Mittlerweile ist es schon zur Tradition geworden, dass sich das Trinklaune-Team einmal im Jahr zum Abendessen in einem deutschen Sternerestaurant einfindet. Dieses Jahr fiel die Wahl auf das Restaurant Haerlin im Hamburger Hotel Vier Jahreszeiten. Wenn man es ganz genau nimmt, ist diese Entscheidung allerdings schon Ende des letzten Jahres gefallen, als wir einen unvergesslichen und champagnergeschwängerten Abend in der Lobby des Hotels verbrachten. Dort erzählte uns der damalige Maître Christian Schäfer von der Möglichkeit, im Restaurant Haerlin den sogenannten Chef’s Table zu reservieren. Dabei handelt es sich um einen einzelnen Tisch, der inmitten der Küche in eine Art Glaskasten gefasst ist und den Gästen die Möglichkeit gibt, den Köchen bei jedem Arbeitsschritt über die Schulter zu schauen. Wir zögerten damals nicht lange und reservierten noch am gleichen Abend den besagten Chef’s Table für das Trinklaune-Treffen 2014.
Am 20. Dezember war es schließlich soweit und fünf der sechs Trinklaunigen fanden sich im Hotel ein und wurden von dem aufmerksamen Service unverzüglich zum Chef’s Table geführt, der eine Etage unter dem eigentlichen Restaurant liegt. Wie man auf dem obigen Foto sieht, hat man vom eigentlich Tisch aus eine hervorragende Sicht in die Küche des Restaurant Haerlin. So sieht man hier u.a. den Poissonnier-Posten, während ein anderes Fenster einen tieferen Einblick in die Pâtisserie ermöglichte. Nachdem wir uns einen ersten kleinen Überblick verschafft hatten, setzten wir uns und warfen einen Blick in die Champagner-Karte. Die Wahl fiel auf Charles Dufour Blanc de Noirs Brut Nature – Einem angenehm stringenten Champagner mit feiner Säurestruktur, der sich ideal als Aperitif eignete. Nachdem sich der freundlich und sehr ruhig und entspannt wirkende Küchenchef Christoph Rüffer persönlich vorgestellt hat, folgte auch schon das erste Amuse Bouche.
Den Auftakt bildete eine Amuse-Triologie aus Gänseleber mit Zitrusperlen, Garnele mit knuspriger Hühnerhaut und Safran sowie geräuchertem Aal mit Avocado. Eine gelungene Einstimmung, bei der insbesondere die Kombination der fangfrischen Garnele mit der knusprigen Textur der Hühnerhaut in Erinnerung geblieben ist.
Als zweites Amuse folgte ein Rindertatar mit Kräutercrème, geeisten Senfperlen & Gurken-Chorizovinaigrette, welches in allen Belangen zu überzeugen wusste. Das Rindfleisch bester Qualität wurde lanciert von der enormen Frische der kühlen Kräutercrème und der feinen Schärfe der Senfperlen. Ein Klassiker im tollen Gewand und schon jetzt ein eindrucksvoller Beweis für das Können der Jungs und Mädels am Gardemanger.
Nach dieser angenehmen Einstimmung folgte der ersten Gang des Menüs – Gänseleber mit Champignons, Orange & Artischockensud. Die Gänseleber wurde hier in verschiedenen Texturen serviert, wobei uns insbesondere die Variante als Speiseeis nachhaltig in Erinnerung blieb. Die erdigen Nuancen der Champignons passten ebenso wie die fruchtigen Orangenoten gut zu dieser auch optisch sehr spannenden Kombination. Als Weinbegleitung reichte Junior Sommelier Marc Almert hierzu den von uns spätestens seit einem Besuch in der Küchenwerkstatt sehr geschätzten Clos Uroulat Jurançon von Charles Hours aus dem Jahr 2012.
Eine exzellente Produktqualität hatte der Atlantik-Hummer, der mit Kohlrabi, Apfel-Sellerieemulsion & Tonkabohne gereicht wurde. Leider war der Geschmack der Tonkabohne in der Sauce etwas zu dominant, was es dem zarten Hummerfleisch schwer machte, sich vollständig zu entfalten. Der Gnarly Head Viognier California 2012 der den Gang begleitete, machte diesem Umstand mit seiner tollen Fruchtreife allerdings schnell vergessen.
Großes Kino war dann wieder der Island-Kabeljau mit Muskatkürbis, Tamarinde, Kokos & Calamaretti. Neben der erneut hervorragenen Produktqualität wussten hier insbesondere die vegetabilen Komponenten des Gerichtes zu überzeugen. Weintechnisch wurden wir bei diesem Gang mit einem mineralischen und schön strukturiertem Nossa Calcario Branco 2013 versorgt.
Ochsenschwanz mit geräuchertem Kartoffelstock, Périgord-Trüffel & Zitrone – Klingt fantastisch, und das war es auch! Gerade die Idee, die Kartoffel vor der Verarbeitung zu räuchern, war kulinarisch gesehen ein toller Gedanke, denn die feinen Rauchtöne passten ideal zum kräftigen Périgord-Trüffel und Ochsenschwanz. Ein mutige Wahl traf auch Marc Almert beim Wein, der einen Neipperger Schlossberg Lemberger GG 2009 reichte. Lemberger, den meisten wohl besser als Blaufränkisch bekannt, ist eine deutlich unterschätze Rebsorte, wie wir an diesem samtig-würzigen Tropfen mit seiner delikaten Fülle bei jedem einzelnen Schluck merkten.
