Zu gutem Essen gehören gute Getränke. Dass es in Spitzenrestaurants nicht nur Weine in der Getränkebegleitung gibt, ist schon seit einiger Zeit ein Trend. Biere oder Säfte finden mehr und mehr ihren Weg zu den Speisen. Cocktails haben es jedoch immer noch schwer in diesem Segment.
Liegt es an der fehlenden Spitzenbar, die Getränke auf diesem Niveau schicken kann? Oder fehlt es an Personal für den durchaus aufwendigen Service? Oder doch am gemischten Getränk selbst?
Cocktails bringen durchaus Schwierigkeiten mit sich. Im Getränkepairing sind die Kraft der Aromen und der oft hohe Alkoholgehalt eines Drinks mitunter problematisch. Ein Gang soll begleitet werden, aromatisch unterstützt, aber keineswegs dominiert. Ein Cocktail bringt oft viele Ecken und Kanten mit sich. Das kann problematisch sein.
Auf der anderen Seite liegen die Stärken im Gegensatz zu Wein oder Bier auf der Hand: Man hat immer die Möglichkeit, den Drink direkt zu modifizieren. Es fehlt Süße? Ein Schuss Zuckersirup, Ahornsirup, Agavendicksaft oder PX Sherry schafft Abhilfe. Es fehlt an Kraft und Rückgrat? Der Gin-Anteil wird erhöht. Mehr Frische wäre wünschenswert? Ein Barlöffel Verjus, Limettensaft oder Essig wird eingerührt.

Coda
Die Voraussetzungen sind vom Cocktail selbst also durchaus gegeben. Zumal der potenziell problematische hohe Alkoholgehalt zwar oft bei klassischen Drinks auftaucht, aber niemand muss ein Essen mit Martinis und Manhattans begleiten.
In Berlin wurde die Kombination von Drinks und Essen neu gedacht. René Frank, ehemaliger Pâtissier im La Vie, hat hierfür ein innovatives Konzept ersonnen. Im Coda werden Desserts serviert – im weiteren Sinne. Das Menü (später am Abend kann man auch à la carte oder ein kleineres Menü bestellen) ist keineswegs mit Süße oder schweren Crèmes überfrachtet, der Dessertgedanke ist hier weiter gedacht. Und dazu gehört ein Getränkepairing, das wir bei unserem Besuch im Juli natürlich probiert habe.
Es geht los mit Kiwi, Dinkelgras, Himbeere und Mandelmilch. Ein charmanter Einstieg mit leichten und süßlichen Aromen, der von einem Drink mit den Kernaromen Traube, Nuss und Alge begleitet wird. Zum Nachlesen findet man diese Informationen auch auf den zu jedem Gang gereichten Kärtchen. Das Pairing funktioniert gut, die Aprikosenkern- und Maraschinoaromen sind etwas dominant, ergänzen den geschmacklich ziemlich runden Teller somit aber um einige Ecken und Kanten.

Kiwi, Dinkelgras, Himbeere, Mandelmilch
Auf diesen Teller folgt ein absolutes Highlight. Aubergine, Pekannuss, Apfelbalsamico sind die Protagonisten, ergänzt um Lakritzsalz und den kongenialen Pairing Drink: Oolong Tee, Kumin, Safran, Oloroso. Der Sherry harmoniert hervorragend mit den würzigen, intensiven Beigaben und komplettiert einen ohnehin schon starken Teller. Die geschmorte Aubergine sorgt für eine cremig-aromatische Basis, der Auberginenchip gibt etwas knursprige Textur. Das Pekannusseis und der süß-säuerlich-intensive Apfelbalsamico runden den Teller ab – und das Lakritzsalz sorgt für das gewisse Etwas. Brillant.

Aubergine, Pekannuss, Apfelbalsamico, Lakritzsalz
Der vom klassischen Dessert am weitesten entfernte Teller trug den Titel Bergkäse, Birne, Kraut: Ein Gang, der von der starken Würze des zum warmen Cheesecake verarbeiteten Bergkäse geprägt ist. Die alpine Anmutung wurde auch vom hervorragenden Drink dazu unterstützt. Zirbelkiefer, aufgegossen mit Cidre. Erfrischend, zugänglich und mit dem unnachahmlichen Aroma von frischen Zirbenzapfen.

Bergkäse, Birne, Kraut
Kurz vor Schluss ein weiterer Spitzenteller: Paprika, Pfirsich, Büffelmilch. Liest sich eingängig und wartet mit einem herrlichen Aromenspiel auf. Der gegrillte Pfirsich ist herrlich reif und saftig, die Röstaromen passen hervorragend. Die Büffelmilch in verschiedenen Texturen sorgt für Abwechslung und die Parikaeesenz bringt eine kräftige Würze hinein. Wunderbar. Der Drink dazu scheint tendenziell der konventionellste zu sein: Vanille, Zitrone, Ingwer, Barbados Rum, Orange. Klingt nach einem klassischen Punch – und mundet vorzüglich. Die fruchtige Frische kontrastiert die milchig-cremigen Töne, ausgesprochen gelungen.

Paprika, Pfirsich, Büffelmilch
Der letzte Teller des Abends naht, Banane, Piura Kakao, Darjeeling, Mais, Birnenessig – so liest sich die ankündigende Karte. Der passende Drink ist da puristischer und ein hervorragendes Beispiel dafür, wie eine Cocktailbegleitung funktionieren kann. Jamaica Rum, aromatisiert mit Tonka und Jasmin, schlicht aufgegossen mit Moscato d’Asti. Konzentration auf wenige Aromen, keine zu hohe alkoholische Stärke, Komplexität sowie ein ausgewogenes Spiel von Süße und Säure. Dies ist ein Drink, der den (delikaten!) Teller weiterdenkt. Chapeau!

Banane, Piura Kakao, Darjeeling, Mais, Birnenessig
Wir haben einen fantastischen Abend im Coda verbracht. Und gesehen, wie es funktionieren kann. Mit einer Bar, die Drinks zielgerichtet auf Gänge zuschneidet, dafür Zutaten herstellt oder aromatisiert und auch die Kategorien der klassischen Bar hinter sich lässt. Ebenfalls gut austariert waren die Größen der Drinks. Immer ausreichend in der Menge, aber nicht so groß, dass man am Ende das Coda nur noch mit Unterstützung hätte verlassen können. Der sehr charmante Service hätte bestimmt geholfen, aber darauf nicht zurückzukommen, ist doch angenehmer. Spaß beiseite – der Service agierte mit einem guten Gefühl für Stimmungen, angenehm locker, niemals zu sehr. Und das Menü war so gestrickt, dass man das Coda weder hungrig noch mit einem Zuckerschock verließ.
Der Abend war so gelungen, da der Teller und der Drink ein Gesamtbild bieten. Einzeln genommen funktionieren die Gänge zweifellos, aber erst in der Kombination mit dem Drink ist man bei 100 %. Wenn ein Pairing so erdacht wird, kann es aufgehen – schön, dass der Mut belohnt wird!
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