Ein neuer Dom Pérignon ist da! Aufgrund von Corona fand die Präsentation dieses Jahr via Zoom statt, Kellermeister Vincent Chaperon lud virtuell in die Abtei von Hautvillers, der einstigen Wirkungsstätte Dom Pérignons, wo er den Wein präsentierte. Alle Teilnehmer hatten eine Flasche zugeschickt bekommen, sodass einer echten Präsentation, einem Überblick über das Jahr und einem gemeinsamen Verkosten nichts im Wege stand.

„2010 – A forgotten vintage“, sagte Chaperon. Nur wenige Erzeuge haben Jahrgangschampagner gemacht, darunter kaum ein großes Haus. Nur wenige hatten den Mut, so Chaperon. Dies überrascht zunächst, da er vollmundig davon spricht, 2010 sei ein sehr klassisches und durchaus ein exzellentes Jahr gewesen, gerade in Anbetracht des Klimawandels.
Winter und Frühling waren ungewöhnlich kalt und gerade der Frühling sehr trocken. Von Juli bis September gab es Wärme und genug Niederschlag, was zu guten Ergebnissen in den Weinbergen geführt hat, die Trauben konnten gut ausreifen. Zum Ende der Wachstumsphase sind die Trauben sehr schnell gereift. Zucker, Farbe und Aroma hatten am Ende perfekte Bedingungen für die Lese. Zu Beginn des Septembers folgten trockenere Wochen, es fiel kein Regen mehr, die Abkühlung sorgte für perfekte Bedingungen für die Lese. Es stellt sich also die Frage, warum der Jahrgang von vielen Winzern und Häusern nicht gemacht wurde.
Das Kernproblem in 2010 waren zwei Tage im August. An diesen beiden fiel so viel Niederschlag wie sonst in zwei Sommermonaten – ein hohes Botrytis-Risiko war die Folge.
Und während Chaperon ausholt, die Dramatik um die Lese 2010 auszuführen, beginnen die Glocken der Kirche von Hautvillers zu läuten, wie choreografiert. Seit Hunderten von Jahren läuten sie nur dreimal am Tag, dieselben Glocken, die bereits Dom Pérignon bei seinem täglichen Schaffen begleitet haben.
Zurück in den Weinberg: Die Botrytis kam spät und war wenig offensichtlich – viele Winzer haben erst spät gemerkt, dass auf den letzten Metern eine aggressive Botrytis-Attacke auf sie zukommt, so Chaperon. Der heutige Kellermeister war auch 2010 schon im Dienste Dom Pérignons und damals jeden Tag in den Weinbergen unterwegs, um zu probieren, zu beobachten und zu prüfen. Er hat früh gemerkt, dass die Botrytis kommen wird, sie war noch nicht sichtbar – aber das Risiko war groß. Chaperon bemühte sich um Austausch mit südlicheren Weinregionen, die einige Tage weiter im Witterungsverlauf waren und aus denen von großen Problemen berichtet wurde.
Zwei Entscheidungen wurden zu diesem Zeitpunkt getroffen: Viele Menschen wurden in die Weinberge geschickt, um jeden Tag die „evolution of botrytis“ zu prüfen. In mehr als 800 Hektar Rebfläche, die mit Pinot Noir und Chardonnay bestockt ist und aus denen der Kellermeister (damals noch René Geoffroy) schöpfen kann. Es wurde eine Kartographie der Entwicklung angelegt, um immer den Überblick über den Zustand der Trauben zu behalten. Die zweite, deutlich schwerere Entscheidung: 20 % der Pinot-Lagen wurden zu diesem Zeitpunkt aufgegeben. Die Folge war ein großer Traubenverlust, doch es war der einzige Weg, so Chaperon, um die weniger angegriffenen Reben in Ruhe zum perfekten Moment der passenden Reife zu lesen. Nach langer Zeit der Pflege der Reben fiel diese Entscheidung nicht leichtfertig, aber sie ermöglichte, am Ende des Tages fantastische Qualitäten zu lesen. 2010 war das drittreifeste Jahr in der Dekade nach 2002 und 2003, dazu die zweithöchste Säure nach 2008.
Jedes Jahr wird aus einer Fülle von Weingärten gewählt, um die Assemblage für Dom Pérignon zu erstellen, aus über 800 Hektar in Grand-Cru- und Premier-Cru-Gemeinden.
Somit wurde auch dieses Jahr nicht anders vorgegangen, aber da in 2010 schon sehr früh etliche Rebgärten aufgegeben wurden, haben diese am Ende natürlich gefehlt, sodass die Chardonnays etwas dominanter sind, als es sonst üblich ist. Eine erste Cuvée trug der Botrytis mit 60 % Chardonnay noch deutlicher Rechnung, aber das hat, so Chaperon, nicht funktioniert. Der Chardonnay war zu dominant, der Wein am Ende kein Dom Pérignon mehr. Somit landete das Team bei 54 % Chardonnay und 46 % Pinot Noir.
Nach dieser Fülle an Informationen über das ausgesprochen ungewöhnliche Jahr ging es zur Verkostung.

Dom Pérignon 2010
54 % Chardonnay, 46 % Pinot Noir
Nase:
Kräftige Fruchtigkeit, feiner Vanilleton, sehr offen, einladend, charmant, viel reife Frucht, frische Ananas, Steinfrüchte, Aprikose, ein Hauch Gartenkräuter, Zitrus ist natürlich auch dabei. Durchaus kein ganz typischer Dom Pérignon, aber die Anlage ist erkennbar. Der Chardonnay dominiert aktuell die olfaktorischen Eindrücke, dunkle Frucht sucht man vergebens.
Gaumen:
Auch hier viel Frucht, aber auch eine gute Struktur. Viel Volumen, aber nach hinten deutlich konzentrierter, stringenter. Der Wein wird von der Gaumenmitte nach hinten intensiver. Eine feine Salzigkeit ergänzt die Säure, angetrocknete Kräuter und ein bisschen schwarzer Pfeffer geben Würze.
Ein spannungsgeladener und intensiver Champagner steht hier im Glas, der schon als Dom Pérignon zu erkennen ist, aber die Besonderheiten des Jahres drücken dem Wein ihren Stempel deutlich auf.
Wieder wird klar: Am Ende bleibt Wein abhängig von der Natur. Der Mensch greift ein, aber was der Jahrgang liefert, ist die Basis. Es gab deutlich einfachere Jahrgänge als 2010, so Chaperon. Hier mussten mit Mut Entscheidungen getroffen werden, um am Ende ein überzeugendes Ergebnis im Glas zu haben.
Das hat geklappt.

Es gilt unser Disclaimer: Wir schreiben nur über das, was wir mögen!
Trinklaune.de hat für die Verkostung Produktproben erhalten. Daran geknüpft war weder die Verpflichtung zur Berichterstattung noch eine Einflussnahme auf den Inhalt des Artikels.
Einen Kommentar schreiben