklusiv aus Chardonnay erzeugter Champagner sein – Blanc de Blancs Réserve Privée. Die Trauben für diesen multi-vintage Blanc de Blancs stammen zu 100% aus grand cru Lagen der „Côte des Blancs“ und werden nach der demi-mousse-Methode gekeltert. Bei dieser alten Methode wird dem Wein zur Flaschengärung weniger Zucker als üblich zugesetzt, so dass weniger CO2 und damit auch weniger Druck in der Flasche entsteht. Anstelle der üblichen 5-6 bar wird ein Flaschendruck von ca. 3,5 bar erreicht, wodurch der Champagner zwar fragiler wird, allerdings an Finesse und Eleganz gewinnt. Wie alle Champagner von Bruno Paillard ist auch der Blanc de Blancs Réserve Privée mit 5 g/L sehr niedrig dosiert und ist rein faktisch ein Extra Brut. Im Gegensatz zu dem Brut Première Cuvée und dem Rosé darf der Blanc de Blancs Réserve Privée nach dem Degorgement etwas länger im Keller reifen und verlässt diesen erst nach sechs Monaten. Die von uns entkorkte Flasche wurde im April ’11 degorgiert und durfte somit sogar ganze 12 Monate nach dem Degorgement ruhen.

Bruno Paillard – Blanc de Blancs Réserve Privée (Grand Cru)
Farbe Bruno Paillard: „greeny-gold“ ; blasses Gold mit grünen Reflexen
Nase florale Aromen, Zitrusfrüchte, Mandel, Brioche
Gaumen sanft, Pfirsich, Mandel, kandierte Orangenscheiben, mineralisch
Abgang lang und lebhaft

Fazit: Der Blanc des Blancs Réserve Privée lieferte einen richtig starken Auftritt! Sein opulentes, mundfüllendes und elegant-komplexes Aroma konnte die Verkostungsrunde geschlossen begeistern und schreit quasi nach Seafood. Ein toller Blanc de Blanc mit knackiger Säure!

Assemblage 2002
Ein Highlight der Verkostung war die weltexklusive avant-première des Assemblage 2002. Die offizielle Vermarktung dieses Champagners beginnt erst diesen Sommer und ich möchte bitten die Verkostungsnotiz nur als Momentaufnahme zu betrachten, die nicht dem fertigen Produkt entsprechen muss!

Bruno Paillard – Assemblage 2002
Farbe helles Gold
Nase Toffee, grüner Apfel, Marzipan
Gaumen markante Säure, sehr frisch, Apfel, blumig, Honignoten
Abgang Langanhaltend, samtig, erfrischend

Fazit: Auch wenn die Perlage noch etwas grob wirkte, so zeigte der Assemblage 2002 doch deutlich, was der Spitzenjahrgang 2002 zu bieten hat. Der Wein zeigte eine enorme Vollmundigkeit, Breite und Tiefe in Kombination mit einer stark ausgeprägten Säure – Ideale Vorraussetzungen für die kommenden Jahre. Schon jetzt ein großer Wein!

Brut Millésimé 1999 Blanc de Blancs
Laut eigener Aussage ist Paillard davon überzeugt, dass, neben Champagner, auch Kunst sehr glücklich macht. Kein Wunder also, dass der bekennende Kunstliebhaber versucht eine Brücke zwischen den Beiden zu schlagen. Ähnlich wie ein Kunstwerk, ist jeder Jahrgangschampagner etwas einzigartiges, unwiederbringliches und Paillard macht sich jedes Jahr aufs Neue auf die Suche nach einem Künstler der ihm geeignet scheint ein Bild für den aktuellen Jahrgang zu konzipieren. 1999 fiel die Wahl dabei auf die französische Malerin Guillemette Schlumberger, die den Brut Millésimé 1999 Blanc de Blancs mit dem Thema „Vivacite“ (Lebhaftigkeit) illustrierte. Die ehemalige Schülerin des Malers Cremoni lebte lange Zeit in Brasilien und versucht in ihren Werken die Farben und Freuden dieses Landes einzufangen.

Guillemette Schlumberger - Vivacité

Guillemette Schlumberger – Vivacité

Freudig und frisch, wie das Werk der Künstlerin, präsentiere sich auch der Brut Millésimé 1999 Blanc de Blancs als ich ihn im Rahmen der ProWein 2011 zum ersten Mal verkostete. Hergestellt aus Chardonnay-Trauben der beiden Grand Cru Lagen Oger und Le Mesnil Sur Oger, durfte der Champagner zehn Jahre auf der Hefe lagern und nach dem Degorgement für ein weiteres Jahr im Keller ruhen.

Bruno Paillard – Brut Millésimé 1999 Blanc de Blancs
Farbe grün-golden
Nase geröstete Haselnuss, Mandel, Brioche, Mandarine, Pampelmuse
Gaumen weniger Säure als alle Vorgänger, Kaffee, Lebkuchen, sehr üppig, trotzdem frisch und lebhaft
Abgang lang, buttrig, extrem fein

Fazit: Die große Aromenvielfalt von fetten und gleichzeitig schlanken Aromen ließen ein ungemein harmonisches und präzises Gesamtbild entstehen. Deutlich war auch zu merken, wie der Wein sich im letzten Jahr beruhigt hat und die prägnante Säure sich wunderbar in den Wein eingefügt hatte. Der Wein war für mich an diesem Tag auf dem Punkt und der bisher Beste der Verkostung!

