Die Mezcals von El Jolgorio

Bei Mezcal ist alles etwas anders. Nicht nur beim Geschmack. Arbeitet man sich tiefer in die Materie ein, erweckt die Nomenklatur der etwa 50 destillierbaren Agavensorten, Orten und Landschaften sowie Mezcalero-Familien schnell den Eindruck einer Geheimsprache. Doch dahinter verbirgt sich ein reicher Schatz botanischen, geographischen und kulturellen Wissens, der aus einem Schnaps ein Schlüssel zu einer fremden Kultur macht. Bildungstrinken par excellence! Mit anderen Worten: Nerdstoff.

El Jolgorio Mezcal ist so ein Beispiel hierfür. El Jolgorio bedeutet in etwa „Feierlichkeit“ und bezeichnet die Familien- oder Dorffeste, die in den Dörfern Oaxacas zu Geburten, Hochzeiten und ähnlichen Anlässen anstehen. Man trinkt: Mezcal. Hinter der Marke El Jolgorio steht ein Kollektiv aus 16 Familien (Stand: 2019) aus verschiedenen Ecken Oaxacas. Und natürlich werden die verschiedensten Agaven destilliert. Inspiriert durch die teilweise hervorragenden Reviews und dem Auftauchen in „Best Mezcal“ Listen habe ich mir einige Varietäten zugelegt, die auch hierzulande gut zu bekommen sind. Kurz gesagt, ich wurde nicht enttäuscht.

El Jolgorio Tepeztate (Edition 19/Harvest 2017/Vol. 48%)

Aus der Tepeztate (Agave Marmorata) gewonnener Mezcal ist selten. Neben El Jolgorio gibt es ihn z.B. von Marca Negra und Vago. Ein Grund hierfür dürfte sein, dass die Agave sehr lange für ihr Wachstum benötigt. El Jolgorio gibt als Alter der verwendeten Agave 25 Jahre an, es kann bei Tepeztate aber auch länger dauern. Ein weiterer Grund ist, dass diese Agaven offenbar gerne an Steilklippen wachsen, was die Ernte umso beschwerlicher und nicht ungefährlich macht. El Jolgorio Tepeztate stammt aus der Destille Los Altamirano in Santa María Zoquitlán, einer Ortschaft, die etwa zwei Autostunden südöstlich von Oaxaca de Juárez gelegen ist und über die selbst Wikipedia absolut nichts zu erzählen weiß.

Wie bei Tepeztate nicht unüblich dominiert zunächst Gras, Erde und grüner Paprika das Aroma. Leicht stechender Alkohol. Am Gaumen öffnet sich ein bombastisches Bukett an frischen und tropischen Fruchtaromen (Mango) und grünem Tee. Der Abgang ist trocken, mineralisch (hat Mezcal etwa Terroir?) und ellenlang.

El Jolgorio Tobalá (Edition 17/Harvest 2016/Vol. 47%)

Tobalá (Agave Potatorum) ist eine der bekannteren Agavensorten zur Mezcalherstellung. Das ist nicht nur zu ihrem Vorteil, denn die hauptsächlich in Höhenlagen anzutreffende und selten kultivierte Agavensorte ist besonders stark von übermäßiger Verarbeitung betroffen – wohl auch, weil sie sich nicht durch Ableger, sondern nur aus dem Samen der Pflanze vermehrt.

Das Alter der Agave gibt El Jolgorio mit 15 Jahren an. Destilliert in der 3 Mezquites Distillery in San Baltazar Guelavila, dem Ort, in dem z.B. auch die Destille von Alipus steht.

In der Nase zunächst und präzise der Geruch überreifer Banane, sowie daneben Mango und Tropical Flavour Kaugummis. Am Gaumen liefert der Mezcal ein Feuerwerk an tropischen Fruchtaromen und eine nahezu dessertartige Süße. Karamel meets Banane!

El Jolgorio A. Karwinskii (Edition 3/Harvest 2018/Vol. 50%)

Die Crux mit den seltenen Agaven ist es, dass sie selten sind (ja, der Satz ist so gewollt). Mezcals aus selteneren Sorten werden durch El Jolgorio in größeren zeitlichen Abständen als Special Editions auf den Markt gebracht, die an schwarzen Flaschen (und leider auch am deutlich höheren Preisschild) erkennbar sind.

Kommen wir zum Fachchinesisch: A. Karwinskii bezeichnet eine Familie von Agaven, zu der Barril, Madre-Cuishe und Largo gehören. Sie alle sind an einem Stamm zu erkennen, an dessen Ende die Agave wächst (womit sie der Yucca-Palme ähneln, die übrigens auch ein Agavengewächs ist). Welche Agave genau hier verwendet wurde, erfahren wir nicht, nur dass sie 13 Jahre lang wuchs und, dass sie in Santa María Zoquitlán von Ignacio Parada destilliert wurde.

Und der Geschmack? Ist anders, als ich es von Mezcals bisher kannte. Keine Frucht, frisches Gras, staubtrocken, etwas Kaugummi. Und dann am Gaumen: Eine klare Agavenfrucht, durchzogen von getrockneten Kräutern und Stangensellerie. Und ein fast nicht enden wollender salzig-mineralischer Abgang.

tikiwise

Beruflich wandelt er auf David A. Emburys Spuren. Dessen Sour-Verhältnis von 8:2:1 irritiert ihn jedoch immer noch. Seine Aufmerksamkeit gilt American Whiskey, Tequila, Mezcal und allerlei Nischenspirituosen, aber auch Rezepten jenseits der Standards.

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