Montefalco liegt auf einem der letzten Hügel bevor sich die Landschaft zum Tibertal weitet. Rund um Montefalco gedeihen die Sagrantino-Reben auf lehmig-kalkigen Böden, reich an Sand und vom kontinentalen Klima geprägt. Wie bei der Herstellung von Rotweinen üblich wird der Most zunächst in Kontakt mit den Schalen vergoren, wobei sich deren rote Farbstoffe im Most lösen. Dabei gehen auch die Tannine und andere Substanzen in den Wein über, die zur Geschmacksfülle beitragen und dafür sorgen, dass sich roter Wein länger aufbewahren lässt als weißer. Die kleinbeerige, dickhäutige Sagrantino-Frucht liefert auf diese Weise tanninreiche, ausdrucksstarke Weine mit viel Extrakt und Körper.
„Die Adstringens des Tannins ist neben der Farbe das charakteristischste Element von Rotweinen. Sie ist kein Geschmack, sondern spricht das Tastgefühl im Mund-Rachen-Raum an, indem sie dort einen Eindruck des Reibens und Austrocknens hinterläßt. Sie entsteht, wenn das Tannin die Eiweiße des Speichels denaturiert. Ihre Intensität ist abhängig von Menge und Qualität des Tannins, Säuregrad sowie maskierenden Effekten durch Anthocyane und kolloidale Substanzen aus der Traube und Hefe. Daraus ergibt sich eine Klassifizierung als hartes oder weiches, reifes oder unreifes Tannin.“ – Volker Schneider
In seiner Jugend ist der Wein geprägt ist von sehr harschen Tanninen, die lange reifen müssen, um sich abzurunden. Er kommt daher frühestens 30 Monate nach der Lese auf den Markt und muss davon 12 Monate im Eichenfass zugebracht haben. Dadurch verlieren die Tannine die ihnen eigene Strenge und die Weine bekommen ihren besonderen Schmelz.
Reifung, Aromatisierung und Mikrooxidation
Warum aber der Ausbau im Eichenfass? Der Kontakt mit Eiche reichert den bereits sehr tanninhaltigen Sagrantino auch noch mit holzgebürtigem Tannin (Ellagtannin) an. Doch der Ausbau im Holzfass verändert den Wein nicht unerheblich durch die Aufnahme von Sauerstoff, durch die sogenannte Mikrooxidation. So erfährt der Sagrantino trotz Aufnahme von Ellagtanninen u.a. durch Hydrolyse und Oxidation eine Verminderung der harten Tannine und damit seine Gerbigkeit und gewinnt ein runderes, geschmeidigeres Geschmacksprofil. Ein Jahr Holzausbau tut dem Wein gut: die Reifung und Aromatisierung ergänzen sich und führen zu einer Erhöhung der Mundfülle und Komplexität. Wer sich weiter mit diesem spannenden Thema beschäftigen möchte, empfehle ich, die aus meiner Sicht großartigen, wegweisenden Arbeiten des Bingener Oenologen Volker Schneider zu lesen, die zum Teil auch im Internet verfügbar sind.
Nach dem Besuch etlicher Weingüter der Montefalco-Region kam ich zu der Überzeugung, die dortigen Winzer haben ihre Hausaufgaben gemacht: Sie haben erkannt, dieser Wein braucht Zeit um zu reifen. Zeit um veredelt zu werden. Zeit um groß zu werden. Jemand sagte mal Wein sei „Zeit im Glas“. Das gilt erst recht für den Sagrantino. Ein Merksatz, für den ich hiermit Copyright beanspruche, lautet: Alles an diesem Wein ist lang. Nicht nur die Reifung, nicht nur die Lagerfähigkeit, auch nach dem Öffnen bewahrt er lange sein Aroma. Ein Wein der, um zur vollen Entfaltung zu kommen, dekantiert werden sollte. Nach der Lüftung gibt er dann beim Trinken sein Geheimnis preis: Ein guter Sagrantino erweist sich als vollmundig, komplex, schwer und kräftig und zeigt einen langen, langen samtigen Abgang. Endlich mal wieder ein Wein jenseits einer langweiligen internationalen Stilistik. Der Sagrantino ist ein Wein für Weinkenner, für Trüffelsucher, für Freunde des Besonderen. Ausgereifte Sagrantino Weine sind oft blickdicht und immer tiefrot. Sie enthalten viel gut eingebundene Säure und kerniges Tannin. Hinzu kommen Anklänge von Veilchen, Rosen, Kirsche, Kräutern, Heidelbeere und immer wieder Brombeere. Der Sagrantino: ein kompakter, konzentrierter Wein für Eingeweihte.
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