Burmester LBV 1964

Les Fleurs du Mal

In diversen Fachmagazinen und Gazetten war es bereits seit einiger Zeit zu lesen – Charles Schumann eröffnet eine neue Bar. Genauer gesagt keine komplett neue Bar, sondern eine „Bar in der Bar“. Mit dem „Les Fleurs du Mal“ sollte ein Rückzugsort für die gehobenen Trinkkultur innerhalb des Schumann‘s geschaffen werden. Dies mag auf den ersten Blick suspekt klingen, denn mehr Trinkkultur als im altehrwürdigen Schumann‘s wird man, auch global gesehen, wohl kaum finden. Dies ist ohne Frage richtig. Dennoch ist das Schumann’s zu Stoßzeiten, also eigentlich jeden Abend, bestens gefüllt und der Geräuschpegel steigt dementsprechend stark an. Desweiteren ist auch die, nennen wir sie Hugo-Szene, nicht unbemerkt am Schumann’s vorbeigeschwappt, so dass viele Gesprächspartner an der Bar nicht an Gesprächen über „Barrel aged“ Cocktails oder Ähnlichem interessiert sind. Dies ist auch nicht schlimm oder gar verwunderlich, dennoch wünschte sich manch geneigter Trinker einen Ort der Ruhe und des entspannten Trinkens ohne dabei auf die Atmosphäre des Schumann’s verzichten zu müssen. Diesen Ort hat Charles Schumann mit dem Fleurs du Mal geschaffen.

Das Fleurs du Mal liegt oberhalb des Schumann’s in einem separaten Raum, der früher hauptsächlich für Verkostungen genutzt wurde. Nach der Renovierung beinhaltet der Raum nun, grob gesagt, diverse in die Wand eingelassene, dezent beleuchtete Spirituosenschränke und einen langen Tisch. Tisch ist in diesem Zusammenhang übrigens durchaus wörtlich zu nehmen, denn an diesem aus einem Stück (!) gefertigten, neun Meter langen Tresen aus Nussbaumholz sitzt man auf eleganten Stühlen in eben jener Höhe und nicht wie gewohnt auf hohen Barhockern mit baumelnden Beinen. Charles Schumann ließ sich dabei von Sushi-Restaurants in Japan inspirieren und sorgt dadurch für ein durch und durch entspanntes Sitzgefühl. Auf dem Nussholztresen liegt ein weiteres ca. 10 cm dickes Brett aus demselben Material, welches den Bartendern um Dietmar Petri als Arbeitsstation dient.

Fleurs du Mal Tresen

Ich hatte bis jetzt das Vergnügen, dass Fleurs du Mal zweimal zu besuchen. Einmal alleine am 19.10.2013, zwei Tage nach der Eröffnung, und zusätzlich am Abend vor Allerheiligen im Rahmen eines gemütlichen Pärchenabends mit den Kollegen Markus Budai (budi’s foodblog) und Florian S. Küblbeck (Stilschreiber, CaptainCork) und unseren Mädels. An meinem ersten Abend im Fleurs du Mal saß ich bereits kurz nachdem dieses seine Pforten öffnete am Tresen und genoss einen optisch und geschmacklich hervorragenden Port Cobbler und einen Warre’s Vintage Port 1994 – Dazu jedoch später mehr. Am zweiten Abend trafen wir erst ein, als das Fleurs du Mal bereits bis auf den letzten Platz (ca. 25 Personen) gefüllt war. Dadurch, dass es in dem Raum keine separaten Tische gibt, konzentrierte sich das Geschehen voll und ganz auf den Ablauf am Tresen. Das sympathische Bartender-Duo Dietmar Petri und Johannes Möhring schafften es dadurch jedem Gast die gleiche Zeit und Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, als säße man alleine an der Bar. So unterschiedlich die Art meiner beiden Besuche daher auch war, so sehr glichen sie sich auch. Eine schöne Erfahrung.

Warre's Vintage Port 1994

Warre’s Vintage Port 1994

Nun aber zum Abend selbst. Als Aperitif gönnte ich mir einen Bottle aged Boulevardier Cocktail der, im Gegensatz zur Standard-Rezeptur, einen erhöhten Anteil an Bourbon Whiskey aufwies. In der rund zweimonatigen Reifezeit in der Flasche harmonisierten sich die einzelnen Aromen auf angenehmer Art und Weise und die Bittere des Camparis trat dezent in den Hintergrund. Insgesamt ein sehr komplexer und fordernder Drink, der perfekt auf das anstehende Essen einstimmte.

