In den letzten Tagen und Wochen haben wir euch verschiedene Meinungen zu Wodka zugemutet. Wir wollen die Ideen ein wenig weiterdenken, ohne aber die Diskussion abzuschließen oder gar zu bewerten. Doch schon jetzt lässt sich sagen: Kein relevanter Anbieter will mehr superbunten Super-Premium Wodka verkaufen. Die Barwelt hat sich weiter gedreht und Wodka sucht einen neuen Platz. Das ist ein gerechter Sieg derjenigen, die mit der „Gin-Flasche in der Hand in den Krieg zogen“. Doch die Revolution frisst auch gerne ihre Kinder. Und sehen wir nicht mittlerweile auf dem Gin-Markt ähnliche Entwicklungen wie auf dem Wodka-Markt Anfang der 2000er? Hanebüchene Marketinggeschichten, überteuerte, qualitativ eher durchschnittliche Produkte und so manch einen Gin-Conaisseur, bei dem wir uns wünschen, er möge doch bitte einfach einen Wodka-Cranberry bestellen und seine geballte Botanical-Kompetenz darin ertränken.
Doch die Beweislast für seine Berechtigung liegt beim Wodka. Unsere Gastblogger sind dem nachgekommen, haben Optionen aufgezeigt, sich der (zum Teil berechtigten) wacholdrigen Wut mal kämpferisch, mal versöhnlich und nachdenklich gestellt. Nun beginnt der Dialog.
Jared Brown sagte, sein Lieblingswodka mit Aroma sei Gin. Hat umgekehrt Wodka eine Zukunft, wenn er der bessere Gin wird? Noch aromatischer, noch chrakteristischer, noch authentischer? Nichts scheint unsere Zeit mehr zu beschreiben als die Suche nach Authentizität. Wurde Wodka einfach über die Jahre missverstanden, weil man seinen wahren Charakter mit Filterung und zig Wiederholungen „wegdestilliert“ hat? Ist Wodka eigentlich ein Gin ohne Wacholder?
Oder verbiegen wir Wodka damit? Ein Brennmeister gab mir den Satz aus einem alten Lehrbuch für Destillation mit: Wodka ist Alkohol um seiner selbst willen. Neutral im Geschmack. Ein weißes Blatt Papier. Eine Leinwand für den Bartender. Ein Gin Tonic kann jeder mittelmäßige Bartender zusammenschütten. Auch einen Negroni oder Fizz. Aber einen komplexeren Cocktail mit Wodka? Das erfordert ein Konzept, eine Idee des Getränks. Anders gefasst: Beim Gin Tonic hat der Gast alle Fäden in der Hand. Marke des Gins, Marke des Tonic, Art des Twist. Der Gin Tonic ist Ausdruck der Emanzipation des Gastes gegenüber dem Bartender. Er behält den Überblick, die Kombinationen, das Ergebnis. Beim Wodka überlässt man die Leitidee, die Charakterprägung des fertigen Cocktails dem Bartender. Das erfordert Vertrauen in dessen Fähigkeiten, dessen Phantasie und dessen Einschätzung des Gastes. Ist der Gast dazu bereit? Oder liegt es gar nicht nur am Gast? Denn ist es nicht auch für die Frau oder den Mann hinter dem Tresen einfacher, am Fließband Gin Tonics zu montieren?
Vielleicht brauchen wir Wodka dringender als gedacht.
Ich habe mich mal ungefragt dem Thema Wodka angeschlossen. Siehe Kolumne in der Fizzz
Das freut uns sehr!