Dom Ruinart 2009 – Champagner und der Klimawandel

Man muss das Positive sehen. Zwar kommt man bei einer digitalen Jahrgangspräsentation nicht zusammen, tauscht sich nicht persönlich aus, isst nicht gemeinsam. Aber dafür hat man die Chance, vom Kellermeister persönlich etwas zu hören. In diesem Fall also von Frédéric Panaiotis, der sich, wie wir schon erleben konnten, gern von Standardmarketingthemen löst und tief in die Materie einsteigt. Und auch bei der Präsentation des neuen Dom Ruinart 2009 ging es natürlich um den Wein, aber viel mehr noch um Weinbereitung in Zeiten des Klimawandels. Diesen roten Faden verfolgte Panaiotis, ohne vor Details zurückzuschrecken. Umso interessanter.

Jahrgangspräsentation in Coronazeiten

Der Klimawandel und die Champagne
Dass der Klimawandel tiefgreifende, umwälzende Folgen in diversen Lebensbereichen mit sich bringt, hat man mittlerweile mitbekommen. Wie heftig diese Folgen sein werden, bleibt abzuwarten, doch dass sie massiv sein werden, kann man bereits heute, erdgeschichtlich nach einer sehr kurzen Zeitspanne, sehen. Wie groß diese Herausforderung ist, wird immer deutlicher und wird die Arbeit in der Champagne prägen, so Panaiotis.
Konkret gesprochen: milde Winter, immer wärmere Temperaturen generell. Natürlich gibt es von Jahr zu Jahr  Schwankungen, es kommt aber verstärkt zu extremen Ausschlägen, starker Frost im Frühjahr bspw., der die aufgrund der Wärme früher ausgetriebenen Blüten zerstört. In Extremfällen kann das riesige Ernteverluste bedeuten. Im Vergleich zu den 1960er-Jahren beginnt die Lese in der Champagne im Schnitt zwei bis drei Wochen früher.
Für ein so nördliches Weinbaugebiet wie die Champagne ist das durchaus nicht nur problematisch. Mittlerweile könnten die meisten Jahre zum Vintage werden, im Schnitt könne man acht oder neun Jahrgänge pro Jahrzehnt machen, führt der Kellermeisteraus. Früher sei es viel häufiger so gewesen, dass man, wenn man einen Jahrgang verpasst hatte, gern drei oder vier Jahre warten musste, bis der nächste machbare kam. Und das sieht man auch am Angebot auf dem Markt. Auch schlecht bewertete Jahrgänge gibt es vom einen oder anderen Produzenten als Jahrgangschampagner. Und diese mögen nicht die größten Champagner aller Zeiten sein, doch haben dennoch gute Qualität. Wie gut machbar viele Jahrgänge durch den Klimawandel, die moderne Kellereitechnik und akribische Arbeit im Weinberg sind, führt Panaiotis am Beispiel der letzten drei Jahre aus. 2018, 2019 und 2020 werden (Mitte der 2030er-Jahre) als Dom Ruinart und Dom Ruinart Rosé auf den Markt kommen. Der Kellermeister erwartet nach den ersten Eindrücken ein ähnlich starkes Trio wie 1988, 1989 und 1990.

Die Champagne als Emissionsquelle
Die Folgen des Klimawandels sind also spürbar, doch Panaiotis beleuchtet auch die Rolle der Champagnerindustrie als CO2-Emittent. Die größte Emissionsquelle bei der Weinproduktion generell sind Verpackung und Transport (60-65%), hieran zu arbeiten, ist erklärtes Ziel des Hauses: So schnell wie möglich CO2-neutral sein und zügig die Emissionen senken. Panaiotis betont, dass das gesamte Thema extrem komplex sei und es keine schnellen Lösungen oder Abkürzungen gebe. Um die Emissionen aus Verpackung und Transport zu senken, wurden bereits die klassischen Geschenkboxen abgeschafft und durch eine kompostierbare, aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellte Papphülle ersetzt. Diese ist notwendig, um den Blanc de Blancs in seiner Klarglasflasche vor dem gefürchteten Lichtgeschmack zu schützen. Die CO2-Emissionen der Verpackungen wurden somit um 60 % gesenkt, ferner wurde jede Form von Lufttransport bei Ruinart verboten.

