Bergamotte Silver Fizz

Olfaktorische Explosionen – Bergamotten!

Ein klassisches Aroma in Parfums ist das Bergamotte-Öl und kein Earl Grey wäre ohne die Aromen aus der Zitrusfrucht möglich. Vermutlich ist die Frucht mit dem holprigen Namen als Kreuzung aus Zitronatzitrone und Bitterorange entstanden. Und darüber kann man ziemlich froh sein. Der zitrusfrische, aber trotzdem nicht ganz leichte Duft, der einen Raum schnell auszufüllen vermag, ist herrlich. Doch in Reinform erlebt man ihn selten. Als ich bei einem meiner wöchentlichen Marktbesuche Bergamotten sah, habe ich darum schnell zugeschlagen.

Bergamotte - mit abgeriebener Schale

Bergamotte – mit abgeriebener Schale

Meines Erachtens sind Zitrusfrüchte und Zitrussäuren eine der großen Stellschrauben der Bar. Dafür wird ihnen recht wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht. Außerordentlich viele Drinks basieren auf Zitrussäften. Die gute Bar presst ihre Säfte frisch – aber damit hat es sich in der Regel. Verschiedene Varietäten von Zitronen, Limetten oder Orangen werden in der Regel nicht berücksichtigt. Der Lieferant liefert Zitronen – dabei bleibt es. Meines Erachtens liegt hier eine große Menge Potenzial, das noch ausgeschöpft werden kann – wenn die Unterschiede groß genug sind. Dass man einen Sweet-Sour-Mix jeden Tag neu abschmecken muss und sich nicht stumpf auf ein Rezept verlassen kann, ist nicht neu. Aber möglicherweise kann man hier auch an der Schraube der Zitrussorten drehen. Dafür bräuchte es allerdings ein Bewusstsein für verschiedene Sorten, eine regelmäßige Verfügbarkeit und einen Unterschied, den man auch im Drink schmecken kann.
Und hier steckt der Teufel im Detail – ein anständiger Whiskey Sour mit seinen ca. 7 cl Bourbon lässt dem flankierenden Zitrussaft nur wenig Spiel. Auch bei anderen Drinks mit Säure sieht es ähnlich aus – aromatische Abrundung ja, aber die erste Geige – nein. Einzig eine pure Limonade könnte man ins Feld führen. Aber wir wollen ja nicht das Catering für den nächsten Kindergeburtstag übernehmen.

Zurück zu den Bergamotten. Die unglaubliche Menge an Aromen steckt in der Schale. Sie ist so aromatisch, dass eine Zeste, die in den Drink gegeben wird, den Cocktail sehr schnell kippen lässt bzw. sein aromatisches Profil dominiert. Also einen Hauch von Bergamotte über den trockenen Martini oder einen East India Cocktail sprühen – perfekt.

East India Cocktail
6 cl Cognac
1,25 cl Grand Marnier
0,75 cl Maraschino
0,75 cl Ananas-Gomme
2 dash Bitters
Bergamotte-Zeste ohne drop

Rühren, ins Cocktailglas abseihen, mit einer Bergamotte-Zeste abrunden

Der süßlich-kräftige East India Cocktail wird von der Bergamotte herrlich duftig akzentuiert. Leicht parfümiert, genau in der Intensität, die gegen den Drink ankommt.

Eine Zesten-Frucht also? Womit wir bei einem weiteren Aspekt angekommen sind: Verfügbarkeit und Preis.
Die professionelle Bar hat sicherlich bessere Mittel und Wege, regelmäßig an frische Bergamotten zu kommen, als der Enthusiast zuhause. Doch wirklich häufig findet man die Zitrusfrucht nicht auf heimischen Märkten – und der Preis von mind. 2 € pro Stück sorgt auch nur bedingt dafür, sich einzudecken. Nach vielem Probieren folgte ich doch meinem ersten Gedanken und stellte eine Gin-Bergamotte-Infusion her. Dafür nahm ich mir eine Flasche Booth’s High and Dry, der mit seinem mittelkräftigen Profil und seinen 43 % Vol. eine gute Basis für die herrlichen Bergamotte-Aromen war. Die Infusion ist schnell gemacht:

Bergamotte-Gin
300 ml Gin
2 TL Bergamotte-Schale, geraspelt

Schale in den Gin geben, nach 15-45 Minuten (nach gewünschter Intensität) durch ein Teesieb abseihen.

