Reduktive Töne, Feuerstein, wenig Frucht, hohe Intensität – prinzipiell keine überraschenden oder ungewöhnlichen Verkostungsnotizen zu Wein. Aber als Teile meiner Notizen zum neuen Jahrgang Dom Ruinart doch einigermaßen unerwartet. Was ist da los?
Dom Ruinart ist das Flaggschiff des klassischen Champagnerhauses Ruinart, das neben Moet et Chandon, Veuve Clicquot, Armand de Brignac, Dom Pérignon und Krug Teil des Champagnerportfolios der Luxusmarke LVMH ist. Da fallen diese Aromen ein Stück weit aus meinen Geschmackserwartungen und auch aus den Erfahrungen mit anderen Jahrgängen dieses Champagners (2006, 2009), die auf der charmanteren, leichteren und cremigeren Seite waren.
Was hat sich verändert?
Nach wie vor besteht der Wein für Dom Ruinart aus einer Batterie exzellenter Chardonnay-Lagen: Le Mesnil, Chouilly, Avize, Cramant an der Côte des Blancs und Sillery aus der Montagne de Reims. Eine große Veränderung gab es aber tatsächlich: 2010 ist der erste Jahrgang Dom Ruinart, der unter Kork reift und nicht unter Kronkorken, nachdem erste Versuche mit einer kleinen Charge Dom Ruinart 1998 vielversprechende Ergebnisse zeigten. Kellermeister Panaiotis hat einen besonderen Fokus (siehe hier) auf die große Rolle der Sauerstoffzufuhr bei der Reifung; die stets gewünschte Frische in den Champagnern von Ruinart kann durch zu viel Sauerstoffaustausch in Mitleidenschaft gezogen werden. Dies wird durch die Korken verhindert. Zu Beginn der Reifung ist die Sauerstoffkonzentration in der Flasche unter Kork deutlich höher, sie bleibt aber extrem stabil. Unter Kronkorken findet der Austausch permanent statt, sodass es irgendwann zu viel wird.
Neben diesem zentralen Faktor gilt 2010 als schwieriges Jahr in der Champagne, jedoch wurden insbesondere die Pinot Noirs in Mitleidenschaft gezogen. Kein Problem also für die Chardonnay-Prestige-Cuvée?

Dom Ruinart 2010
100 % Chardonnay; deg. 11/2020; 4 gr. / Liter Dosage
Nase:
Sehr einladend, flintig, Feuerstein. Hefe- und Brioche-Aromen folgen erst auf den Plätzen, wenn man Frucht aufschreiben möchte, wäre es am ehesten Birne, aber sehr dezent. Reduktiver, frischer Stil, mit etwas Zeit gerösteter Mais, der Duft der karamellisierten Stellen am Kino-Popcorn.
Gaumen:
Ganz schön intensiv, aber nicht brachial, Zitrus und wieder das Aroma aufeinander prallender Feuersteine; die Dosage ist schon wahrnehmbar, sie macht den Wein rund und ist gut eingebracht. Der Champagner hat viel Struktur und ist aromatisch dicht. Fast näher an einer sehr ausgereiften Winzerstilistik als an dem, was man von einem großen Haus prototypisch erwartet. Konzentration und Frische gehen hier Hand in Hand. Insgesamt ist der Wein ausgesprochen harmonisch, zugänglich, aber dennoch komplex.
Schon zum 2009er-Vintage schrieben wir, dass der Wein auch gut als Extra Brut verkauft werden könnte, mittlerweile steht genau das an prominenter Stelle auf dem Etikett. Der Wandel geht konstant seinen Weg und Ruinart beschreitet hier mutig einen Weg, der ein Stück weit auch eine Lösung von Gefälligkeit und eine Hinwendung zu einem Champagner ist, der etwas mehr Aufmerksamkeit verlangt, diese aber zweifellos belohnt. Und bei aller Theorie: Der Trinkfluss des Dom Ruinart ist ungebrochen.
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Trinklaune.de hat für die Verkostung eine Produktprobe erhalten. Daran geknüpft war weder die Verpflichtung zur Berichterstattung noch eine Einflussnahme auf den Inhalt des Artikels.
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