Absinthe ist wieder da. Das ist nichts Neues. Mit welcher Wucht er zurück ist, erfuhr ich jedoch erst vor ein paar Wochen. Im Rahmen eines Seminars in der Goldenen Bar gab Markus Lion von Absinthe.de einen umfassenden Einblick zur Geschichte und aktuellen Marksituation der grünen Fee. Dem Abschluss der mit viel Passion durchgeführten Ausführungen von Lion, folgte eine umfangreiche Verkostung. Neben einigen Raritäten standen viele aktuelle Abfüllungen zum probieren bereit. Ein Absinthe beeindruckte mich dabei nachhaltig: Absinthe Fusion.
Absinthe Fusion ist ein internationales Gemeinschaftsprojekt von vier leidenschaftlichen Genießern und Machern.
– Oliver Matter, Schweiz: Brenner in vierter Generation; Spezialisiert auf die Herstellung von authentischen Absinthes aus dem 19. Jahrhundert; Verantwortlich für den Absinthe Mansinthe by Marylin Manson
– Prof. Dr. Thomas Vilgis, Deutschland: Professor für Theoretische Physik an der Universität Mainz; bekennender Gourmet; Autor zahlreicher Publikationen zur Naturwissenschaft des Kochens und der Physik und Chemie der Lebensmittel; in der Blogger-Szene u.a. durch Gastbeiträge auf Sternefresser.de bekannt
– Rolf Caviezel, Schweiz: Koch mit Schwerpunkt auf Molekulare Küche; Eigentümer des Restaurant Station 1 und der freestylecooking GmbH
– Prof. Dr. Helmut Jungwirth, Österreich: Professor für Molekularbiologie und Wissenschaftskommunikator in Graz; Kommunikator für das Projekt Absinthe Fusion
Als Grundlage für den Absinthe Fusion diente eine nicht genauer genannte Rezeptur aus dem 19. Jahrhundert, die mit dem gebündeltem Wissen aus vier Fachbereichen nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen umgesetzt werden sollte. Ziel war es sich dabei möglichst genau an die historischen Vorgaben zu halten. Bereits durch die Erfahrungen von Matter und die in seiner Destillerie vorhandenen alten Brennkessel konnte dabei ein hoher Grad an Authentizität gewährleistet werden.
Geliefert wird der Absinthe Fusion in einer 0,2 L (ca. 20 €) oder 0,7 L Flasche (ca. 50 €). Die Flasche ist nahezu schwarz und trägt ein wissenschaftlich angehauchtes Etikett mit verschiedenen Molekülen. Da ich gehofft hatte, dass diese Moleküle etwas mehr Aufschluss über die Rezeptur geben, habe ich mir die Mühe gemacht diese zu identifizieren:
cis-Anethol und trans-Anethol: Diese beiden Verbindungen kommen u.a. in Fenchel, Anis und Sternanis vor und sind hauptverantwortlich für das klassische Anisaroma
(–)-β-Thujon: Thujon wurde/wird die angebliche Veränderung des Geisteszustands durch Absinthe zugeschrieben; mittlerweile ist diese Wirkung wissenschaftlich widerlegt, allerdings wird Thujon, leider, immer noch von vielen Produzenten als Verkaufsargument angebracht
(+)-Fenchon und (–)-Fenchon: Kommt in Fenchel vor, welcher ebenfalls eine klassische Absinthe-Zutat ist
p-Cymol: Ist ein aromatischer Kohlenwasserstoff, der in vielen Pflanzen vorkommt. In hohen Konzentration kommt p-Cymol in Mexikanischer Drüsengänsefuß (eine Färbepflanze), Boldo (ist z.B. in Matetee enthalten), Sommer-Bohnenkraut und auch in Thymian oder in geringer Menge in Oregano vor. All diese Pflanzen sind sehr aromatisch, in welchem Zusammenhang sie zur Absinthe-Produktion stehen, kann ich allerdings leider nicht sagen.
Viel schlauer bezüglich der Inhaltsstoffe war ich nach dieser Etiketten-Analyse zwar nicht, aber dies war zu erwarten. Nun aber zum interessanten Teil – Der Verkostung (Verdünnung ca. 1:3) des Absinthe Fusion:
Farbe: nahezu klar, leichter Gelbstich
Nase: sehr reines, sauberes Bouquet; auch unverdünnt kein merklicher Alkoholgeruch (trotz 68 % vol.), lieblicher Duft; Noten von Kakao, Vanille?; der Wermut bleibt eher im Hintergrund ; leicht fruchtig (vermutlich Weinalkohol); wirkt insgesamt sehr ausgeglichen und komplex
Gaumen: Am Gaumen trockener als es die Nase vermuten lässt; deutlich würziger; leicht adstringent
Nachklang: nach dem letzten Schluck entwickelt sich erneut eine sehr kräutigere und vielschichtige Aromatik, auch hier wieder Kakao
Fazit: Nicht ohne Grund hatte mich der Absinthe Fusion bereits bei der Probe in der Goldenen Bar fasziniert. Gerade das Bouquet fesselt durch seine enorme Komplexität und Tiefe und ist eines der ausgeglichensten Aromakompositionen, die ich in letzter Zeit riechen durfte. Die gustatorische Wahrnehmung steht diesem nicht sonderlich nach und ist durch die trockene-kräuterige Note sehr angenehm. Die Kakaonuancen ziehen sich durch die gesamte Verkostung und heben den Absinthe Fusion deshalb, zumindest für mich als Absinthe-Neuling, von anderen Abfüllungen ab.
Auch wenn der Vergleich zu der Originalrezeptur aus dem 19. Jahrhundert fehlt, erkläre ich das Experiment Absinthe Fusion daher für gelungen und spreche eine eindeutige Trinklaune-Empfehlung aus!
Zum Abschluss noch eine Cocktail-Empfehlung, die nicht unbedingt nach Absinthe Fusion verlangt, mit diesem aber eine außerordentlich gute Figur macht:
Cocktail à la Louisiane
– 6 cl Rye Whiskey
– 2 cl roter Vermouth
– 2 cl Bénédictine
– 3 dashes Absinthe
– 3 dashes Peychaud’s Bitters
Alle Zutaten in einem Rührglas auf viel Eis verrühren. Über einen großen Eiswürfel oder –kugel in eine Cocktailschale abseihen und mit drei Cocktailkirschen garnieren.
Cheers!
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