Die Burgundisierung der Champagne – Teil I

Mehr und mehr lässt sich in der letzten Zeit ein Trend in der Champagne feststellen: Immer mehr Winzer bauen ihre Weine lagenrein aus. Der Terroir-Gedanke gewinnt an Bedeutung, im Regelfall gehen damit Schlagwörter wie Holzfassausbau, Bio(dynamie), Zero Dosage, wenig Schwefel, immer ein Jahrgang etc. pp. einher. Die starke Betonung der einzelnen Lage stellt eine Abkehr von einem Prinzip der Champagnerherstellung dar: der Assemblage. Galt das Verschneiden diverser Lagen und Jahrgänge als wichtige Basis, wird dieser nun der Rücken gekehrt. Welche Folgen dies mit sich bringt, möchte ich versuchen, in einer kleinen Artikelreihe darzustellen.

Generell handelt es sich sicherlich um ein Phänomen, das für die Avantgarde der Champagnerwinzer und -trinker Bedeutung gewinnt – nicht hingegen für die Massen. Doch Trends wurden immer von einer kleinen Schar begründet – und Winzerchampagner dieses Stils haben auch schon häufig ihren Weg in unseren Blog gefunden.

Die Burgundisierung
Ich pflege gern von der ‚Burgundisierung‘ der Champagne zu sprechen – in Burgund wurden wie wohl in keinem Anbaugebiet der Welt seit vielen Jahrhunderten die Eigenheiten einzelner climats so lange und intensiv herausgearbeitet, dass eine immense Vielfalt einzelner AOCs, Appellations d’Origine Controlée, geschaffen wurde. Romanée-Conti ist mit ca. 1,8 ha Fläche eine eigene Appellation. Der Lagenname ist so bedeutsam für den Verkauf der Weine geworden, dass die Orte die Namen ihrer berühmtesten Lagen in den Gemeindenamen übernommen haben: Vosne-Romanée, Chassagne-Montrachet oder Aloxe-Corton. Die Champagne hingegen ist, von ein paar kleinen Ausnahmen wie Rosé de Riceys abgesehen, eine einzige, große Appellation für Schaumwein – mit ca. 33.000 ha Fläche unter Reben.
Trotz der Existenz der Einteilung der Traubenqualitäten in Grand Cru und Premier Cru über die offizielle échelle des crus ist ein Wunsch nach Differenzierung und Hervorhebung der eigenen Lagen und Weinberge bei einer so großen Appellation nachvollziehbar. Alleinstellungsmerkmale sind aufgrund ihrer Identifikationsmerkmale immer wünschenswert.

Einzellagen-Trends
Der Trend zur Einzellage lässt sich schnell belegen: Cédric Bouchard, Janisson-Baradon, Jacquesson oder Alain Thienot sind einige Beispiele. Der König des Winzerchampagner, Jacques Selosse, dessen Name ein Synonym für herausragende Qualitäten ist, verdeutlicht den Trend und seine Folgen auf besondere Art und Weise. Aus der Blanc de Noir-Cuvée Contraste, die für ca. 80-90 € im Handel zu kaufen war und aus zwei Einzellagen Pinot Noir gekeltert wurde, sind mittlerweile zwei Einzellagen-Champagner geworden. Jeder sicherlich mit seiner eigenen Handschrift, will ich vermuten – doch da der Preis auf unentspannte 180 € stieg, kann ich das leider nicht mit Sicherheit bestätigen.
An diesem Beispiel wird die potentielle Kehrseite des Trends zur Einzellage deutlich. Jacques Selosse kann sich solch einen Preisanstieg sicherlich leisten, seine Weine werden gekauft. Aber verborgen unter der Kreation zweier neuer Weine, als Einzellagen gelabelt, ist das ein ziemlich solider zusätzlicher Gewinn. Noch rarer, noch besonderer – noch teurer. Ähnlich verhält es sich bei den neuen Einzellagenweinen von Jacquesson. Den Grand Cru Avize habe ich noch vor einigen Jahren für ca. 50 € gekauft. Heute zahlt man für die Einzellagen schnell 80 € und mehr.

Es geht jedoch auch anders: Aus Janisson-Baradons Prestige Cuvée ‚George Baradon‘ sind die beiden einzeln ausgebauten Weine ‚Let Toulettes‘ und ‚Tue Boeuf‘ geworden. Beim Preis hat sich nicht viel verändert, alle Weine lagen und liegen bei 50 bis 60 €.

In den nächsten beiden Teilen diese Reihe möchte ich die Vor- und Nachteile beider Spielarten beleuchten – avantgardistische Einzellagen-Freakshow und großspurig-klassische Prestige Cuvées der Grandes Marques. Was können die Weine, was zeichnet sie aus, was bekommt man  für sein Geld und welche Erwartungen werden bedient, welche enttäuscht? Cristal, Winston Churchill, Comtes de Champagne und Grand Siècle auf der einen Seite und drei Einzellagen von Janisson-Baradon auf der anderen Seite erwarten euch in den nächsten Teilen. Bis dahin!

Torben Bornhöft

Torben Bornhöft beschäftigt sich seit 2004 leidenschaftlich mit Themen rund um Bar, Cocktails und Genuss. Nachhaltig geprägt durch fünf Jahre im Hamburger Le Lion und die Likörproduktion mit Forgotten Flavours liegt Torbens Fokus hier mittlerweile auf den Themen Champagner, Infusionen und Twists auf Klassiker.

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