TinTin Bar Stuttgart – Das Konzept: Getränke, Speisen, Gastgebertum

Die Menschen haben zusammengefunden, die Idee ist da.
Jeder hat seinen eigenen Bereich, den er gestalten kann. Wie Gastgebertum, Getränke und Speisen aussehen, ist neben Raum und Atmosphäre sicherlich das Herzstück jeder Bar – und damit auch entscheidend für den Erfolg eines Konzepts.

Der kreative Cocktailverantwortliche Jonas Hald gibt Einblicke in das Getränkekonzept. Dazu muss man einen Blick auf die Versorgung werfen. Alle Getränke außer Wein und Champagner werden von Cocktailian angeliefert, auch alkoholfreie Getränke und Co. Ein großes Sortiment mit spannenden Produkten ermöglicht eine hohe Vielfalt und Flexibilität. Dabei völlig frei von Verträgen – eingeschenkt wird, was schmeckt. Und es soll eine Auswahl getroffen werden – ein Backboard mit 1000 Flaschen wird es in der TinTin Bar nicht geben. Acht Gins stehen aktuell in der Auswahl, sieben Malts. Das reicht Hald. Verschiedene Geschmäcker werden abgedeckt, aber man muss nicht das anbieten, was man ohnehin überall bekommt. Ferner ermöglicht das reduzierte Spirituosenportfolio, dass man die verwendeten Produkte sehr gut kennt und schon gründlich auf Herz und Nieren geprüft und vermixt hat.

Tin Tin Drinks

TinTin Drinks

Auch die Cocktailkarte soll übersichtlich bleiben. Zwei Hauptkategorien erwarten die Gäste: Zehn Drinks der Kategorie „Alte Schule“ stehen derselben Anzahl „Neue Schule“ gegenüber. Hald macht keinen Hehl aus seinem Hang zur Klassik:

„Kenn‘ die Basis, bevor du anfängst, Old Fashioneds mit zwanzig hausgemachten Zutaten zu machen.“

Vermixt werden mit Vorliebe Spirituosen über 40 % Vol., dazu gibt es bei der Alten Schule immer zwei Optionen. Die Drinks mit der Standardspirituose (beim Rye z. B. Rittenhouse 100 Proof), die im Bereich von 10-13 € angesiedelt sein werden, sowie die „Erste Wahl des Hauses“. Ein Basisspirituosenupgrade, im Fall des Rye wäre es Willett. Diese Drinks werden für 13-17 € über die Theke gehen. Der Produktfokus wird hier ausgelebt, der Klassiker fungiert als Basis fürs Storytelling. Jonas Hald hat für die Interessierten zu jedem Getränk eine Geschichte oder den historischen Hintergrund parat.

Die Neue Schule steht dem gegenüber. Jeder Drink weist eine unterschiedliche Basisspirituose auf. Viele Zutaten sind hausgemacht, die Karte führt die Aromen auf, nicht jedoch eine vollständige Zutatenliste. Um den Fokus weiter auf den Inhalt des Glases zu lenken, gibt es auch keine Namen. Mit der alle drei bis vier Monate wechselnden Karte verändert sich auch die Neue Schule. Die Drinks der ersten Karte werden unter 1.1, 1.2, 1.3 etc. firmieren.

Um einen etwas konkreteren Einblick zu bekommen, hat Jonas uns die Rezepte für zwei Drinks mitgegeben:

1.8 – TinTin Neue Schule
5 cl Rittenhouse 100 Proof
1 cl China China
4 cl gesäuerte Stachelbeere*
1,5 cl Rosinen-Feigensirup**
5 Tropfen Sexy Bitters

Geschüttelt, auf Eis serviert

*Gesäuerte Stachelbeere:
Stachelbeerensaft (Van Nahmen, 0,7 Liter) mit 20 gr. Weinsäure einsäuern, kühl lagern

** Rosinen-Feigensirup:
200 gr. getrocknete Feigen
100 gr. Rosinen
600 ml Wasser,
Im Mixer pürieren, dann mit 1 Kg Zucker aufkochen. Jeweils eine großzügige Prise Salz und Zitronensäure dazugeben und ca. zwei Stunden ziehen lassen.

1.10 – TinTin Neue Schule
3 cl Obstler, gelagert
1,5 cl Vodka, mit Kresse infusioniert
2 cl Zitrone
1 cl Zuckersirup
4 Tropfen Lavendelbitters
Champagner

Geschüttelt, Cocktailschale, aufgegossen mit Champagner

Die Getränke-Philosophie wird hier deutlich. Im Fokus steht ein wohlschmeckendes Getränk mit einem guten Produkt als Basis. Und obwohl in der Küche viel Technik steht, wird diese recht dosiert eingesetzt. Eben nur dann, wenn es Sinn ergibt. Wenn eine Infusion ohne Sous-Vide genauso gut funktioniert, warum dann die Technik nutzen?

