Amuse Bouche und Weinkarte

Über kulinarische Präzision. Ein Essen im Bianc und Montrachet 2008 von Etienne Sauzet

Im doch immer etwas beschaulichen Hamburg tut sich im Moment einiges auf der kulinarischen Landkarte. Neben dem Haco und dem Hygge ist hier vor allem das Bianc von Matteo Ferrantino zu nennen. Der gebürtige Italiener hat nach etlichen internationalen Stationen, darunter der Hangar 7 und – als Küchenchef – die Villa Joya unter Dieter Koschina, in Hamburg festgemacht und seinen Traum vom eigenen Restaurant verwirklicht.

Jedes Element im Bianc hat seine Geschichte, seinen Bezug zu Matteos Vergangenheit. Glücklicherweise führt dies dennoch zu einem harmonischen und unaufdringlichen Gesamtensemble, mit klassischem Fine Dining Ambiente.

Bianc

Bianc

Seit zwei Jahren wird in der schönen und eleganten Location in der HafenCity gebaut, geschraubt und gearbeitet, seit gut einer Woche befindet sich das Bianc im Soft Opening. Diese Gelegenheit haben wir genutzt, um einen ersten Blick auf eines der ambitioniertesten neuen Hamburger Projekte zu werfen!

Drei Menüs werden angeboten, Emotion, Markt und Garten. Unterschiedlichem Zuschnitt zum Trotz sprechen sie alle eine ganz klare Sprache. Das Konzept lässt sich folgendermaßen umreißen: zeitgenössische mediterrane Küche. Matteos italienische Identität und auch seine Arbeit in Portugal sind klar erkennbar, er will die Küche seiner Kindheit transportieren: „Olivenöl, Focaccia, Knoblauch“, so Ferrantino. Dazu kommt – dies wird schon beim Blick auf die Texturas von Adrià in der offenen Küche klar – eine Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Techniken. Eigentlich schon wieder erfrischend: nicht nordisch, nicht klassisch, nicht den Bauern beim Vornamen genannt. „Ferrantino sees himself as an ambassador of contemporary cuisine.“ So lässt die Website verlauten. Wir sind gespannt.

Bianc

Bianc

Neben unserer Freude an gutem Essen gilt – Trinklaune eben – den Getränken natürlich unser besonderes Interesse. Darum haben wir ein großes Augenmerk auf die Weinkarte gelegt, die in fantastischer Präsentationsform an den Tisch gelangt. Ein in Leinen gebundener Schuber beinhaltet vier separat zu entnehmende, handliche Weinkarten, sortiert nach Schaumwein, Weißwein, Rotwein sowie Süßwein und Digestif. Die Karte glänzt mit einer – gerade für ein neu eröffnetes Restaurant – beeindruckenden Jahrgangstiefe. Dazu kommt, das freut jeden Weinfreund, eine sehr faire Kalkulation. Das Kirchenstück von Bürklin-Wolf aus 2005 schlägt mit 125 € zu Buche – was ungefähr dem aktuellen Endverbraucherpreis am Markt entspricht. Wer möchte, kann für 6000 € DRC Le Montrachet trinken – aber sehr viele wohl gewählte Weine sind für verhältnismäßig kleines Geld zu bekommen und die charmante Sommelière Fabiola Kerzel führt gekonnt durch die Karte und den Abend. Trinklaune ist also vorprogrammiert!

Amuse Bouche und Weinkarte

Amuse Bouche und Weinkarte

Nach einem Glas Perrier-Jouet Rosé zum Aperitif trinken wir einen Weißwein, wie er präziser kaum sein kann – und damit perfekt zu Matteo Ferrantinos Küche passt.

Denn darum soll es hier an dieser Stelle gehen: kulinarische Präzision

Sie ist sowohl in der Küche als auch an der Bar von größter Wichtigkeit. Genau abgeschmeckte Aromen, sorgfältig komponierte Drinks: Nur wer präzise arbeitet, erreicht hervorragende Ergebnisse.

Matteo serviert etliche Gänge selbst und erläutert einiges – was aber keineswegs zu verkopften Tellerverständniserlebnissen oder zu kaltem Essen führt. Präzise eben.
Bereits beim Amuse Bouche wird klar, wohin die Reise geht. Die Snacks sind alle elegant, leicht und frisch. Besonders das Tatar im Cornetto, das angenehm säuerlich abgeschmeckt ist, sowie die Granny Smith Gazpacho mit feiner Meerrettich-Schärfe deuten die folgenden Gänge schon an.

