Es gibt Aussagen, an die hat man sich gewöhnt. So zum Beispiel: Rye-Whiskey ist in Deutschland nicht, nur in schlechter Qualität oder überteuert erhältlich. Mit der Zeit kommt aber manchmal der Moment, in dem man altgewohnte Aussagen über Bord werfen muss. Ein solcher Moment ist jetzt. Mit Bulleit Rye und Rittenhouse BiB sind fast zeitgleich zwei Whiskeys auf den Markt gekommen, die unter 30€ für den Endverbraucher kosten und eine wundervolle Qualität bieten. Welchen sollte man sich anschaffen? Das wollen wir in einem Mixtest ausmachen – schließlich ist Rye-Whiskey dafür gemacht.
Zunächst aber die beiden Kandidaten: Der Bulleit Rye zunächst – ist kein Bulleit-Destillat. Er wird von MGP Ingredients zugekauft, jenem Unternehmen, das auch Templeton, Willett 4-6yo, Riverboat und viele andere Abfüller beliefert. Daher auch die markante 95% Rye-Mashbill. Aber das ist nicht zwangsläufig schlecht. Im Gegenteil. Im Bulleit, der ein Blend aus 4-6 Jahre alten Ryes ist, dominieren Minze, Pinie und Granny-Smith-Apfel. Der Bulleit ist mittlerweile der meistverkaufteste Rye der Welt. Der Rittenhouse BiB mit dem zeitlos scheußlichen 90er-Logo kennt man bereits aus den Zeiten, in denen Rye noch ein seltener Gast in deutschen Bars war. Aber falsch gedacht. Denn das neue Produkt wird in der Bernheim Destillerie in Louisville, die Heaven Hill gehört, destilliert (DSP-1). Die alten Abfüllungen wurden nach der Zerstörung der alten Heaven Hill Destillerie durch Brown Forman in der Early Times Destillerie hergestellt (DSP-354). Seit dem März 2013 wird das neue Destillat abgefüllt und Heaven Hill ist nun bereit, mit Rittenhouse BiB den Weltmarkt zu erobern. Diesem sind allerdings mangels Kapazitäten der Rittenhouse White Label und der Pikesville Rye zum Opfer gefallen.
Im Sour (6:3:2 ohne Ei) beweist sich in der Nase der Bulleit als frischer, allerdings kommt der Rye nicht so gut durch wie der Rittenhouse BiB. Die 50% bescheren einen mächtigen Abgang voller Roggenwürzigkeit. Da ist ein Antagonist zur Säure vorhanden. Die frischen Töne des Bulleit Rye ergänzen sich eher. Ich würde hier den Rittenhouse bevorzugen.
Im Sazerac bietet sich ein entgegengesetztes Bild: Die frischen, grasigen, grünen Noten des Bulleit ergänzen sich besser mit dem Anis des Absinths. Der Rittenhouse bleibt Solitär, der Geschmack arbeitet eher gegen als mit dem Absinth.
Ein „Sieger“ ist schwer auszumachen. Müsste ich mich entscheiden, würde ich zum Rittenhouse greifen. Allerdings bietet der Bulleit noch ein besseres PLV, wenn man einen 95%-Rye-Whiskey sein eigen nennen möchte. Besser und vergleichbar ist nur der Willett mit 4 oder 5 Jahren, der allerdings um einiges teurer ist.
Aber diese beiden sind nicht die einzigen Rye-Whiskeys auf dem Markt. Viele andere, besonders kleine Abfüller und Destillateure sind auf dem Markt. „Craft-Whiskey“, wie man so schön sagt. Hier den Überblick zu bewahren und die Perlen zu kaufen, wird schwieriger. Daher folgende Faustformeln für den Rye-Whiskey-Kauf:
1.) Auf Rye „Whiskey“ achten
Die Regeln zum Rye sind einfach: Etwas darf sich „Rye Whiskey“ nennen, wenn es zu mindestens 51% aus Roggen und der Rest aus einem anderen Getreide gebrannt wurde sowie in neuen, ausgebrannten Eichenfässern lagern. Ein Destillat, das z.B. noch Zuckerrohrbrand enthält, wie der Monterey Rye Spirit oder in gebrauchten Bourbonfässern mit Apfelholzchips lagert, wie der Copper Fox Rye, darf schon in den USA nicht als „Whiskey“ gelten. Dieses Kriterium ist für die EU-Klassifizierung aber irrelevant.