Mit Spannung erwarteten wir das Ruinart-Champagner-Sorbet aus der von Christian Hümbs geführten Pâtisserie, welche unseren Gaumen vor dem Hauptgang erfrischen sollte. Christian Hümbs wurde jüngst als Pâtissier des Jahres gewählt und gilt als mitverantwortlich für den aktuell hervorragenden Ruf des Restaurant Haerlin. Nach Genuss dieses Sorbets wussten wir auch, warum: Ein intensiv-aromatisches Highlight, dass den Namen Champagner-Sorbet zu Recht trägt!
Mit Loué-Entenbrust mit Gewürzhonig, knusprigem Speck & gebackenem Eigelb folgte der Hauptgang. Hier zeigte Rüffer erneut, wie man es schafft, mit toller Produktqualität und eigentlich simplen Beilagen wie Speck, gebackenem Eigelb, roten Zwiebeln und Wirsing einen Gang zu kreieren, der in Erinnerung bleibt. Hut ab für diesen fein ausbalancierten und so simplen wie genialen Hauptgang. Was zu dieser edlen Entenbrust besser gepasst hätte als ein 2009er Camus Pére & Fils Gevrey-Chambertin, konnten wir zu diesem Zeitpunkt nicht beantworten.
Nach diesem tollen Ausklang von Christoph Rüffer sollte die Show von Christian Hümbs beginnen. Die Brigade der Pâtisserie servierte als Pré-Dessert eine Variation von Rotwein und knusprig-süßer Zuckerwurzel. Der hierfür verwendete Rotwein wurde vorher zusammen mit Eichenholzchips erhitzt, wodurch er ein intensives Fassaroma erhielt. Dieses Aroma war auch in der verarbeiteten Form im Rotweineis deutlich wahrzunehmen und in dieser Form uns bisher geschmacklich unbekannt und äußerst spannend. Süß und Rotwein? Richtig, da passt eigentlich nur Banyuls! Der von Marc Almert eingeschenkte Domaine de La Rectorie Banyuls Leon Parcé 2006 war deshalb ein Perfect Match.
Den Abschluss bildete das Dessert mit dem spannenden Namen „Die Farbe Lila“. Wie auch schon bei unserem Besuch bei Nils Henkel im April diesen Jahres, erlebten wir hier erneut die spannende Kombination von Gemüse und Süßspeise. Während Frédéric Guillon im Schlosshotel Lerbach gekonnt Blumenkohl mit Erdnüssen, Karamell Ganache und Bulgur servierte, wählte Hümbs die ungewohnte Verbindung von Rotkohl mit Cassis, weißer Schokolade und Johannisbrot. Das einladend aussehende Dessert bot mit nahezu jedem Löffel ein neues Geschmackserlebnis. Auch wenn man mehrere Komponenten auf dem Löffel kombinierte, ergab sich stets ein stimmiges Gesamtbild, was man bei den sehr konträren Zutaten als hohe Kunst ansehen muss. Leider leistete sich der ansonsten hervorragende Junior Sommelier hier seinen einzigen Fehlgriff, indem er einen alkoholfreien Apfel-Secco von Raumland als Kir-Variante servierte. Die Idee dahinter war gut, da hier neben der Créme de Cassis auch Apfelaromen vorhanden waren, die ansonsten eine schöne Liason mit Rotkohl eingehen. Wegen der prägnanten Süße und der zu dominaten Fruchtigkeit, fügte sich diese mutige Getränkebegleitung geschmacklich allerdings leider nicht ins Gesamtbild ein.
Nach einem abschließenden Kaffee mit fein-süßlicher Röstung machten wir uns auf den Weg in das Hamburger Nachtleben und behielten einen unvergesslichen Abend in Erinnerung. Christoph Rüffer und sein Küchen- und Serviceteam lieferte eine starke Leistung mit nur minimalen Kritikpunkten ab. Was den Abend allerdings wirklich außergewöhnlich machte, war die sehr menschliche und charmante Art, mit der wir von jedem einzelnen Team-Mitglied am Chef’s Table behandelt wurden. Das Trinklaune-Team zieht den Hut und sagt Danke für dieses tolle Erlebnis!
Danke für den tollen Bericht! Wusste auch nicht, dass das Haerlin einen Chefs Table hat… Wie ist für Euch das Restaurant im Vergleich zu den anderen ‚grossen Namen‘ in Hamburg?
Vielen Dank für die Rückmeldung!
Wir sind gern in der Gastronomie-Landschaft Hamburgs unterwegs, kennen aber auch nicht alle anderen Sterne in der Stadt. Nachdem die Küchenwerkstatt geschlossen hat, haben wir ein wenig unseren Anlaufpunkt für ein gutes Mittagessen verloren… Das Jacob kennen wir noch nicht – dem Seven Seas ist das Haerlin unseres Erachtens aber doch eine Nasenlänge voraus. Wo wir aktuell gern sind, ist der Off Club bzw. die Madame X – fantastische Produktqualitäten in sehr lockerem Ambiete:
http://trinklaunede.wpcomstaging.com/2014/08/27/trinklaune-im-offclubmadame-x/