Der Alkohol nimmt die Aromen extrem schnell auf, dementsprechend wichtig ist es, seinen Gin zu probieren.

Mein erstes Opfer für das Vermixen war schnell gefunden. Der Saft der Frucht (etwas weniger säuerlich als Zitronensaft, minimal mehr bittere Töne) musste ebenfalls verbraucht werden, darum kam nur eine Sour-Variante in Frage. Und da ich immer das Gefühl habe, dass duftige Aromen durch Eiweiß und aufsteigende Kohlensäure noch besser transportiert werden, landete ich bei einem Silver Gin Fizz.

Bergamotte Silver Fizz

Bergamotte Silver Fizz

Bergamotte Silver Fizz
7 cl Bergamotte-Gin
3 cl Bergamottensaft (Zitronensaft geht ebenfalls!)
2 cl Zuckersirup
1 Eiweiß
Soda

Shake – dry shake – fizz up

Der Drink bleibt ein Silver Fizz. Das war mir wichtig – aber der Twist ist ganz eindeutig. Der Saft ist aufgrund des Preises für frische Bergamotten keine gute Option für einen alltäglichen Drink, die Infusion hingegen kommt, gerade aufgrund ihrer besonderen Intensität, hierfür wunderbar in Betracht. Zumal der Saft ohnehin den bedeutend geringeren Anteil zum Endprodukt begesteuert hat.
Zurück zum Drink. Der Schaum duftet herrlich nach Bergamotte, sehr einladend, aber nicht dominant. Am Gaumen ist der Bergamotte-Ton präsenter und stärker. Der Saft weist weniger Spitze auf als Zitronen- oder Limettensaft und eignet sich somit gut für die Wintermonate. Die etwas stärkere Bitterkeit, die ich bei der puren Verkostung bemerkt habe, verschwindet im Drink. Der Wacholderton des Gins bleibt vorhanden, aber er spielt nicht die erste Geige. In diesem Fall bin ich sehr froh darüber. Ein Drink mit einem extrem langen Nachhall, der sich von normalen Sour-Varietäten klar abhebt. Ein absolutes Erlebnis mit einem tollen, animierenden Trinkfluss.

Ich kann und muss also resümieren: Wenn Ihr an einer Bergamotte vorbeikommt, nehmt sie mit! Man kann spannende Drinks damit machen (ich denke gerade an eine Gimlet-Version) und durch die Infusion relativiert sich auch der Preis stark!

Torben Bornhöft

Torben Bornhöft beschäftigt sich seit 2004 leidenschaftlich mit Themen rund um Bar, Cocktails und Genuss. Nachhaltig geprägt durch fünf Jahre im Hamburger Le Lion und die Likörproduktion mit Forgotten Flavours liegt Torbens Fokus hier mittlerweile auf den Themen Champagner, Infusionen und Twists auf Klassiker.

4 Kommentare

  1. MJM

    Schöner Artikel Torben! Wie du schon beschrieben hast sind besondere Zitrusfrüchte leider schwer zu beziehen…

    Ich bin schon seit Ewigkeiten auf der Suche nach Meyer Lemons. Es war schon sogar soweit, dass ich selbst welche anbauen wollte, aber selbst bei optimalen Bedingungen, hätte ich circa ein Jahr auf die erste Ernte warten müssen.

    Nur ein kleiner Kritikpunkt: hätte es nicht auch ein andere Gin als der Booth’s getan? 😛 Oder sitzt du noch auf einer Kiste? Falls ja nehm ich dir gerne eine Flasche ab! 😉

  2. Torben Bornhöft

    Danke für die Blumen.

    Meyer Zitronen habe ihc leider auch noch nicht gesehen – ich würde da auch sofort zuschlagen.

    Das mit dem Booth’s habe ich kommen sehen 😉
    Der Gin war nicht mehr bei 100 % – er war noch gut, aber nicht mehr wie frisch geöffnet. Darum war er eine gute Grundlage für die Infusion…

  3. MJM

    😀 Dann bin ich natürlich beruhigt! Auch wenn es jetzt nichts mehr bringt dich um ein Sample zu bitten… 😉

  4. Torben Bornhöft

    Doch, jetzt bringt es noch mehr, da der Gin herrlich nach Bergamotte schmeckt 😉

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