Klare, ungereifte Spirituosen haben etwas für sich. Ich schätze sie dafür, dass sie knackig, klar und kantig sind. Der Gin-Boom greift dies durchaus auf, jeder Gin-Hersteller versucht, einen aromatischen Brand in die Flache zu bekommen, der viel anbietet, aber dennoch klar im Aromenprofil bleibt, was gar nicht so einfach ist.
Auch andere klare Spirituosen begeistern mich mehr und mehr, ich suche immer klarere Aromen und bestelle mittlerweile eher Blanco Tequila als gereifte Exemplare. Immer mehr Obstbrände finden den Weg in die Heimbar, gereifte Rums werden weniger. Ähnlich verhält es sich mit Drinks. Klare Aromenstrukturen werden mir immer wichtiger. Das geht nur, wenn der Brand von hoher Qualität ist, denn verstecken lässt sich nichts.
Um eine Spirituose, die ein wenig in die an sich überstrapazierte Kategorie „Geheimtipp“ fällt, soll es heute gehen: Armagnac Blanche. Und in der Tat vereint dieser die oben genannten Qualitäten ungereifter Destillate aufs Schönste.

Tariquet Armagnac Blanche
Armagnac Blanche als offizielle AOC gibt es erst seit zwölf Jahren und nach wie vor fliegt er unter dem Radar. Gereifte Armagnacs führen, abgesehen von einigen ausgeprochen klassischen Hotelbars, ohnehin ein Schattendasein. Aber ungereifter Armagnac ist mir das erste Mal in New York begegnet, obwohl er in der Region eine lange Tradition hat.
Armagnac Blanche wurde schon immer produziert und vor Ort getrunken. Ausgeführt wurden nur die gereiften Qualitäten. Gut, dass sich dies mittlerweile geändert hat, denn uns allen würde etwas entgehen! Nach der Destillation wird der Brand für mindestens drei Monate (oft länger) gelagert, jedoch nicht in Holz, anschließend auf Trinkstärke herabgesetzt und nach einer Kontrolle durch offizielle Stellen abgefüllt. Das Ergebnis ist faszinierend, denn es vereint viele Widersprüche in einem einzigen Schluck. Beim ungereiften Armagnac hat man ein hocharomatisches, dennoch cremiges Destillat am Gaumen. Es hat Kraft, aber auch Zurückhaltung. Es hat Würze, aber auch Sanftheit.
Bedenkt man die Herstellung des Armagnacs in einem einzigen Brennvorgang, nach dem alles sitzen muss, ist dieses Ergebnis durchaus nicht verwunderlich. Ganz im Gegensatz zum Schattendasein, dass dieses Produkt leider führt. Es vereint eine große aromatische Spannbreite, ein ungekanntes und reizvolles geschmackliches Profil und dies – nicht zu unterschätzen – zu einem sehr fairen Preis. Ferner gibt es allein durch die verschiedenen Terroirs und die vielen zur Armagnacproduktion zugelassenen Rebsorten eine riesige Vielfalt an Variationsmöglichkeiten.
Zwei Armagnacs Blanches haben wir verkostet und vermixt, hoffentlich werden es bald mehr. Den ersten stellen wir heute vor. Aktuell bekommt man dieses spannende Produkt leider nicht von vielen Herstellern in Deutschland. Es wird wohl Zeit für einen Trip in die Gascogne…
Tariquet Armagnac Blanche
100 % Folle Blanche, 46 % Vol.
Nase:
Wüsste man nicht, was im Glas ist, würde man wohl am ehesten auf Pisco oder Blanco Tequila tippen, da eine charakterstarke, helle Frucht sehr präsent ist. Aber da ist noch mehr. Die Detillationsanlage hat ihre Spuren hinterlassen, ein starker Körper lässt sich schon erahnen. Grünes Gras in der Mittagssonne, Zuckerrohr, viel Traube.
Gaumen:
Feuer hat der Brand eindeutig. Initial viel Kraft, ein breiter Körper mit Gewürzanklängen. Dann kommt die Traubenfrucht hinzu, etwas Mirabelle, viele florale Töne. Ein einzelnes Nugget Eis tut durchaus gut, aber dieser Brand lässt sich mit viel Genuss pur trinken. Er erinnert vom Mundgefühl an Rums, die gelagert und anschließend durch Aktivkohle gefiltert wurden. Samtig, ein wenig cremig, aber mit klarer Kante. Pfeffrig und würzig. Jeder Gin-Produzent wäre wohl froh, solch ein charakterstarkes und vor allem individuelles Produkt in der Flasche zu haben!
Wer gern Drinks mixt, wird begeistert sein. So viele Twists auf Klassiker drängen sich sofort auf (Alexander! White Lady! Ti Punch!) – die aromatische Breite des Armagnac Blanche macht es möglich. Frische Drinks, kräftige Drinks, Sours, Fizzes, Old Fashioneds – vieles scheint denkbar.
Wir starten heute trotzdem bodenständig mit einem Sour. Zumindest fast, denn meine Passion für Bergamotte hat zugeschlagen. Das zitrusfrische und gleichzeitig intensiv-ätherische Aroma der Bergamotte passt hervorragend zum Armagnac Blanche. Vorausgesetzt, es gelingt, dieses flüchtige wie delikate Aroma einzufangen. Doc’s Essenz kriegt es richtig gut hin – klare Empfehlung!
Blanche Sour
7 cl Armagnac Blanche (Tariquet)
3 cl Zitrone
2 cl Zucker
1-2 Tropfen Doc’s Essenz Bergamotte
shake – on the rocks
Ein ziemlich kompletter Sour steht hier aromatisch im Glas. Zu Beginn Bergamotte, dann der breite Körper des Armagnac Blanche. Erfrischend. Eleganter als ein Daiquiri, dreckiger als ein Gin Sour. Richtig gut. Die Bergamotten-Essenz gibt nochmal einen Hauch eines anderen Aromenprofils dazu – ist aber unbedingt vorsichtig zu dosieren, da sie das komplexe Bergamottenaroma hervorragend einfängt und aufs Höchste konzentriert.

Blanche Sour
Wer es etwas konzentrierter braucht, greift zu einer Padovani-Variante. Wir konnten uns einfach nicht für einen Namen entscheiden!
Italivani / Padovanicus
5 cl Armagnac Blanche
2 cl Italicus
built in glass, Zitronenzeste
Kräftig, cremig, klar. Am Abend auf dem Balkon. Auch drei, wenn man am nächsten Tag frei hat…
Die floralen Aromen des Italicus und des Armagnacs ergänzen sich vortrefflich, sodass man die ungewöhnliche Kombination eines klaren, definierten, aber dennoch kräftigen Drinks im Glas hat. Salute.

Italivani / Padovanicus
Armagnac mag in der Versenkung verschwunden sein – aber wir sind uns sicher: Die Zeit des Armagnac Blanche bricht gerade erst an!
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