N.P.U. << Nec Plus Ultra >> 1996
Den Abschluss der Verkostung sollte das Prunkstück der Paillard-Kollektion bilden – Der rare N.P.U. 1996. Der N.P.U. besteht zu je 50% aus Chardonnay und Pinot Noir, aus den vier Grand Cru Lagen Bouzy, Verzenay, Oger und Le Mesnil Sur Oger und ist aus dem Willen entstanden, ohne Rücksicht auf Kosten oder Schwierigkeiten den bestmöglichen Champagner zu kreieren. Die Gärung erfolgte in kleinen Eichenholz-Fässern, in dem die Grundweine auch die ersten 9 Monate verbrachte. Nach der Assemblage im Juli 1997, erfolgte die Flaschengärung und eine zwölfjährige Reife auf der Hefe. Im Januar 2009 wurder der, mit 4 g/L dosierte Wein, schließlich degorgiert und reifte für weitere zwei Jahre in der Flasche. Insgesamt verbrachten die 6523 produzierten Flaschen also über 15 Jahre im Keller des Hauses. Das wahnsinnige Potential des Jahrgangs 1996 stand außer Frage, so dass ich sehr auf des Ergebniss dieser speziellen Abfüllung gespannt war.

Bruno Paillard – N.P.U. << Nec Plus Ultra >> 1996
Farbe tief-golden
Nase Birne, Melone, Banane, Nüsse, florale Noten, Toast
Gaumen harmonisch gereift, cremig, zurückhaltende Perlage, es fehlte etwas Energie und Säure
Abgang angenehm langer, seidiger und aromatischer Nachklang

Fazit: An der Nase zeigte der Wein alles was von von einem großen Champagner aus 1996 erwarten darf. Eine opulente Frucht- und Nussaromatik kombiniert mit einer leichten Blumigkeit und Eleganz. Am Gaumen wirkte er allerdings deutlich älter als ich es erwartet hatte. Die Säure war für Paillard-Verhältnisse eher schlaff und die Perlage wirkte etwas schwach und fragil, wodurch der Champagner in seiner Entfaltung gehemmt wurde. Nichtsdestotrotz zeigte der N.P.U. eine tolle Aromatik am Gaumen, die durch etwas mehr Vitalität allerdings noch an Klasse gewonnen hätte!

Gesamtfazit: Wie eingangs bereits erwähnt, waren mir einige Produkte von Paillard durchaus schon vertraut. Da ich diese jedoch meistens mit größerem zeitlichem Abstand oder höchstens in kleineren Verkostungen probiert hatte, wusste ich zwar stets, dass ich einen guten Champagner im Glas hatte, war mir dem stilitischen Grundgedanken hinter dem Champagner allerdings weniger bewusst. Diese konzentrierte und perfekt moderierte Verkostung ließ die klare Linie, die sich durch alle Paillard-Weine zieht, deutlich erkennen und öffnete mir die Augen, wie die Winzer ihre Produktphilosophie in die eigene Linie einfließen lassen und auch Wert darauf legen, dass diese vom Konsumenten verstanden wird.
Durch den hohen Säure- und den geringen Zuckeranteil mögen die Champagner von Paillard für den untrainierten Gaumen anfangs womöglich etwas zu direkt erscheinen. Ich denke allerdings, dass jeder der sich auf die Weine einlässt den ehrlichen und puristischen Stil irgendwann zu schätzen lernt. Für mich ist und bleibt Bruno Paillard auf jeden Fall eines der interessantesten Champagnerhäuser, da es einfach Spaß macht, die Entwicklung dieses jungen Hauses zu beobachten und ich ehrlich gesagt auch einfach auf den Stil der Weine stehe.

Bruno Paillard

Bruno Paillard

Robin Stein (†)

Robin Stein, Jahrgang 1987, war studierter Lebensmitteltechnologe und der Jüngste im Team. Sein Weg führte ihm nach dem Abitur 2006 über ein viermonatiges Praktikum in Pusser's New York Bar in München nach Bergisch-Gladbach, wo er eine Ausbildung als Hotelfachmann im Schlosshotel Lerbach absolvierte. Seine persönlichen Honigfallen waren Champagner, Obstbrände, Wein und Whisk(e)y.

Tyndall-Effekt bei Goldkolloiden

2 Kommentare

  1. Jonas

    Tolles Haus. Tolle Weine.
    Vielen Dank für das zweimalige Anfixen auf der Prowein!

    Grüße
    Jonas

  2. Stefan Krimm

    Die Verkostung war wirklich exzeptionell. Mit einer Ausnahme frische, kristalline, sehr trockene und elegante Champagner – ohne die lästigen Bratapfel-Noten nicht weniger Gewächse.

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