Enzian, Apfel und ein blogübergreifender Drink – Spiritus Rex Martini Gentiana

Über Schnaps für Fortgeschrittene schrieben wir kürzlich. Nicht jeder Brand erschließt sich sofort, einige sind mitunter kratzbürstig oder unzugänglich.

Erdigkeit ist ein Aroma, das diese Eigenschaften oft mit sich bringt. Bei Roter Bete oder bestimmten Pilzen und Wurzeln kann man diesem Geschmack begegnen, somit auch bei Destillaten aus diesen Produkten. Damit umzugehen, kann eine echte Herausforderung sein. Aber die Ergebnisse sind oft auch spannend. Unvergessen ein Drink mit Mezcal und Geist von der Roten Bete von Florian Faude – superb!

Erdigkeit assoziiere ich fast immer mit einem dunklen Aromenprofil. Wärmend, für den Winterabend am Kamin, voluminös und mit großer Breite. Doch erdig geht auch anders: hell, champignonartig, wild und prägnant. Eine solche Erdigkeit findet man in Matthias Sieverts Martini Gentiana: ein Brand vom Roten Martini und Enzianwurzel.

Enzianwurzel hat eine lange Tradition in der Spirituosenherstellung. Als Zutat in Magenbittern, Likören oder als Enzianschnaps ist die äußerst bittere Wurzel schnell dominant und gibt den Ton an. Für solch einen Enzianbrand ist selbst „unzugänglich“ oft noch ein Euphemismus, die Bitterkeit schlägt brachial durch, die Aromatik ist schwierig und anspruchsvoll. Darum ist die Abfüllung von Spiritus Rex eine Mischung, neben der Enzianwurzel wandert Roter Martini (eine Apfelsorte, nicht der italienische Massen-Wermut…) mit in die Maische. Gemeinsam werden die beiden Zutaten vergoren und langsam gebrannt.

Spiritus Rex Martini Gentiana

Spiritus Rex Martini Gentiana
Nase:
Enzian. Viel Enzian. Kräftige erdige Note, schon in der Nase ist die Bitterkeit zu spüren. Hohe Präsenz. Der apfelige Duft kommt sehr nachgelagert und am Rande.
Gaumen:
Das Destillat hat ordentlich Kraft, die den ersten Eindruck prägt. Der Enzian entfaltet aber weit mehr Noten als nur erdige Bitterkeit. Vielmehr ist der Brand geprägt von einer großen, tiefgründigen Würze, fein austariert mit bitteren Noten und sanftem Apfel. Auch ein Hauch Marzipan schleicht sich ein, das verbindend wirkt. Insgesamt erscheint der Brand mit etwas Zeit im Glas immer aufgefächerter, es werden mehr und mehr Nuancen freigelegt.

Dem Apfel grundiert hier, der Enzian ist aber deutlich erkennbar der Star des Brandes. Vor allem in der Nase lässt er dem Apfel nur wenig Spiel, am Gaumen hingegen ist die Balance da. Außerdem ist der Brand deutlich vielschichtiger, als die Nase es vermuten lässt.

Natürlich ist ein Edelbrand oft in erster Linie ein Digestif, dies mag für Enzian noch im Besonderen gelten. Aber bei solche einem außergewöhnlichen und durchsetzungsstarken Aromenprofil drängt sich ein Cocktail auf.

Wie man diese Aromatik einfängt, haben Matthias Friedlein von Augustine Bar und ich uns gefragt – und gemeinsam einen Drink ersonnen.

All your favourite Bands
4 cl Gin
2 cl Martini Gentiana
2,5 cl trockener Wermut
1 cl Cointreau

Rühren, straight oder auf Eis servieren, mit Zitronenzeste parfümieren

„Mit welchem Gin?“, entspann sich ein Dialog bei Signal.
„Ki No Bi würde wohl gehen“, antwortete ich . Matthias schrieb zeitgleich:
„Ich hätte an Ki No Bi gedacht!“

Wir waren uns da also sofort einig. Es braucht hier einen klaren, trockenen Gin mit klassischem Geschmacksprofil und viel Tiefe. Und er hätte ganz sicher gut gepasst – aber in sehr fröhlicher Runde kurz nach Weihnachten landete mein Rest Ki No Bi in einem pitchergroßen Rührglas mit sechs Bergamot Gimlets… Darum fiel am Ende meine Ersatzwahl auf Sipsmith. Ging auch gut!

All your favourite bands

Der Drink weist einerseits den Charakter eines Martinis auf, der minimalen Süße durch den Cointreau zum Trotz. Doch andererseits ist er komplexer und umfangreicher, das Aromenprofil wird viel weiter aufgefächert. Und es wird deutlich, wie durchsetzungsstark das Enzian-Aroma ist. Eine runde Mélange entsteht, viel alkoholische Kraft, trocken. Der Apfel gibt einen Hauch von Frucht, die helle erdige Note wird eingefangen und abgerundet. Ob man den Drink straight, im Martinistil, serviert, oder lieber auf Eis, ist Geschmackssache. Straight entwickelt sich eine schöne Spannungskurve mit zunehmender Temperatur, auf Eis mit entsprechender Verwässerung. Freude macht beides. Die Namenswahl für den Drink übernahm dankenswerterweise Matthias; zum Glück haben wir einen ähnlichen Musikgeschmack. Cheers!

 

 

Es gilt wie immer unser Disclaimer: Wir schreiben nur über das, was wir mögen! Trinklaune.de hat zur Verkostung eine Produktprobe erhalten. Daran geknüpft war weder die Verpflichtung zur Berichterstattung noch eine Einflussnahme auf den Inhalt des Artikels.

Torben Bornhöft

Torben Bornhöft beschäftigt sich seit 2004 leidenschaftlich mit Themen rund um Bar, Cocktails und Genuss. Nachhaltig geprägt durch fünf Jahre im Hamburger Le Lion und die Likörproduktion mit Forgotten Flavours liegt Torbens Fokus hier mittlerweile auf den Themen Champagner, Infusionen und Twists auf Klassiker.

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