Unser Wein des Abends ist gleichzeitig mein Wein des Jahres. Nur selten hat man die Gelegenheit, einen Montrachet zu trinken. Diese vier Hektar kleine Lage komprimiert das Wesen des Burgunds auf eine atemberaubende Weise, jeder Tropfen ist essenzgleich, aber doch vollkommen schwerelos. Ein schwierig zu beschreibendes Erlebnis, aber ich versuche es dennoch. Etienne Sauzet Montrachet Grand Cru 2008: Ganz viel von allem, Eleganz und Cremigkeit, ein ganz feiner Hauch Vanille und Grapefruit, aber vor allem beeindruckt die enorme Präsenz des Weins. Wenn man ins Glas riecht, wirkt es jedes Mal wie ein Konzentrat, wie Parfum, das versprüht wurde. Eine solide Säure macht diesen Chardonnay lebendig und unterstreicht die Präzision, der Wein ruht in sich. Tief, elegant, komplex. Er ist ein sehr dicht gewobenes Gesamtkunstwerk, man verliert sich regelrecht im Duft dieses großen Burgunders.

Etienne Sauzet Montrachet Grand Cru 2008

Etienne Sauzet Montrachet Grand Cru 2008

Dazu wird gespeist, der Montrachet nimmt es spielend mit dem gesamten Menü auf. Besonders hervorheben möchte ich die erste Vorspeise, Lirio (ein hellfleischiger Fisch, meine Rechercheergebnisse sind ob des deutschen Namens recht unklar geblieben) mit Blumenkohlvariation und Salzzitrone.
Ein frischer, eleganter Einstieg ins Menü, der Fisch ist klar und rein und jede Gabel schmeckt ein wenig anders, je nachdem, wie man die verschiedenen Zubereitungsformen des Blumenkohls kombiniert.

Lirio, Blumenkohl, Salzzitrone

Lirio, Blumenkohl, Salzzitrone

Einen wirklich bemerkenswerten Vertreter des perfect match erleben wir im Gang danach, Thunfisch mit Artischocke, Olive, Kapern, und Anchovis. Am Tisch wird ein kühler Olivenölsud angegossen. Jedes Stück Thunfisch ist mit einer perfekten Menge der anderen Zutaten akzentuiert – nichts ist dem Zufall überlassen. Ein bisschen zu viel Kaper oder Anchovis – mangelnde Präzision – würde den Gang zerschießen, so aber fügt sich alles ineinander und der Montrachet begleitet kongenial. So bleibt ein eleganter und frischer Gang in Perfektion.

Thunfisch, Artischocke, Olive, Anchovis, Kapern

Schwierig zu fotografieren: Thunfisch, Artischocke, Olive, Anchovis, Kapern

Auch der weitere Menüverlauf bereitet größtes Vergnügen. Die Minestrone mit Kabeljau wartet mit einer enormen geschmacklichen Tiefe auf, ohne dabei schwer zu sein und das Spanferkel mit Chorizo und Tintenfisch ist ein delikater spanisch angehauchter Happen!
Selbst das kräftig eingefasste Kalb (Filet, Bäckchen, Kopf) mit Sellerie und Trüffel wird vom Montrachet gestemmt.

Kabeljau, mediterrane Minestrone, Koriander

Kabeljau, mediterrane Minestrone, Koriander

Spanferkel, Chorizo, Tintenfisch

Spanferkel, Chorizo, Tintenfisch

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ein Abend mit großem Genuss geht zu Ende, unser Wein ist geleert – wir wissen, dass wir bald wieder hier sein werden!

Das Bianc ist eine tolle Bereicherung für die Hamburger Gastronomie. Wir sind schon jetzt darauf gespannt, was der Guide Michelin im kommenden November zu verkünden hat.

Matteo Ferrantino

Matteo Ferrantino

Es gilt unser Disclaimer: Wir schreiben nur über das, was wir mögen! Trinklaune.de war Gast im Bianc. Daran geknüpft war weder die Verpflichtung zur Berichterstattung noch eine Einflussnahme auf den Inhalt des Artikels.

 

Torben Bornhöft

Torben Bornhöft beschäftigt sich seit 2004 leidenschaftlich mit Themen rund um Bar, Cocktails und Genuss. Nachhaltig geprägt durch fünf Jahre im Hamburger Le Lion und die Likörproduktion mit Forgotten Flavours liegt Torbens Fokus hier mittlerweile auf den Themen Champagner, Infusionen und Twists auf Klassiker.

Krug 2004
Blick vom Hotelzimmer auf die Hohe Tatra

Einen Kommentar schreiben

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.