Der Einfluss des Lagerorts auf Whiskey – oder: Was macht den Wert eines Bourbon aus?

„Der Ort, an dem ein Whiskey lagert, ist genauso wichtig, wie die Zeit, die er dort lagert“. (Larry Kass, Heaven Hill)

Manchmal hat man die Chance, isoliert einzelne Aspekte, die einen Bourbon ausmachen, herauszuschmecken. Die Buffalo Trace Experimental Collection ist so eine Möglichkeit – jedoch leider nicht in Deutschland. Eine ähnliche Möglichkeit bot nun Heaven Hill – allerdings eher unfreiwillig: Zwei Bourbons sind derzeit auf dem Markt, die die Speerspitze des Portfolios ausmachen (den 21-Jährigen Elijah Craig und den Barrel Proof mal ausgenommen). Parker’s Heritage Collection Promise of Hope und Evan Williams Single Barrel 2003.

Evan WIlliams Single Barrel 2003 & Parker's Heritage Collection - Promise of Hope

Evan WIlliams Single Barrel 2003 & Parker’s Heritage Collection – Promise of Hope

Die Parker’s Heritage Collection ist eine jährliche Sonderabfüllung, in der Heaven Hill seinem Spieltrieb freien Lauf lässt. Ob 27 Jahre Fasslagerung, Blend verschiedener Mashbill oder Cognac-Fass-Finish, Heaven Hill schuf hier immer einzigartige Bourbons. Die Abfüllung für das Jahr 2013 veranlasste ein eher trauriger Umstand. Beim Namensgeber der Reihe, Parker Beam, wurde ALS diagnostiziert, eine unheilbare Muskelkrankheit. Daher wurde es Parker Beam überlassen, Fässer nach persönlichem Wunsch auszuwählen. Die Abfüllung erhielt den Namen „Promise of Hope“, denn 20 Dollar jeder Flasche kommen einer gleichnamigen Stiftung zur Erforschung der ALS zugute. Daneben steht die jährliche Abfüllung des Evan Williams Single Barrel, die seit 1996 abgefüllt wird und schon seit langem in Deutschland erhältlich ist. Warum aber ist der Vergleich so spannend? Kommen wir zu den Fakten:

PHC Promise of Hope Evan Williams Single Barrel 2003
Mashbill Rye-Mashbill, Heaven Hill Rye-Mashbill, Heaven Hill
Attribute Single Barrel, ungefiltert Single Barrel, ungefiltert
Jahr der Destillation 2003 2003
Alter 10 Jahre 10 Jahre
Alkoholgehalt 48% 43,3%
Lagerort: Rickhouse EE, Top Floor Rickhouse Y, 4th Floor
UVP in den USA 90 USD 26 USD

Mit der Ausnahme des Lagerorts sind die Bourbons identisch. Geschmacklich ist der minimale Unterschied im Alkohol zu vernachlässigen. Was aber macht die beiden Bourbons in ihrer Einschätzung so unterschiedlich – und so unterschiedlich teuer?

Daher führte ich mit einigen Freunden ein Blind-Tasting beider Bourbons durch mit der Bitte, zu entscheiden, welcher besser schmeckte und welcher vermutlich teurer sei. Der Evan Williams war von Anfang an zugänglicher, Mandel, Toffee und Karamell waren die Aromen. Er erschien sehr süß, obwohl selbstverständlich Whiskey keinen Zuckerzusatz enthalten darf. Der PHC hingegen wirkte verschlossen, stark alkoholisch. Erst nach einiger Zeit besserte sich dies und das eigentliche Geschmacksprofil des Bourbons wurde sichtbar. So erschien der PHC wesentlich stärker vom Fass beeinflusst, viel Eiche und wenig Süße. Dafür kommen Gewürznoten, Pfeffer und Zimt viel stärker durch.

Die Tester, die verschieden große Erfahrung mit Bourbon haben, empfanden zumeist Evan Williams als den angenehmeren Vertreter, der zugänglicher war. Der PHC wurde eher als „Mixing“ Bourbon angesehen. Wenn aber der Geschmack nicht eindeutig für den PHC spricht, was genau macht dann den Unterschied?

Theoretisch gilt, dass der Lagerort massive Auswirkungen auf den Geschmack hat. Je höher das Fass lagert, desto exponierter ist es Wind und Wetter. Die heißen, trockenen Sommer und kalten Winter in Kentucky führen dazu, dass auf den oberen Floors wesentlich mehr Bourbon in die Holzwand einzieht und wieder kondensiert. Insbesondere verdampft bei einer solchen klimatischen Situation mehr Wasser als Alkohol – was zu einer Konzentration der Aromen führt, wie Elijah Craig Barrel Proof es perfektioniert hat. In den unteren Floors hingegen verliert Bourbon Alkohol – der typische „Angel’s Share“, während Wasser in das Fass einziehen kann. Rickhouse Y ist beispielsweise 80 Jahre alt, hat daher wohl ein anderes Mikroklima als Rickhouse EE. Ist dieser Unterschied den Preisunterschied wert?

Ich meine – ja. Das Alter ist nur ein Aspekt von vielen, die einen Bourbon zu einem guten Bourbon machen. Beide Whiskeys sind deutlich eleganter und stimmiger als der zwei Jahre ältere Elijah Craig 12 mit 47%. Allerdings ist Alter nunmal ein Aspekt, der sich gut einprägt und eine gute Daumenregel. Der Lagerort hat ebenso massiven Einfluss auf den Geschmack. Und zu den konkreten Bourbons: Beide Bourbons sind extrem gute Bourbons. Der Evan Williams Single Barrel 2003 zählt für mich zu den unterschätztesten Produkten auf dem Markt. Und zu den selten gewordenen Preis-Leistungs-Monstern! Andererseits ist der Parker’s Heritage Collection Promise of Hope – wenn man ihm etwas Luft und Zeit gibt – ein komplexer, würziger, sehr eleganter Bourbon, der ein seltenes Geschmacksprofil aufweist und seinen Preis durchaus wert ist.

 Wer zwölf Minuten Zeit kann sich auch hier über den Einfluss des Lagerortes noch fortbilden:

tikiwise

Beruflich wandelt er auf David A. Emburys Spuren. Dessen Sour-Verhältnis von 8:2:1 irritiert ihn jedoch immer noch. Seine Aufmerksamkeit gilt American Whiskey, Tequila, Mezcal und allerlei Nischenspirituosen, aber auch Rezepten jenseits der Standards.

East Indiaman

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