2.) Age matters – „Straight Rye Whiskey“
Nur, wenn ein Rye Whiskey drei zwei Jahre lang im Fass lag, darf er sich in den USA „Straight“ Rye nennen. Diese Bezeichnung ist aber nicht verpflichtend. In der EU darf sich Whiskey nur das nennen, was mindestens drei Jahre in den Fässern lag. Wenn das Produkt „Whiskey“ heißt, dann kann man von mindestens drei zwei Jahren Lagerzeit ausgehen.
3.) Mashbill matters – not
Häufig steht 100% Rye auf der Flasche. Mehr Roggen in der Mischung bedeutet aber nicht zwangsläufig eine höhere Qualität oder besseren Geschmack. Ein Vergleich mit 100% Agave Tequila wäre fehl am Platze. Natürlich beeinflusst aber die Mashbill den Geschmack. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass eine buntere Mashbill eine größere geschmacklichere Bandbreite ausmacht, während 100%er geschmacklich klarer sind.
4.) Strength matters
Hier ist es wie immer bei Spirituosen: Alkohol ist Geschmacksträger. Der Mindestalkohol von Whiskey beträgt in der EU 40%. Insbesondere die Rye-Whiskeys am unteren Ende (Jim Beam, Pikesville, Rittenhouse White Label) schwächeln aber in Mischgetränken. Daher lieber zu einem Produkt mit 45% oder mehr greifen.
Die Rye-Dürre ist vorbei. Sehr schön. Jetzt gilt es herauszufinden, ob der Hype um den Rye nur der Verknappung geschuldet war (das „Apple-Syndrom“) oder ob er der Barlandschaft wirklich auf Dauer erhalten bleibt.
Es gilt unser Disclaimer: Wir schreiben nur über das, was wir mögen! Trinklaune.de hat für die Verkostung Produktproben erhalten. Daran geknüpft war weder die Verpflichtung zur Berichterstattung noch eine Einflussnahme auf den Inhalt des Artikels.
„Nur, wenn ein Rye Whiskey drei Jahre lang im Fass lag, darf er sich in den USA “Straight” Rye nennen.“ Falsch. Die erforderliche Lagerzeit beträgt gemäss den SIDS ( §5.22(b)(1)(III) ) 2 Jahre*.
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http://www.ecfr.gov/cgi-bin/text-idx?c=ecfr&sid=0b1336cf26cbf0cd359ebd43d02b8706&rgn=div5&view=text&node=27:1.0.1.1.3&idno=27#27:1.0.1.1.3.3
Stimmt, das ist mir durchgerutscht. Danke für den Hinweis. Korrigiert!
Da es manchmal zu Verwirrungen kommen kann, sei der Vollständigkeit halber erwähnt, dass man bei einem „straight rye“ ohne Altersangabe von einem Mindestalter von 4 Jahren ausgehen kann (vgl. SIDS §5.40(a)*). D.h. beim Rittenhouse BIB und Bulleit Rye dürfte man mit einer Lagerzeit von min. 4 Jahren des Flascheninhaltes rechnen – sofern man dem TTB beim Certificate Of Label Approval(COLA) keine Flüchtigkeitsfehler unterstellt.
*http://www.ecfr.gov/cgi-bin/text-idx?c=ecfr&sid=0b1336cf26cbf0cd359ebd43d02b8706&rgn=div5&view=text&node=27:1.0.1.1.3&idno=27#27:1.0.1.1.3.5.25.13