Giffard Egg White Sirup – Ein sinnvoller Ersatz?

Der Einsatz von rohen Ei hat einen festen Platz in der modernen Cocktailkultur. Ein Vielzahl von Rezepten verlangt nach frischem Eigelb oder Eiweiß. Das Eiweiß verändert die Textur des Drinks und sorgt für ein angenehmes, cremiges Mundgefühl. Die durch kräftiges shaken enstehende Schaumkrone wertet den Drink auch optisch auf. Eiweiß mildert zudem Bitterkeit und Säure, kann Drinks also „weicher“ machen. Wer schon einmal einen perfekt geschüttelten Ramos Gin Fizz getrunken hat, wird die Vorzüge von Eiweiß in Drinks zu schätzen wissen und keine weiteren Erläuterungen hierzu benötigen.

Dennoch ist die Verwendung von rohem Eiweiß seit jeher ein großes Diskussionsthema in Cocktailbars. Grund dafür ist ein nicht vollständig vermeidbares Lebensmittelrisiko, welches von rohem Ei ausgeht. Auch wenn die Gefahr einer Lebensmittelvergiftung durch Salmonelleninfektion bei der sachgemäßen Aufbewahrung und Verarbeitung von Eiern gegen Null geht, lässt sich diese Gefahr nie vollständig ausschließen. Dies, und evtl. auch das fehlende Vertrauen in die hygienische Arbeitsweise mancher Bartender, ruft die Ei-Skeptiker auf den Plan. Insbesondere unerfahrene Trinker lehnen Drinks mit Frischei daher oft ab und verstricken den Bartender in eine meist wenig faktenbasierte Diskussion. Dies kostet den Barbetreiber neben Nerven meist auch Geld.

In Bars, in denen solche Kundschaft häufig verkehrt, wie z.B. Hotelbars, wird vom Management daher häufig nach Alternativen zum Frischei gesucht. Die bisher auf dem Markt erhältlichen Ei-Ersatzstoffe sind zwar durchaus in der Lage, eine ansprechende Schaumkrone zu erzeugen, schwächeln jedoch bei der Textur. Die Ersatzstoffe entsprechen zudem nicht unbedingt dem Aspekt der Natürlichkeit und sind häufig geschmacksneutral, wohingegen frisches Ei immer auch einen Eigengeschmack mitbringt. Textur und Geschmack der mit Ersatzstoffen zubereiteten Drinks weichen somit teils stark vom Original ab.  Eine zufriedenstellende Lösung gab es bisher nicht.

Dies erkannte auch der französische Likörhersteller Giffard und entwickelte daher vor wenigen Monaten den Egg White Sirup. Giffard bewirbt den Egg White Sirup damit, eine „echte Alternative zum Gebrauch von Eiweiß in Cocktails“ zu sein.

Giffard Egg White © Giffard.com

Giffard Egg White Sirup © Giffard.com

Die Idee hinter dem Giffard Egg White ist gut. Das Produkt enthält neben Rohrohrzuckersirup, Wasser und einem für die Lebensmittelindustrie gängigen Konservierungsstoff nur noch Eiweiß. Keine Chemiekeule also und die Produktsicherheit kann durch Pasteurisation sichergestellt werden. Durch die Verarbeitung von Zuckersirup und Eiweiß in einem Produkt spart der Bartender bei der Zubereitung entsprechender Drinks zudem Zeit.

Es steht außer Frage, dass der Giffard Egg White Sirup (GEWS) auf dem Papier die bisher innovativste und sinnvollste Erfindung zum Thema Ei-Ersatz in Cocktails ist. Aber kann der Sirup dieses Versprechen auch in der Praxis halten?

Dies wollten wir von Trinklaune.de herausfinden und unterzogen den Zucker-Eiweiß-Sirup daher dem „Pisco Sour Vergleich“. Um faire Testbedingungen zu schaffen, hielten wir uns dabei an das auf der GEWS Flasche abgedruckte Pisco Sour Rezept – einzig den vorgeschlagenen Zitronensaft ersetzen wir durch Limettensaft:

  • 3 cl Giffard Egg White Sirup
  • 2 cl frischgepresster Limettensaft
  • 6 cl Pisco

Dry Shake mit einem Eiswürfel.

