Im Grenzgebiet – Trinklaune bei Ferdinand’s Gin

Knapp sieben Stunden dauert eine Fahrt von Hamburg nach Saarbrücken. Noch einmal eine knappe Stunde die Fahrt nach Wincheringen. Ein kleiner Ort im Nirgendwo, verloren im Grenzgebiet zwischen Frankreich, Luxemburg und Deutschland.

Wo, wenn nicht hier, sollten wir einige echte Grenzgänger finden. Da wäre zunächst Ferdinand’s Gin. Eigentlich ein ganz normaler Gin, wird er mit Riesling aus dem renommierten Weingut Forstmeister Geltz-Zilliken infundiert. Spannend auch die Premium-Variante Gold Cap. Hinzu gesellt sich der Quince Gin, eine Hommage an den Sloe Gin mit regionalen Quitten sowie einige Bitters. Gerade letztere sind geschmacklich wie in der Machart innovativer und kreativer als das meiste, was in den Barzentren Deutschlands in den letzten Jahren erdacht und entwickelt wurde. Aber von Anfang an.

Wahrscheinlich ist es auch nur an einem solch abgelegenen Ort möglich, ein so etabliertes Produkt wie Gin neu zu erfinden. Ferdinand’s Gin ist kein Auftragsgin, er wird tatsächlich in Wincheringen destilliert. Und im Gegensatz zu vielen neueren Gins kauft Ferdinand’s auch den Rohbrand (also den Grundalkohol) nicht zu. In der hochmodernen Verschlussbrennerei wird der Rohbrand, eine Mischung aus Weizen und Roggen, selbst hergestellt. Man spürt schlicht die Begeisterung von Brennmeister Andreas Vallendar für sein Produkt, wenn er über die Zusammensetzung der Botanicals spricht, über Kopf- und Basisnote des Gins, über die Entscheidung, welche der 30 Botanicals in der Maische, welche im Dampfkorb liegen müssen. Man erkennt, wieviel Mühe und Zeit die Entwicklung des Produkts gekostet haben müssen, wenn minimale Unterschiede von 1-2 Gramm bei den Botanicals bereits immense Auswirkungen im Endprodukt haben. Und man staunt, wenn man den Infundierungsprozess erklärt bekommt – der Betriebsgeheimnis bleiben muss – aber der weitaus mehr ist als nur das bloße Zukippen von Wein, sondern noch einmal ein vollständig eigener Produktionsschritt, sodass der Weingehalt am Ende bei 2,5 bis 5% liegt.

Ähnlich sorgfältig ist auch der Produktionsprozess des Quince Gin. Die (leidlich geschredderten) Quitten werden im Gin eingelegt und nach einigen Tagen ausgepresst. Infundiert wird er mit dem 2011er Saarburger Rausch Kabinett. Die Süßenangleichung geschieht durch Zugabe von Quittensaft, der ohne längeres Aufkochen gewonnen wird.

Am einprägsamsten aber waren wohl die Bitters. Sie basieren auf Varianten des Ferdinand’s Gins mit anders gewichteten Botanicals, sodass einzelne Komponenten unterstrichen werden. Und: sie sind fast gar nicht bitter, sondern wohl eher eine Tinktur. Sie sind nicht der vierte oder fünfte Orange Bitters oder Angostura-Klon. Herausgekommen ist nicht weniger als der beste Lavendel- und der beste Pfirsichbitters auf dem deutschen Markt. Und den Riesling-Quitte Bitters möchte ich ebenfalls in meinem Sortiment nicht mehr missen.

Eine Frage zum Abschluss: Würden Sie 100 Euro für einen halben Liter Gin zahlen? Nein? Aber würden Sie 100 Euro für einen halben Liter eines hervorragenden Digestifs zahlen? Das schon eher? Dann schauen Sie sich den Gold Cap einmal genauer an. Die jährliche Premium Edition des Ferdinand’s ruft einen stolzen Preis auf, ist aber in meinen Augen der einzige Gin, der so komplex, voluminös und trotzdem trinkbar ist, dass man ihn unproblematisch pur als Digestif reichen kann. Dafür wird aber auch am Input nicht gespart. Genutzt wird ausschließlich eine besonders aromenreiche Fraktion des Destilliervorgangs. Hinzu kommen weitere Botanicals wie getrocknete Rieslingtrauben, Kakaobohnen, Akaziensprossen, Birnen und Mirabellen. Auch der infundierte Wein ist hochwertiger. Genutzt wird die Auslese Goldkapsel des Saarburger Rausch.

Es stimmt: Ich ziehe ein sehr positives Fazit dieses Besuchs und der Produkte. Und es bleibt nicht verborgen: Hier sind Profis am Werk. Die Personen hinter dem Joint Venture aus dem Weingut Geltz-Zilliken, der Avadis Destillery und den Vertrieblern von Capulet & Montague haben langjährige Erfahrung mit Produktentwicklung, -herstellung und der Vermarktung derselben. Den Charme des Quereinsteigers mit dem schiefen Flaschenetikett sucht man hier vergebens. Das ändert aber nichts daran, dass man hier mit das Innovativste in der Flasche hat, was derzeit auf dem Gin-Markt zu finden ist.

Es gilt unser Disclaimer: Wir schreiben nur über das, was wir mögen! Trinklaune.de hat für die Verkostung Produktproben erhalten und waren zu Gast. Daran geknüpft war weder die Verpflichtung zur Berichterstattung noch eine Einflussnahme auf den Inhalt des Artikels.

tikiwise

Beruflich wandelt er auf David A. Emburys Spuren. Dessen Sour-Verhältnis von 8:2:1 irritiert ihn jedoch immer noch. Seine Aufmerksamkeit gilt American Whiskey, Tequila, Mezcal und allerlei Nischenspirituosen, aber auch Rezepten jenseits der Standards.

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