Welche Städte sind geeignet für einen Städtetrip? Großstädte. Die viel zu bieten haben. Auf diversen Ebenen. In denen aber alles erreichbar bleibt. Und die attraktiv, interessant, abwechslungsreich und sympathisch sind.
Ja? Dann ab nach Edinburgh. Eine kleine Großstadt mit knapp 500.000 Einwohnern und die Hauptstadt Schottlands. In diesem regnerischen und eher schroffen Klima braucht es Dinge, die den Menschen begeistern und von innen wärmen – zum Beispiel gute Getränke! Dass sich die Schotten aufs Brennen verstehen, ist eine Binsenweisheit. Aber auch die Weiterverarbeitung der Spirituosen gelingt in der dynamischen Barszene Edinburghs hervorragend!
Die erste Bar, in der dies unter Beweis gestellt wurde, war das über die Grenzen des Vereinigten Königreichs bekannte Bramble. Very british im Souterrain gelegen, in einer spannenden und vor Gastronomie strotzenden Ecke der New Town Edinburghs. Die Bar erkennt man – gar nicht. Es gibt ein kleines Schild, jedoch direkt neben der – richtig, zwei Meter unter Straßenniveau liegenden – Tür.
Wir wussten glücklicherweise, wohin die Reise gehen soll, und betraten einen kleinen, dunklen Raum mit niedrigen Decken, warmer Beleuchtung und ein sofortiges Wohlgefühl stellte sich ein. Diese Bar ist eine Bar! Herrlich dunkel, belebt, ein sehr gemischtes Publikum bevölkert den Raum, viele Gäste stehen, obwohl noch Sitzmöglichkeiten vorhanden sind. Hier wird gelacht, geflirtet, geredet – gelebt. Eben eine Bar. Die Getränkekarte bietet Altes und Neues, sehr viele Sourkonzepte mit interessanten Twists. Der Alexander’s Ghost besticht durch Komposition wie Namen und Geschichte: Cream Gin, (mit Sahne infusionierter Gin, später mit einem Rotationsverdampfer wieder getrennt), Bianco Vermouth, ein Tropfen Zucker und ein dash Mozart Chocolate Bitters – die perfekte Reminiszenz an den Alexander, erstrahlend wie ein perfekter Martini. Cremiges Mundgefühl, tolle Trinkbarkeit – superb. Ebenfalls auf ganzer Linie überzeugt der Mint 500 mit Gin, Holunder, Limette, Apfel, Basilikum, Minze, Eiweiß, Vanille und Peach Bitters. Was sich nach einer wild gewordenen Mischung aller Crowdpleaser in einem Drink anhört, ergibt eine absolut runde Melange mit perfekter Frische.
Da Bartender oft selbst gern essen und trinken, fragten wir im Bramble nach weiteren Empfehlungen für Speis und Trank – und wurden keineswegs enttäuscht! Die interessierten und äußerst sympathischen Bartender und Servicekräfte hatten auch in Stressphasen viel Zeit für ihre Gäste und sichtbar große Freude an ihrer Arbeit. Wer in Edinburgh weilt – das Bramble ist eine Pflichtstation.
Am nächsten Abend ging es auf Empfehlung der Bramble-Crew zum Dinner und auf einige Getränke ins Bon Vivant. Kürzlich als beste internationale Restaurantbar der Welt bei den Tales ausgezeichnet, konnte hier wenig schiefgehen – doch die Erwartungen wurden übertroffen. Ohne Reservierung in einem der aktuellen gastronomischen Hotspots am Donnerstagabend aufzutauchen, war eher ambitioniert, doch das Serviceteam konnte nach kurzem Stühlerücken („Ein Glas Wasser, um die Wartezeit zu überbrücken?„) einen Tisch für 90 Minuten freimachen. Auch hier folgendes – wie sich herausstellt typisch schottisches – Bild: Viele Menschen, die ihren Feierabend lautstark genießen und zelebrieren, bei gutem Essen und guten Getränken, ganz entspannt und unprätentiös. Wundervoll – hier kann Deutschland dazulernen. Die 90 Minuten sollten uns reichen – einerseits, um das fantastische Essen der Küche zu genießen (perfekt gegrilltes Lamm, wunderbar abgestimmte frische Beilagen), andererseits natürlich, um ein paar Getränke zu uns zu nehmen. Der Gin Two Times fällt auf der Karte sofort ins Auge: Gin, Italienischer Vermouth (Cocchi übernimmt in Schottland die Rolle, die in Deutschland Antica Formula besitzt), Cynar, Chartreuse Jaune, Zitrone. Herrliche Bitternote, serviert mit einer Grapefruitzeste, erfrischend und balanciert. Wunderbarer Aperitif.