Im mit frischem Eiweiß zubereiteten Drink hielten wir uns an die Vorgabe aus dem Originalrezept, welches zu gleichen Teilen Zuckersirup und Eiweiß vorschreibt. Die Menge an Limettensaft und Pisco passten wir an das Rezept von Giffard an:

  • 1,5 cl Zuckersirup
  • 1,5 cl frisches Eiweiß
  • 2 cl frischgepresster Limettensaft
  • 6 cl Pisco

Dry Shake mit einem Eiswürfel.

Beide Drinks rundeten wir mit einigen Dashes Amargo Chuncho Bitters ab.

Pisco Sour: Giffard Egg White / Frisches Eiweiß

Pisco Sour: Giffard Egg White Sirup / Frisches Eiweiß

Auf dem Bild links ist der mit GEWS und rechts der mit frischem Eiweiß zubereitete Pisco Sour zu sehen. Es ist offensichtlich, dass die Schaumkrone des rechten Drinks voluminöser ist als beim GEWS Pisco Sour. Bis auf die Dicke der Schaumkrone unterscheiden sich die beiden Drinks optisch jedoch nicht.

Beim Geschmackstest merkt man dann, dass die Schaumkrone des GEWS Pisco Sour zwar durchaus gefällig, aber eben zu dünn und auch zu instabil ist. Am Gaumen selbst ist die GEWS Variante süßer und besitzt etwas weniger Textur, bindet die Säure jedoch ebenfalls gut ein und ist geschmacklich durchaus in Ordnung.

Was beim GEWS Pisco Sour negativ auffällt, ist die zeitliche Instabilität des Schaums. Bereits nach ca. fünf Minuten wird dieser verhältnismäßig großporig, wie man auf dem unteren Bild gut erkennen kann. Der „Bittersfleck“ beginnt sich unansehnlich in die Breite zu ziehen und auch am Gaumen ist dieser Strukturverlust wahrnehmbar.

Pisco Sour nach 5 min

Pisco Sour Vergleich nach fünf Minuten

Die stärkere Süße und die schwächere Schaumstruktur lassen sich mit einem Blick auf die Nährwerttabelle des GEWS erklären. Zwar ist dort der Eiweißgehalt nicht direkt angegeben, allerdings sind neben 83,6 g Zucker noch 0,62 g Protein aufgeführt. Da Eiweiß die einzige Proteinquelle im GEWS ist und dieses ca. 11 g Protein je 100 g enthält, werden beim GEWS also gut 5,5 % Eiweiß verwendet. Für diesen geringen Eiweißgehalt ist die Struktur durchaus bemerkenswert, kommt aber logischweise nicht ans Original heran, wo mit einem 1:1 Verhältnis gearbeitet wurde.

Fazit: Der Giffard Egg White Sirup ist ein empfehlenswertes Produkt für all jene, die sich bei der Verwendung von frischem Eiweiß unwohl fühlen oder entsprechende Personengruppe als Gäste bewirtschaften. Struktur, Optik und Geschmack des Drinks kommen zwar nur zu ca. 2/3 an die des Originals heran, bieten aber dennoch ein zufriedenstellendes Geschmackserlebnis.

Für versierte Barflys stellt der Giffard Egg White Sirup zum jetzigen Zeitpunkt noch keine zufriedenstellende Lösung dar. Durch Anpassungen der Rezeptur ließe sich dies meiner Meinung nach ändern. Weniger Zucker und mehr Eiweiß dürften das Produkt abrunden und geschmacklich harmonischere Drinks ergeben.

Alles in allem eine sinnvolle und mutige Erweiterung des Giffard Portfolios, welches noch mit kleinen Schönheitsfehlern zu kämpfen hat.

Robin Stein (†)

Robin Stein, Jahrgang 1987, war studierter Lebensmitteltechnologe und der Jüngste im Team. Sein Weg führte ihm nach dem Abitur 2006 über ein viermonatiges Praktikum in Pusser's New York Bar in München nach Bergisch-Gladbach, wo er eine Ausbildung als Hotelfachmann im Schlosshotel Lerbach absolvierte. Seine persönlichen Honigfallen waren Champagner, Obstbrände, Wein und Whisk(e)y.

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