Pünktlich nachdem wir unsere Aperitife geleert hatten, führte uns Johannes Möhring in einen weiteren Nebenraum des Schumann’s, wo ein reichhaltig gedeckter Tisch vor uns stand. Viele kleine Köstlichkeiten, wie beispielsweise die Schumann’s Klassiker Tatar und Roastbeef, warteten nur darauf von uns genossen zu werden. Der dazu gewählte 2005er Crozes Hermitage von Alain Graillot passte trotz seiner noch recht harschen Tannine gut zum Essen, blieb mir jedoch nicht nachhaltig in Erinnerung. Nach diesem reichhaltigen Abendessen wurden wir wieder zurück ins Fleurs du Mal geführt, wo nun der Hauptgrund unseres Besuches auf uns wartete: Portwein!

Charles Schumann besitzt eine legendäre Portwein-Sammlung, die er bereits seit Jahrzehnten hegt und pflegt und zu welcher es einige Anekdoten zu erzählen gibt. So würde beispielsweise das Schumann’s ohne diese Sammlung in seiner derzeitigen Form nicht existieren. Dies hier aufzuführen würde jedoch den Rahmen sprengen, weshalb ich empfehle sich folgendes Video von Hendrik Thoma anzuschauen.

Für das Fleurs du Mal entschied sich Schumann seinen Keller zu öffnen und bietet Connaisseuren somit die Möglichkeit an seinen teils legendären Flaschen teilzuhaben. Selbstredend wollten wir uns diese Gelegenheit nicht entgehen lassen und orderten auf Empfehlung des Barchefs einen Warre’s Vintage Port 1997. Dieser zeigte an der Nase eine fruchtige, fast marmeladenartige Süße und ein Potpourri von Beerenfruchtaromen. Die Beerennoten präsentierten sich in ähnlicher Form auch am Gaumen und waren eingebettet in eine seidenweiche Gesamtstruktur die lediglich von einigen Tanninen gestört wurde und in einem langen Nachklang endete. Der zwei Wochen vorher verkostete Warre’s Vintage Port 1994 war geschmacklich ähnlich, wirkte auf Grund der geringeren Präsenz der Gerbstoffe jedoch harmonischer und runder. Für mich als Portwein-Neuling definitiv ein Highlight!

Das wahre Highlight sollte jedoch noch folgen, als Dietmar Petri eine Auswahl verschiedener Portweine aus dem Keller holte. Wir entschieden uns, nicht ohne Risiko, für einen 1964er Late Bottled Vintage von Burmester. LBVs reifen länger im Fass als normale Vintage Ports und eignen sich im Gegensatz zu diesen bereits kurz nach der Abfüllung zum genussvollen Verzehr. Unsere Abfüllung wanderte im Dezember 1969 in die Flasche und es war zumindest ungewiss ob der LBV noch im vollen Umfang zu genießen war. Auch der brüchige Korken erhöhte unsere Hoffnungen nicht zwangsweise. Der Port belehrte uns dann jedoch eines Besseren. An der Nase keine Spur von oxidativen Alterungsnoten, sondern ein sehr frisches und klar definiertes Aromenbild, welches ich blind keinem knapp 50 Jahre altem Portwein zugeordnet hätte. Himbeeren und Aromen von feinem Zucker bestimmten das insgesamt kräftige Geruchsbild. Am Gaumen wirkte der LBV weniger wuchtig als die beiden Vintage Ports von Warre’s, sondern wunderbar elegant, fein und zu keiner Zeit spritig. Ein von Charles Schumann persönlich dazu serviertes Birnenküchlein sorgte dafür, dass sich dieser Genussmoment tief ins Gedächtnis einbrannte. Wir haderten danach mit der Entscheidung einen weiteren Portwein zu bestellen um uns den Genussmoment nicht zu verderben und ließen den Abend deshalb entspannt mit einem Glas Bruno Paillard ausklingen.

Burmester LBV 1964

Burmester LBV 1964

Auch wenn ich bisher nur wenige Stunden im Les Fleurs du Mal verbringen durfte, so glaube ich doch sagen zu dürfen, dass es Charles Schumann gelungen ist einen Rückzugsort in der modernen Gesellschaft für all jene zu schaffen, die Ruhe und Trinkgenuss auf höchstem Niveau suchen. Das unaufgeregte und hochprofessionelle Service-Team um Dietmar Petri setzt diesen Gedanken konsequent um und sorgt dafür, dass das Fleurs du Mal bereits jetzt eine Hochburg des Genusses ist. Chapeau!

Robin Stein (†)

Robin Stein, Jahrgang 1987, war studierter Lebensmitteltechnologe und der Jüngste im Team. Sein Weg führte ihm nach dem Abitur 2006 über ein viermonatiges Praktikum in Pusser's New York Bar in München nach Bergisch-Gladbach, wo er eine Ausbildung als Hotelfachmann im Schlosshotel Lerbach absolvierte. Seine persönlichen Honigfallen waren Champagner, Obstbrände, Wein und Whisk(e)y.

1 Kommentar

  1. Oh, wie schön, habe vor ca. 1 Jahr eine Flasche des Porteines aus einem dunklen Keller befreit..;-)

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