Das Nachfolgegetränk ist eine Variation auf den Bijou, der Bijou Provencal. Calvados, Chartreuse Verte, Rinquinquin, Peychaud’s. Eine gute Variation, aber durch den starken Pfirsichton des Rinquinquin und eine kräftige Süße etwas weniger komplex als erwartet – nichtsdestotrotz: sehr gelungen. Nebenbei sei erwähnt, dass Eiswasser sowohl zum Essen als auch zum Trinken immer und ungefragt (und ohne auf der Rechnung aufzutauchen) an den Tisch gebracht wird und Wein- und Champagnerkarte bei fairen Preisen nur wenig Wünschen offenlassen.
Als Erfrischung auf den ausgedehnten Touren durch die wunderbare Innenstadt Edinburghs drängt es sich förmlich auf, ein leckeres Bier von Brew Dog zu probieren! Die großartigen Biere der Schotten werden in einer eigenen Bar vom szenigen, aber sehr freundlichen Personal gezapft. Wer mag, bestellt dazu eine frische Pizza (die in der ca. 3 m² großen Spülküche in einem großen Ofen gebacken wird) oder andere Kleinigkeiten. Zum Einstieg passte das Tasting Tray: Vier Brew Dog-Biere, jeweils 1/3 pint. Besonders gelungen das 5 A.M. Saint mit spannenden Brombeertönen und einem guten Trinkfluss.
Ein neuer Abend – eine weitere Bar. In diesem Falle eine der beiden Schwesterbars des Bramble, die Lucky Liquor Company. Um die Ecke vom Bramble gelegen, eingerichtet im Soda Fountain-Stil, ein wenig gekreuzt mit einem zeitgemäßen Café – und einer spannenden Karte! Der Galaxy mit Ziegenkäsesirup (nebst Rum, Himbeermarmelade, Bitters und Zitronensäure) springt mir sofort ins Auge – vermutlich wieder per Rotationsverdampfer getrennt, denn der Drink ist nicht milchig oder trüb – und großartig! Ein fruchtiger Rum Sour, ergänzt um eine subtile Ziegenkäsenote im Abgang. Mutig – und sehr gelungen. Auf dem gleichen Niveau befindet sich der Megawatt 2.0 – der direkt in einer Glühbirne serviert wird und auf Pisco und French Vermouth basiert, dazu Erdbeersirup, Zitrone und Orange Bitters. Trocken und den Pisco betonend – der Drink steht nicht hinter der Darreichungsform zurück. Auch sonst wird in der Lucky Liquor Company vor nichts zurückgeschreckt: Forelleninfusionen, Brausepulverränder, bunte Trinkhalme – gibt’s alles, passt alles wunderbar ins Bild und ins Konzept. Mehr Mut und mehr Spaß – warum auch nicht?
In drei andere Bars (Bar Kohl, The Last Word, Voodoo Rooms) haben wir es leider nicht mehr geschafft – zu gelungen waren die Bars und die mitgenommenen Erlebnisse, als dass man noch hätte weiterziehen wollen.
Wer also ein Ziel für den nächsten Städtetrip sucht, dem sei Edinburgh empfohlen. Sehr hilfsbereite und freundliche Menschen, tolle Bars und eine wunderschöne Stadt – was will man mehr?
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