Industrial Chic
Ein Mise en Place in Hamburgs neuestem Bar-Hotspot, „Kleines Phi“, sieht üblicherweise so aus. Während der aus Saarbrücken eingewanderte Barchef Pät Barten Eis und Infusionen aufbaut und den Flambierer schon einmal warmlaufen lässt, kratzt es an der Tür.
„Habt ihr schon offen?“
„Gibt es Ceviche“?
„Unsere ruhigsten Tage sind eigentlich Sonntag und Montag.“ so Pät. „Und da haben wir geschlossen“
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Die Bar ist ein Hort des Industrial Design. Offen verlegte Kabel, Edison Glühbirnen, Kupferrohre an der Bar, aus den Boxen dröhnt Old-School-Hip-Hop. Die Barhocker und Tresen der Vorgängerkneipe sind für das Backboard oder als Sitzbank wiederverwertet worden. Hinter der Bar und den Ideen steckt Philip Schulz, der sich für seine erste Bar selbständig machte. Und für die Umsetzung zeichnet huettn verantwortlich, der gleiche Raumausstatter wie für Das Mehl. Ziemlich authentisch das ganze. Und ziemlich chaotisch.
Weg mit dem Dreiteiler!
„Zum Bewerbungsgespräch bin ich glattrasiert und im Dreiteiler erschienen – inklusive Taschenuhr und lila Krawatte. Die Jungs saßen hier auf der Baustelle in T-Shirt und Jogginghose und haben mich erstmal ausgelacht.“ „Eigentlich“, lacht Pät, „ist diese Bar das genaue Gegenteil von mir.“ Dass er dennoch sofort Barchef wird ist auch Philip Schulz zu verdanken, der den Neuhamburger einfach mal machen lässt.
Es fehlte für Philip einfach an einer coolen Bar, die Südamerika verkörperte, und speziell den Rum. Daher bewegt Pät das Barkonzept konsequent weg von Gin Tonic zu südamerikanischem Spirituosen. Der Zuckerrohrbrand sowie Pisco und Tequila sollten hier im Mittelpunkt stehen. Gerade Tequila erwies sich am Anfang als schwierig. „Man konnte sehen, wie den Leuten der rote Plastikhut aufging“, so Pät. Aber durch eine Vielzahl von Infusionen geben doch viele dem Tequila eine zweite Chance. In Zukunft sollen Mezcal, Arrak und Cachaca noch mehr auf der Karte vertreten sein.
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Ähnlich herausfordernd ist auf den ersten Blick das Essen. Jeden Dienstag und Donnerstag kochen die die Jungs von Salt & Silver Ceviche, also rohen Fisch, der mit Limette, Zwiebeln und Gewürzen versetzt wird und dadurch „gart“. Ungewöhnlich, aber als Barfood im Hamburger Sommer sehr erfrischend. Das Essensprogramm soll weiter ausgebaut werden, erster Schritt war etwa die „beschwipste Jakobsmuschel“ Conchas Borrachas. Die Massen wollen verköstigt werden. Und das ohne Burger und Gin Tonic.
Jung, Urban, Genussneugierig.
Apropos Massen. Glücks- und Testfall zugleich düfte die Lage an der Feldstraße sein. Dom und Kiez auf der gegenüberliegenden Straßenseite, das alternative, „hipsterige“ Karoviertel im Rücken. Hier kann man nur schwer auf eine Zielgruppe setzen, hier finden sich verschiedene Leute zusammen. Daher auch die großen Tische. Hier sitzen tätowierte, vollbärtige Szenegänger mit Anzugträgern an einem Tisch – und teilen sich dann auch das Taxi zum Kiez. Auch den „Korn-Sprite“-Dombesucher findet man hier (der dann doch mit saarländischer Überzeugungskraft zum Tequila herangeführt wird). Dennoch – bei aller Barromantik – bevölkert dann doch weit überwiegend das junge, urbane, genussneugierige Publikum, das das Karoviertel prägt, die Bar.
So sagt das kleine Phi, das am 30. Mai seinen Betrieb aufgenommen hat, auch etwas über die Hamburger Barkultur aus. Bei aller Gin-Tonic-Manie, Burger-Hype und Sofa-Bar-Kultur bleibt noch viel Raum für innovative Barkonzepte, die man so nicht wirklich planen kann. Wir mögen es.
Ich hätte mir ja noch ein paar Worte zu den angebotenen Cocktails gewünscht. Spiegelt sich das Konzept auch tatsächlich in der Karte wider, und vor allem wie? Welche Drinks sind besonders zu empfehlen? Wie ist das Verhältnis von klassichen Cocktails zu Neuentwicklungen? Wie genau schafft es das kleine Phi, Tequilagegnern den Agavenbrand näherzubringen? Gibt es einen schönen Signature Drink?
Auf jeden Fall kann ich dir die Slowbrew Margarita sehr ans Herz liegen. 6 cl Reposado Tequila, 3cl Slowbrew Coffee (kalt), 3 cl Limette, 1,5 cl Agavendicksaft. Shake, Strain on the Rocks, karamelisierte Limettenscheibe.