Milk Punches – zu Recht ein Hype?

Milk Punches findet man mittlerweile auf vielen Barkarten. Oder vielmehr: Wenn die Bars endlich wieder geöffnet sind, wird man sicherlich den einen oder anderen Milk Punch trinken können. Und die Vorteile liegen auf der Hand: hervorragend vorzubereitende Drinks mit eigenständigem Profil. Darum haben wir die Passiertücher herausgekramt und uns dem Thema gewidmet.

Die Basis (Was ist ein Milk Punch? Wie macht man ihn?) findet man hinreichend aufbereitet, zum Beispiel bei Mixology. Darum probieren wir heute hauptsächlich verschiedene Varianten und werfen einen Blick auf die besonderen Stärken dieser Zubereitungsart.

Und nicht weniger als das ist der Milk Punch: Eine völlig eigenständige Art, Drinks mit Säure zu denken, herzustellen und zu variieren. Sie kann gleichberechtigt neben Shaken, Rühren und Blenden (das Werfen hat sich mir nie erschlossen) stehen, weist aber auch charakteristische Unterschiede auf. Während ich problemlos noch den x-ten Manhattan rühren kann, braucht der Filtrierungsprozess des Milk Punches Zeit. Ist die vorbereitete Flasche leer, geht es frühestens in zwei Stunden weiter. Für Live-Gastronomie somit nicht optimal geeignet. Auf der anderen Seite aber ist die notwendige Vorbereitung extrem praktisch. Der Drink ist fertig, muss nur ins Glas gefüllt und garniert werden. Perfekte Voraussetzungen für schmackhafte Schnelldreher. Und: Der fertige Cocktail hält sich lange.

Der erste Versuch folgt dem klassischen Rezeptansatz Spirituose – Zitrone – Zucker – Filler – Milch.

Bergamot Punch

Bergamot Punch
3 cl Bergamottengeist
4 cl Noilly Prat trocken
9 cl Matcha
2 cl Limette
1,5 cl Zucker
4,5 cl Milch

Die ersten fünf Zutaten verrühren und abschmecken, dann in die Milch geben. Eine Stunde stehenlassen, dann filtrieren. Die feinen Reste des Matcha bekommt man gut durch einen Kaffeefilter heraus.

Die Idee zum Drink ist simpel. Aromatische alkoholische Basis, kombiniert mit Süße-Säure-Tee. Ich habe mich für Matcha entschieden, der mit seiner charakteristischen Frische gut in den Milk Punch und auch zur aromatisch potenten Bergamotte passt.
Das Ergebnis ist ein sanfter Drink, der dennoch ein charakteristisches Profil zeigt. Der grüne Tee begleitet die Noten des Bergamottengeistes sehr gut, einzig an Power und Säure fehlt es ein wenig.

Darum lasse ich beim nächsten Versuch den Filler weg. Ein klassischer Ansatz, Rye Sour plus Süßwein, zubereitet als Milk Punch, ist die Idee.

Rye and Rivesaltes

Rye and Rivesaltes
4 cl Rye
4 cl Rivesaltes
4 cl Zitrone
2,5 cl Zucker
5 cl Milch

Die ersten vier Zutaten verrühren und abschmecken, dann in die Milch geben. Eine Stunde stehenlassen, dann filtrieren.

Das Konzept geht auf. Ein deutlich knackigerer Drink, mit mehr Profil und mehr Säure. Die Basis ist schon klar erkennbar, es lohnt sich, charakteristische Spirituosen zu nutzen, denn durch die Filtration gehen Ecken und Kanten verloren. Der Rivesaltes ist kaum mehr erkennbar, er gibt Mitte, Volumen und Struktur. Der Rye liefert das Profil und dominiert die Charakteristik des Drinks. Eine runde und stimmige Sache. Die Zitrone gibt ob der erhöhten Menge trotz der Filtration eine schöne Säurespitze. 

Bereits nach diesen zwei Versuchen kann man erkennen, was Milk Punches auszeichnet. Sie sind wie weichgezeichnet, die Filtration schleift Ecken und Kanten ab, sorgt für Gefälligkeit und einen klaren Trinkfluss. Ferner wirken die Drinks mehr wie aus einem Guss, als wären die Zutaten miteinander verschweißt. Die Einzelkomponenten treten für ein Gesamtbild stärker zurück, als es bei anderen Zubereitungsformen der Fall ist. Deswegen bieten Milk Punches den besten Spirituosen durchaus nicht die beste Bühne. Der Schnaps für 100 € muss es daher nicht sein. Dafür lohnen sich kraftvolle Spirituosen, gern auch mit erhöhtem alkoholischen Volumen. Die Filtration macht den Drink milder, daher braucht es vorher mehr Kraft.
Das führt zu einem weiteren wichtigen Punkt. Milk Punches sollte man vorher genau abschmecken – und immer etwas intensiver machen, als würde man den Drink anderweitig zubereiten. Der Milk Punch verzeiht und braucht eine gewisse Härte in der Rezeptur. Prinzipiell gilt aber: Schmeckt der Drink vor der Filtration, dann schmeckt er auch danach.
Noch eine Stärke der Zubereitungsform: Keine Verwässerung. Man kann somit den Wassergehalt sehr präzise steuern.

Andere Zubereitung, andere Voraussetzungen, andere Drinks. Die Frage am Ende bleibt: Ist das nun ein Mehrwert?
Ich glaube ja. Nicht immer und nicht für alles geeignet (allein die notwendige Anwesenheit von Säure setzt Grenzen), aber es ist eine spannende Erweiterung des Instrumentariums. Es dauert zwar etwas, aber Milk Punches zu machen, ist wirklich einfach. Es lohnt sich, etwas zu experimentieren, und das eigene Repertoire um die eine oder andere Ergänzung zu erweitern.

Torben Bornhöft

Torben Bornhöft beschäftigt sich seit 2004 leidenschaftlich mit Themen rund um Bar, Cocktails und Genuss. Nachhaltig geprägt durch fünf Jahre im Hamburger Le Lion und die Likörproduktion mit Forgotten Flavours liegt Torbens Fokus hier mittlerweile auf den Themen Champagner, Infusionen und Twists auf Klassiker.

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