Nun also der neue Jahrgang Dom Ruinart. Es ist 2009. Das überrascht dahingehend, dass der Vorgänger aus 2007 stammte und das exzellente, kraftvolle Jahr 2008 somit ausgelassen wurde. Panaiotis geht auf diese Tatsache ein und führt aus, dass das Jahr einerseits nicht optimal für Chardonnay war und andererseits mit seiner Kraft, Säure und der anfänglichen Verschlossenheit nicht zum eleganten, duftigen, floralen und zugänglichen Stil des Hauses passt. Auch dies ein Nebeneffekt des Klimawandels: Man muss nicht jeden Jahrgang machen, zumindest nicht als großes Haus, das über entsprechende Reserven und finanzielle Sicherheit verfügt.

Der Chardonnay ist schon immer die Traube des Dom Ruinart. Der namensgebende Mönch studierte im 17. Jahrhundert Philosophie und Kunst bei Paris (denn dort waren die Bücher), lernte verschiedene Sprache und war gebildet. Der Trend hin zum Champagner zeichnete sich bei der Pariser Oberschicht bereits ab, Thierry Ruinart gab diese Information an seinen Neffen weiter. Dieser war in der Champagne aufgewachsen. Er wurde aktiv und gründete 1729, 20 Jahre nach dem Tod seines Onkels, das Champagnerhaus Ruinart. Seit dem ersten Jahrgang der Prestige Cuvée, 1959, steckt der Ideengeber, Dom Ruinart, im Namen des Champagners.
In jedem Jahrgang befinden sich Weine aus den exzellenten Chardonnay-Grand-Crus Le Mesnil, Chouilly und Avize. Dazu kommen, je nach Jahr, manchmal Cramant (wie im Fall von 2009) und Oger. Dazu kommt noch Sillery, der einzige Grand Cru außerhalb der Côte des Blancs mit mehr als 50 % Chardonnaybestockung. Die Weine aus der Côte des Blancs (82 %) geben Eleganz, Frucht und Finesse, die aus der Montagne de Reims steuern Kraft und Struktur bei. Nach durchschnittlich zehn Jahren im Keller kommen die Champagner in den Verkauf. Das Degorgement ist dabei stets mindestens ein Jahr her. Im Fall von 2009 waren es zwei Jahre, denn der Markt für Spitzenchampagner blieb von der Pandemie ebenfalls nicht verschont.
2009 war der Sommer sehr trocken, dementsprechend konnten vollkommen gesunde Trauben gelesen werden. Das Säurelevel war etwas erhöht, sodass die malolaktische Gärung voll durchgeführt wurde.

Dom Ruinart 2009
100 % Chardonnay; 4 gr. / L; Gabriel-Glas; deg. 2018
Nase:
Austernschale und Kreide. Weiße Blüten, Akazienhonig. Auf der fruchtigen Seite Pfirsich, grüner Apfel und Zitronenschale. Lemon Curd und Vanille legen eine herrliche Cremigkeit über die Frucht, aber keine fette Buttercrème, sondern eher Samt und Seide.
Gaumen:
Eine tolle Balance. Seidigkeit, Kreide, Säure (nicht bissig, aber präsent). Die Struktur ist ansprechend, präsent, aber nicht dominant. Weiße Blüten, feine Frucht (Pfirsich, Birne und Zitrone). Insgesamt filigran und frisch auf der Zunge. Eine wirklich schöne Säure macht den Champagner zum Ende hin schlank und lebendig.

„I hate the word minerality.“, sagt Frédéric Panaiotis. Ein erstaunlicher Satz in einer Weinwelt, in der es immer wieder um Terroir, Boden, Mineralität geht. Aber der Ruinartstil fokussiert diese Ebenen nicht. Es geht um Zugänglichkeit, Leichtigkeit, Frische. „Simplexity“ nennt der Kellermeister das. Wenn man ein Glas von seinen Weinen trinkt, weiß man, was er meint.

 

Dom Ruinart 2009

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Torben Bornhöft

Torben Bornhöft beschäftigt sich seit 2004 leidenschaftlich mit Themen rund um Bar, Cocktails und Genuss. Nachhaltig geprägt durch fünf Jahre im Hamburger Le Lion und die Likörproduktion mit Forgotten Flavours liegt Torbens Fokus hier mittlerweile auf den Themen Champagner, Infusionen und Twists auf Klassiker.

2 Kommentare

  1. Maurice

    Toller Beitrag!
    Ich bin auch gespannt, was der Wetterwandel an Neuem bringen wird. Vielleicht auch eine Chance für andere Länder, Schweden zum Beispiel?

  2. Torben Bornhöft

    Danke!
    Ja, das wird spannend. So extrem im Norden bin ich skeptisch, aber im Moment sieht es ja leider so aus, dass der Klimawandel rasant voranschreitet. Wer weiß, wohin die Reise geht…

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