Liebe Leserinnen und Leser,
der letzte Beitrag hier ist lange her, elternzeitbedingt. Damit einhergehend gab es viel Babyzeit, jedoch wenig Trinklaunezeit, so kam ich nicht zum Schreiben. Auch in Zukunft ist noch mit Sparflamme zu rechnen, aber ab und zu soll es wieder weitergehen mit der Suche nach außergewöhnlichen Getränken. Pause beendet.
Apropos außergewöhnlich: Meine Begeisterung für die Süßweine des Roussillon, die Vins Doux Naturels, habe ich hier bereits breiter thematisiert. Nach fünf Jahren ist es einerseits Zeit für eine neuerliche Bestandsaufnahme, andererseits widmen wir uns dem, was vor Ort im Roussillon schwierig war: Mixen mit Vins Doux Naturels.
Nach wie vor schlägt mein Herz für das Mixen mit aufgepritteten Weinen, Süßweinen, Vermouth und Co. Die Vorteile liegen auf der Hand: hohe aromatische Dichte, schöne Viskosität und damit Textur, geringer Alkoholgehalt. All diese Faktoren machen Süßweine zu perfekten Cocktailzutaten, denn sie harmonieren gut mit hochprozentigen Spirituosen, runden ab, können Säure geben oder spielen auch wunderbar die erste Geige. Viele Möglichkeiten also.
Saisonal bedingt geht der Griff nicht zu den erfrischend-leichten Muscats, sondern zu zwei jahreszeitlich passenden Varietäten: einem Rivesaltes und einem Banyuls.
Dom Brial Ambré Rivesaltes 2010
50 % Grenache Blanc, 50 % Macabeu
Nase:
Kandierte Früchte, Walnuss, ein wenig Leder. Sehr einladend und durchaus mit Volumen. Zedernholz und viel Rosine, mit einem Hauch frischer Zitrusschalen. Am Ende taucht eine ausgesprochen schön eingebundene und durchaus präsente Oxidationsnote auf.
Gaumen:
Süße und Säure in schöner Ausgewogenheit. Erneut Trockenfrüchte, ein wenig Kakao, dazu aber eine feine Säure, die dem Wein Spannung und Stabilität gibt. Vanille. Ein ziemlich hoher Trinkfluss, nach hinten feine oxidative Noten.
Das ist ein Wein für einen Cocktail! Er hat Rückgrat und viel Struktur, das darf durchaus deutlich werden. Darum folgen wir der Idee eines simplen Zweiteilers, der von der Qualität der Zutaten lebt.
Rivesaltes à l’automne
4 cl Rivesaltes Ambré
4 cl Cognac
Auf Eis verrühren, im Tumbler auf Eis servieren, Zitronenzeste, kein Drop
Ein Cocktail für den gediegenen Sessel am Kamin. Kräftige Aromen, Feuer vom Cognac, Sanftheit und schmeichelnde Eleganz vom Rivesaltes. Er ist ölig und aromatisch, Verwässerung verträgt er durchaus. Trotzdem hat man nicht automatisch einen klassischen Vertreter der Kategorie BBS – Bitter, Brown and Strong – im Glas. Mixen mit Süßweinen – das macht es so spannend. Mit der Wahl des Cognacs kann man gut steuern, ob es eher ungestümer oder etwas eleganter werden soll. Funktionieren tut beides.

Mehr Frucht und Frische? Geht auch. Ab nach Banyuls!
Befanden wir uns eben noch in der Nähe Perpignans, geht es jetzt direkt an die Grenze Frankreichs zu Spanien. Grenache und Carignan prägen den…
Banyuls Reserva Domaine La Tour Vielle
(90 % Grenache, 10 % Carignan)
Nase:
Dunkle Früchte wie Feigen, Pflaumen und vollreife Kirschen springen aus dem Glas, ein wenig eingekocht, Pflaumenmus mit Vanillestange und Zimt.
Gaumen:
Auch hier die volle Breitseite dunkler, herbstlicher Frucht. Der oxidative Ausbau macht sich bemerkbar, keine frische, sommerliche Frucht, sondern eingekocht oder eingelegt. Somit herrlich herbstlich, die letzten Reste der sommerlichen Sonne duften noch aus dem Glas, aber doch ist klar, dass die kalten Monate kommen. Auch beim Banyuls sind Süße und Säure fein austariert, sodass der Wein nicht sättigt.
Diese Frucht muss man in einem Cocktail nutzen. Also los!
Don’t even think of Sangria!
10 cl Banyuls
2,5 cl Armagnac Blanche
1/2 Pipette Green Strawberry Mah Kwan Bitters
1 kleine Scheibe Orange
1 kleine Scheibe Grapefruit
Früchte im Shaker zerdrücken, flüssige Zutaten dazugeben, kräftig schütteln, auf Eis oder straight servieren.
Nein, Sangria ist das wahrlich nicht, wenngleich jede Mischung aus rotem Wein, Süße und Frucht immer wieder schauderhafte Jugenderinnerungen zutage fördert. Aber der Banyuls hält die Fäden dieses Cocktails klar in der Hand, Frucht, Kraft, Bitterkeit und Säure setze jeweils nur kleine Akzente, sorgen aber dafür, dass jeder Schluck ein wenig anders schmeckt und damit die Spannung des Getränks erhalten bleibt.
Santé!

Es gilt unser Disclaimer: Wir schreiben nur über das, was wir mögen!
Trinklaune.de hat Vins Doux Naturels zur Verkostung erhalten. Daran geknüpft war weder die Verpflichtung zur Berichterstattung noch eine Einflussnahme auf den Inhalt des Artikels.
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