Guter Alkohol – Böser Alkohol: Die Deutsche Weinakademie (Teil 2)

Guter Alkohol – Böser Alkohol? So darf man das nicht formulieren meinen einige – Böser Alkohol – Guter Wein. Das klänge schon besser.
Wie man zum Beispiel hier lesen kann:
„Kann Alkohol ein Freund sein?“ wird im Rahmen der Deutschen Weinakademie im Magazin „DER DEUTSCHE WEINBAU“ gefragt und man kommt zu dem Schluss:

„Alkohol ist nicht dein Freund.
Meiner auch nicht.
Aber Wein bzw. derjenige, der ihn mit Maß, Stil und mir genießen kann, ist es. Zum Wohl.“

In Teil 1 haben wir ein paar Zitate von der Website der Deutschen Weinakademie gebracht, die deutlich machten, das unser Thema, das wir vereinfachend und plakativ „Guter Alkohol – Böser Alkohol“ genannt haben, durchaus eine Relevanz hat.
Ich möchte die beiden Blogeinträge aber nicht als einen Schuss gegen die Aktivitäten der Weinakademie gewertet wissen, sondern als Belege dafür, wo momentan die Grenzlinien in der öffentlichen Diskussion gezogen werden.
Die DWA ist als ein Lobbyismus-Instrument der Deutschen Weinwirtschaft zu werten und als ihr schärfstes Schwert. Denn die Arbeit der DWA, ihre wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas Wein und Gesundheit, die Propagierung eines moderaten Weinkonsums und ihre virtuose Öffentlichkeitsarbeit geschieht auf hohem Niveau. Die Arbeit der DWA ist parteilich, aber für mich nicht unredlich. Positive Nachrichten werden nach vorne gestellt, Negatives aber nicht verschwiegen. „Die Zeit“ vermerkt dazu:


„Bei ihrer Arbeit bedienen sich die Lobbyisten im Zeitalter der gesunden Ernährung gerne einer Autorität, deren Urteil unangreifbar scheint: der Medizin. Zahlreiche Forschungsarbeiten sollen belegen, dass der gute Tropfen vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Arterienverkalkung, Demenz, Alzheimer und anderen verbreiteten Leiden schützt. … Doch …die Fachwelt ist gespaltener, als es die Weinlobby gerne hätte. Eindeutig »gesundheitsfördend« ist er gerade nicht.“

A'dam  Böser Alkohol

Nun gibt es, zumal auf EU-Ebene, diverse Bestrebungen Werbeverbote für alkoholhaltige Getränke zu installieren. Was man von Seiten der EU bereits gegenüber der Zigarettenindustrie zelebrierte, blüht nun auch den Herstellern alkoholhaltiger Getränke. Sich dagegen zu wehren, gehört zum Pflichtprogramm der Hersteller.

Doch profiliert sich die Weinwirtschaft auf Kosten der anderen Marktteilnehmer aus dem Bier- und dem Spirituosenbereich.
Ich zitiere noch einmal die Deutsche Weinakademie aus ihrem Infomagazin: „Der Deutsche Weinbau“ in dem die Frage gestellt wurde, warum die DWA nicht mit den finanziell potenten Bier- und Spirituosenbranchen an einem Strang ziehe? Was könne die Weinwelt schon alleine ausrichten?
Die Antwort der Weinakademie:

„Berechtigte Fragen. Wein, Sekt Bier, Schnaps haben vieles gemeinsam: Alle schmecken. Alle haben ihren Platz in der Gesellschaft. Alle enthalten den gleichen Alkohol … Aber: Wein und Sekt haben einiges, was Bier und Schnaps gerne hätten und wir wären schlecht beraten, diese Trümpfe nicht auszuspielen. Wein verbindet man nun mal mit mehr Kultur und Lebensstil. … Wo Wein getrunken wird, wird auch, aber deutlich weniger gesoffen.“

So einfach ist das also: Hier das alte vielbesungene, tief im Land verwurzelte Kulturgut Wein,  die touristische und landwirtschaftliche Säule vieler Regionen, die Quasi-Medizin aus Traubensaft, dort der krankmachende Suffstoff namens Bier und Spirituosen. Auf der einen Seite das ach so beseelte Genussmittel, auf der anderen Seite das zerstörerische Suchtmittel. Guter Alkohol – Böser Alkohol. Dabei ließen sich leicht auch Studien beibringen, die die Vorteile von Bier oder sogar Spirituosen belegen.

Täglich wein
Jahrelang habe ich Rahmen meiner Apothekertätigkeit Vorträge zum Thema: „Wein und Gesundheit“ gehalten und mich dabei auf das hervorragend aufgearbeitete Material der DWA gestützt sowie auf das Buch „Täglich Wein“ des Ernährungswissenschaftlers Prof. Dr. Nicolas Worm. Ein Buch, das inzwischen 20 Jahre alt ist und somit in Teilen nicht mehr den Stand der heutigen Diskussion wiedergibt, aber immer noch eine Fülle guter Informationen bietet. Ich halte diese Vorträge nicht mehr, da ich – bei allem partiellem gesundheitlichen Nutzen im Herz-Kreislauf Bereich – zunehmend die allgemein negativen gesundheitlichen Auswirkungen auch des moderaten Alkoholkonsums sehe.
Noch negativer sehe ich allerdings, die genussfeindliche gesellschaftliche Entwicklung einer Lebensfreude tötenden Normierungs- und Reglementierungskultur bei gleichzeitigem Emporkommen einer inquisitorisch operierenden, verbissenen „Gesundheitsreligion“, die ständig neue „dos“ und „don’ts“ verkündet, immer neue Gebote und Verbote generiert und zeitgeistige gesundheitsorientierte „Sünden“kataloge verbreitet.
Ich zitiere  Prof. Reinhold Bergler, den Gründer und Leiter des Instituts für Genussforschung in Nürnberg:
„Genuss beginnt immer erst dort, wo die hypochondrischen, die aggressiven Gesundheitsfanatiker (die Müsliesser bei ihrem Versuch der 20. Schönheitsdiät; die alltäglichen Zwangsjogger zwischen 18°° und 19°° Uhr), die puritanischen Genussinquisitoren oder auch das gesundheitsschädliche Gerne-Genießen, aber mit einem permanent schlechten Gewissen, keinen Platz mehr haben.“

Doch dazu mehr unter der Überschrift: Guter Alkohol, böser Alkohol – schwarz und weiß und nichts dazwischen

Alchemyst

Alchemyst, geboren in den fünfziger Jahren, studierte Philosophie, Theologie und Pharmazie. Heute leitet er eine öffentliche Apotheke in Norddeutschland. Alchemyst ist nicht selten in Champagnerlaune.

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