Die beiden Schulen bilden also das Herzstück der Karte – aber sie bleiben nicht allein. Ein Drink unter der Überschrift „Meisterhafte Kollegen“ kommt hinzu – im Fall der Eröffnungskarte Mario Kappes‘ Professor Langnickel. Letzter Part der Karte sind die Empfehlungen der Redaktion. Bunt gemischt finden sich hier immer ein Sharing-Drink (Alamagoozlum zum Start), ein Gedeck, ein aromatisierter Hausshot, ein flaschengereifter Drink, ein Lieblingsmezcal mit Foodpairing (Del Maguey Iberico mit dünn aufgeschnittenem, geräuchertem Rentierherz) oder die Brennerschorle, ein Spaßgetränk mit Revolte Overproof, Fanta Ananas und Bitters.

Wer ob der vielen Mischgetränke einen Happen braucht, ordert etwas aus Konstantin Kulds Reich: der Küche. Der Tapasgedanke, der am Beginn der Planungen stand, findet zwar nicht im Rahmen eines iberischen Küchenstils in die TinTin Bar, aber bei der Darreichungsform der Speisen. Kleine Portionen, moderat bepreist, die zum Teilen und Probieren einladen. Kulds Ziel ist gar nicht, „der geilste Koch der Stadt zu sein“ . Ihm ist aber wichtig, dass die Qualität stimmt. Daher wird die kleine Speisekarte nicht mehr als sechs Gerichte umfassen, diese werden aber, ebenso wie die Barkarte, einem ständigen Wandel unterzogen sein. Was angeboten wird, ist frisch und gut – „als würde man jemanden zu sich nach Hause einladen“, umreißt Kuld seine Idee der Küche.

Bao, Schweinebauch, Hoisin, Gurke

Bao, Schweinebauch, Hoisin, Gurke

Dogmatisch festgelegt auf einen bestimmten Stil ist Kuld nicht. Gut schmecken soll es, die Getränke begleiten – und vor allem Freude bereiten! Geschmacksbilder, Balance oder Texturspiele, wie man sie aus der Spitzenküche kennt, möchte Kuld in einen einfacheren Rahmen transportieren. Mit klarem Fokus: Der Spaß am Essen soll geweckt werden. Dafür muss es nicht übertrieben kompliziert sein.
Die Gerichte, die es auf die erste Karte geschafft haben, sprechen diese Sprache. Bun Bao, Gyoza oder Taco sollen zum Probieren einladen, aromatisch sein und Spaß machen. Daneben gibt es Käse von Affineur Waltmann, der auch etliche Spitzenrestaurants beliefert. Das TinTin-Team versucht, sich einer Zero Waste-Philosophie anzunähern. Für ihren eigenen Tin Gin werden Grapefruitzesten gebraucht. Anschließend werden die Früchte gepresst, um Cordials und Sirups herzustellen. Die ausgepressten, geschälten Fruchtsegmente werden zu einer Marmelade verarbeitet – die zusammen mit dem Käse serviert wird.

Gyoza, Krautsalat, Srirachamayonnaise

Gyoza, Krautsalat, Srirachamayonnaise

Kuld und Hald haben die Versorgung mit Getränken und Speisen sichergestellt. Benji Stroheker fungiert in der Gastgeberrolle als Mittler zwischen Gast, Bar und Küche. Diese Rolle, die meist das direkteste Gästefeedback bekommt und nah am Menschen ist, ist essenziell. Das Angebot kann noch so gut sein – stimmt der Service nicht oder fühlt man sich nicht wohl oder willkommen, wird man in Zukunft wohl eher anderswo einkehren. Stroheker legt Wert darauf, die Gäste durch den Abend zu führen – so diese mögen. Eingestellt auf den jeweiligen Gast. Egal ob Student, der einmal die Luft einer guten Bar schnuppern will, oder Stammgast, den man seit Jahren kennt. Sowohl das Wichtigste als auch das Interessanteste an der Gastgeberrolle ist für ihn, „auf die verschiedenen Charaktere und Eigenheiten der Menschen einzugehen und keinen Gast ohne ein Lächeln auf den Lippen gehen zu lassen, ganz gleich, in welcher Laune er das TinTin betreten hat“ . Eine positive Lebenseinstellung, Offenheit und Begeisterung sind für ihn die Basis, um ein guter Gastgeber zu sein. Er fasst zusammen:

„Ein guter Gastgeber behandelt jeden Menschen gleich. Er freut sich über jeden Menschen und für ihn ist jeder Mensch erstmal ein guter Mensch – und nur sehr ungern lässt er sich vom Gegenteil überzeugen.“

Wir können ihm nur zustimmen!

Zur Blogreihe:
TinTin Teil I
TinTin Teil III

 

Bilder-Copyright: Tin Tin GmbH & Co KG

Torben Bornhöft

Torben Bornhöft beschäftigt sich seit 2004 leidenschaftlich mit Themen rund um Bar, Cocktails und Genuss. Nachhaltig geprägt durch fünf Jahre im Hamburger Le Lion und die Likörproduktion mit Forgotten Flavours liegt Torbens Fokus hier mittlerweile auf den Themen Champagner, Infusionen und Twists auf Klassiker.

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