Zugegeben, das frühe Klingeln des Weckers war unerfreulich.
Aber als der außerordentlich sympathische Besitzer unserer Unterkunft – auf dem wunderschönen Weingut Château Nadal Hainaut – Croissants, Pains au chocolat und Baguette vorbeibrachte und nebenbei erwähnte: „Sie haben viel Glück, eigentlich ist es im April meist sehr verregnet und windig – heute sind aber 26 Grad, Windstille und wolkenloser Himmel angekündigt…“, wurde die Müdigkeit doch schnell in den Hintergrund gedrängt! Es hieß also, Wein zu verkosten!
Bevor es aber an die Essenz der Trauben ging, machten wir Halt an einem Betrieb für Bio-Olivenöl in Cases de Pène. Traumhaft von den Ausläufern der Berge der Corbières eingefasst haben Vincent und Virginie Gallegos alte Weinbergflächen in insgesamt 10 ha Anbauflächen für diverse Olivenbäume umgewandelt. Neben durchaus geläufigen Vertretern wie der Manzanilla-Olive werden auch die autochthonen Olivenvarietäten Südfrankreichs, wie bspw. Oliviere oder Bouteillan, angebaut. Insbesondere letzteres überzeugte in der Verkostung durch eine ungewöhnliche Fruchtnote, die an Pflaumen und Trauben erinnerte. In einem Salat mit Feigen und Ziegenkäse ein Traum…
Nun aber – zurück ins Auto und ab zum ersten Weingut unseres Trips. Thunevin-Calvets 2008 gebauter Sitz bildet einen großartigen architektonischen Kontrapunkt in der wundervollen Landschaft. Die Lese erfolgt nach dem Motto: Trauben, die wir nicht essen würden, landen auch nicht in unseren Weinen! Ein sinnvolles Credo, wie sich herausstellen wird! Die Weine der Domaine überzeugen und bereits bei unserem ersten Besuch werden die beiden Aspekte deutlich, die das Roussillon als Weinanbaugebiet für mich kennzeichnen:
Preis-Leistungs-Kracher in rot!
Vorab sei gesagt: Generell waren die Weine, die wir verkostet haben, durch die Bank auf einem hohen qualitativen Level und vermochten viel Freude zu bereiten. Die weißen Vertreter hatten es für mich alten Säurefan etwas schwerer, in dem doch sehr warmen Klima ist es mit einer knackigen Säure einfach nicht leicht. Die Rotweine profitieren jedoch sehr davon, wenn man keine Angst vor höheren Alkoholgehalten hat. Selbige waren gut eingebunden und fielen nicht negativ auf. Ein paar Verkostungsnotizen werde ich in diesen und die folgenden Artikel einfließen lassen; da wir aber ziemlich viele Weine probieren konnten, wird es noch einen abschließenden Eintrag geben, der auf Weinempfehlungen und VKN beschränkt ist.
Einen Wein von Thunevin-Calvet möchte ich besonders hervorheben: Der Les Dentelles 2009, bestehend aus zwei der traditionellen Rebsorten des Roussillon, Grenache noire und Carignan, stammt von 50 bis 100 Jahre alten Reben und wird in 600 Liter-Fässern ausgebaut. Der Ertrag beträgt nur 15hl/ha und bringt eine hohe Konzentration an Aromen hervor. In der Nase eine samtige, feine Kirschfrucht mit der Vorahnung auf einen kräftigen südlichen Wein – am Gaumen dann das volle Paket mit Brombeere, Kirsche, Zeder, Tabak und viel Druck – jedoch nicht auf Kosten der Eleganz! Sehr gelungen und für meinen Geschmack auch den etwas bzw. deutlich teureren Cuvées Hugo (30 €) und Les trois Maries (100 €) überlegen – zumindest in dieser Phase. Mit 19 € ab Hof schon ein recht hoher Preis fürs Roussillon – Preis/Leistung stimmten aber in jedem Falle.
Noch deutlich stärker in die Bresche der sehr gelungen Rotweine zu fairen Preisen schlagen die Weine der größten Genossenschaft des Roussillon, der Vignerons des Côtes d’Agly. Dieser statteten wir nach einem formidablen französischen Mittagessen einen Besuch ab. Ein Betrieb von großen Ausmaßen – die Erträge von
1.000 der 24.000 ha der Rebfläche des Roussillon werden hier verarbeitet. Der gesprächige Geschäftsführer war um keine Antwort verlegen und ermöglichte uns einen authentischen Einblick in die Produktion eines relativ großen Betriebs. Für wirkliche Überraschungen sorgte die anschließende Verkostung. Aus der großen Vielzahl von Weinen (3,80 – 24 € ab Hof) und Appellationen wurden einige Tropfen ausgewählt, die für mich zu den größten Überraschungen der vier Tage gehören sollten. Besondere Beachtung verdient der Château Montner Premium, der für schmale 8,00 € ab Gut zu bekommen war. Ein kräftiger, südlicher Wein aus Syrah, Carignan und Grenache noire mit einer großartigen Frucht, Gewürzen und Graphit in der Nase. Am Gaumen dann weich und einnehmend, rund mit dezenter Vanille, Brombeeren, Cassis und einer guten Tanninstruktur. Kräftig – balanciert – würzig – super! In anderen Gebieten zahlt man sehr zügig 15-25 € für eine solche Qualität! In dieser Kategorie sehe ich eine der großen Stärken der Region – zur zweiten mehr im nächsten Teil meines Roussillon-Reiseberichts.
Es gilt unser Disclaimer: Wir schreiben nur über das, was wir mögen!
Trinklaune.de wurde auf eine Pressereise ins Roussillon eingeladen. Daran geknüpft war weder die Verpflichtung zur Berichterstattung noch eine Einflussnahme auf den Inhalt des Artikels.
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