Riemerschmid - Escorial Gelb 1950er

Escorial Gelb – Eine Verkostungsnotiz

Die 1960er Jahre. Einer der bekanntesten deutschen Liköre, Escorial Gelb, muss einer kräftigeren, aromatischeren Version weichen – Dem Escorial Grün. Die Hintergründe dazu lieferte der Alchemyst vor einiger Zeit in seinen empfehlenswerten Blogartikeln „Esco… Esco… Escorial oder Die andere Fee“ und „Escorial Grün vs Chartreuse Verte oder Der andere Klosterlikör„. Eine Frage blieb er jedoch schuldig – Wie genau schmeckte der Escorial Gelb? Wir haben uns letzte Woche im Fleurs du Mal auf Spurensuche begeben und verkosteten eine Version des Escorial Gelb, die aus den 1950er Jahren stammen müsste.

Riemerschmid - Escorial Gelb 1950er

Riemerschmid – Escorial Gelb 1950er

Farblich wurde er seinem Namen gerecht und überzeugte mit einer hellgrünlich-gelblichen Färbung. An der Nase anfangs recht unscheinbar, offenbarte sich nach einiger Zeit eine Enziannote die sich später in Richtung Rosmarin, Thymian entwickelte. Spannend!
Am Gaumen ging es dann leider stark in Richtung Zucker. Knapp an der Löslichkeitsgrenze, wie es in den 1950/60er Jahren oft üblich war, beraubte sich der Escorial Gelb durch die extreme Zuckerung bedauerlicherweise selbst an Aromatik. Ähnliches lässt sich über den Nachklang sagen, der jedoch wenigstens wieder eine leichte Kräuteraromatik durchblicken ließ.

Fazit: Ein subtiler und eigenwilliger Likör, der sich deutlich von dem gelben Chartreuse unterscheidet. Auch eine Nähe zum Absinthe, die ihm nachgesagt wird, ist nicht erkennbar. Der Escorial Gelb ist ein Relikt aus vergangener Zeit, den es in dieser oder ähnlicher Form momentan nicht mehr auf dem Markt zu finden gibt.

Wie geht man mit einem solchen Dinosaurier in Cocktails um? Keine leichte Aufgabe, denn die feine Kräuteraromatik wird leicht von anderen Komponenten erschlagen und die massive Süße ist der Balance eines Drinks nicht gerade zuträglich. Auch Barchef Dietmar Petri musste einige Zeit überlegen und verschiedene Mischungen ausprobieren, bevor er eine geschmacklich überzeugende Lösung fand. Der von ihm an diesem Abend entwickelte Drink „Riemers Schmied“ wusste dann allerdings in allen Belangen zu überzeugen. Eine fruchtig, leichte Kombination aus Gin, trockenem Vermouth, Escorial Gelb und frischen Himbeeren ließ den zarten Kräuternuancen des Likörs genug Raum zur Entfaltung ohne ihn zu stark in den Vordergrund zu stellen. Ein ungewöhnlicher und vorbehaltlos zu empfehlender Drink, den es in dieser Form wohl nicht mehr allzu oft zu verkosten geben wird. Wer die Gelegenheit ergreifen will sollte schnell sein, denn die Vorräte an Escorial Gelb sind naturgemäß stark begrenzt.

Riemers Schmied

Riemers Schmied

Robin Stein (†)

Robin Stein, Jahrgang 1987, war studierter Lebensmitteltechnologe und der Jüngste im Team. Sein Weg führte ihm nach dem Abitur 2006 über ein viermonatiges Praktikum in Pusser's New York Bar in München nach Bergisch-Gladbach, wo er eine Ausbildung als Hotelfachmann im Schlosshotel Lerbach absolvierte. Seine persönlichen Honigfallen waren Champagner, Obstbrände, Wein und Whisk(e)y.

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