Spiritus Rex – Obstbrände aus einer anderen Liga. Nicht nur eine Stählemühle-Nachfolge.

Der Markt an hochwertigen Destillaten ist heute wirklich riesig. Tausende Gins, große Mengen Rums, von Whisk(e)y ganz zu schweigen. Da fällt die Auswahl manchmal schwer, aber unersetzliche Produkte gibt es nicht viele. Was gerade nicht verfügbar ist oder nicht mehr hergestellt wird, wird ersetzt. Aber es gibt sie, die Brände, die man wirklich vermisst, wenn sie nicht mehr destilliert werden. Für mich stehen hier in allererste Reihe die Brände der Stählemühle von Christoph Keller. Ikonen der Obstbrandgeschichte, unglaublich kreative Produkte, tatsächlich nicht weniger als perfekte Schnäpse. Umso schwerer wog der Verlust, so nachvollziehbar die Gründe waren. Medial fand dieser Rückzug ein erstaunlich großes Echo für ein dem Genuss nach wie vor zu oft abgewandtes Land, in dem ein Blechhaufen für 60.000 € in der Garage eine große Nummer ist, einem Destillat für 75 € für die halbe Flasche aber sofort das Dekadenz-Etikett angehängt wird. Doch der Mythos Stählemühle, die perfekte Geschichte, die eben so gelungen ist, da sie nicht nur Marketing-Gewäsch ist, hat die Menschen erreicht. So berichteten auch Medien, deren Schwerpunkte in anderen Bereichen liegt. Der Bericht aus der brand eins sei hier stellvertretend empfohlen.

Die Frage nach der Nachfolge war schnell gestellt. Es gibt eine Menge großartige Brenner im Land und bei den Nachbarn, aber Kellers Konzept war einzigartig. Die Deutsche Spirituosen Manufaktur war schnell zur Stelle. Die Optik der Flaschen ist ähnlich, ebenso die Nummerierung der Destillate. Die Auswahl wirkt auch vertraut, sogar die Nomenklatur aus Herkunftsort und Frucht. Über die Güte der Destillate sagt das nichts aus, aber das Prinzip ist klar Stählemühle – und ein Vakuum ist da.

Einen ganz anderen Ansatz mit Christoph Kellers Erbe fährt Matthias Sievert mit Spiritus Rex. Und Erbe geht hier tatsächlich weit über das Ideelle hinaus – denn Sievert hat große Teile des Ausstattung seines Freundes Keller übernommen, um seine eigene Version der Idee des perfekten Brandes umzusetzen.

Die Ausgangslage ist spannend. Sievert ist von Haus aus Händler für Pharmaforschungsbedarf, er kommt nicht aus dem Spirituosenbereich. Das Motiv, sich hier zu verwirklichen, war der Wunsch, aus einer Frucht das Allerbeste herauszuziehen. Das perfekte Aroma. Das ist der Ansatz, den Sievert seit 2008 verfolgt. Längere Zeit hat er dieses Ziel dahingehend verfolgt, für sich und seine Freunde „guten Schnaps“ zu brennen. Als Kuckucksbrenner, häufiger in Ungarn, wo es noch ein Jedermannsrecht fürs Brennen gibt. Aktuell entstehen seine Brände noch im Nachbarort, wo er sich in einer Destille einmietet, doch Sievert erwartet zwei maßgeschneiderte Anlagen im Juni oder Juli dieses Jahres, für die gerade ein altes landwirtschaftliches Gebäude in der Nähe seiner Streuobstwiesen ausgebaut wird. Denn „aus Spaß ist Ernst geworden und Ernst ist jetzt ein paar Jahre alt“, so Sievert. Der Stein, sich endgültig zu professionalisieren, wurde von Christoph Keller ins Rollen gebracht. Als Sievert sich auf die Suche nach kompromissloser Qualität bei Obstbränden machte, lernte er – quasi zwangsläufig – Christoph Keller kennen und der Kontakt der beiden riss nicht mehr ab. Eine Zeit lang war Sievert beruflich häufig in Konstanz, die räumliche Nähe befeuerte den Austausch. Als 2016 dann feststand, dass Christoph Keller die Schnapsbrennerei aufgeben würde, bot er Sievert die Flasche und Betriebsausstattung an. Nach Rücksprache mit seiner Frau entschied sich Sievert, den Schritt zu wagen. Er schaffte mit zwei Vierzigtonnern das Gros der Ausstattung der Stählemühle in seinen Heimatort Malente. Einmal durch Deutschland, 900 Kilometer von Süden nach Norden, vom Bodensee in die Holsteinische Schweiz.

Matthias Sievert, Spiritus Rex (Copyright: Matthias Sievert)

Den Namen der Stählemühle zu übernehmen, kam für Sievert nicht in Frage. Es stand fest, dass er das Erbe fortführen, aber auch seine eigenen Ansätze einbringen wollte. Durch seinen professionellen Hintergrund stehen ihm Möglichkeiten offen, von denen andere Brenner wahrscheinlich noch nie gehört haben: Vakuumöfen, Homogenisatoren, Zelldisruptoren, Drucktanks für die Vergärung. Bei einigen Destillaten verläuft die Mazeration in einem Wärmeschrank, um das Ergebnis noch weiter zu optimieren. Mit der Professionalisierung einher ging die Notwendigkeit, zu wachsen. Um kontinuierlich Nachschub und Innovation anbieten zu können, werden neben den erwähnten Brennanlagen (300 Liter und 80 Liter) auch ein Labor sowie eine Gästewohnung in der neuen Destille eingerichtet, um Studenten für Forschungsprojekte gewinnen und unterbringen zu können. Denn das Forschen, so Sievert, sei das, was ihn am gesamten Prozess am allermeisten interessiere. Das letzte Quentchen herauszukitzeln – das treibt ihn an. Alles finanziert er aus eigener Tasche, vom Angesparten, ohne Bank oder Investoren im Hintergrund. Ein beträchtliches Risiko also, das neue Verpflichtungen nach sich zieht. Eine der größten Herausforderungen: Name, Logo, Design. Dieser Prozess hat drei Jahre gedauert. Eine überarbeitete Website mit Shopsystem ist für Ende Februar geplant und auf der Suche nach fantastischen Ausgangsprodukten reiste er nach Kirgisistan, um den Ur-Apfel und die Ur-Walnuss zu finden. Vor Ort hat er sich in kleinen Dörfern rund um den Yssykköl-See die ältesten Bäume mit den wohlschmeckendsten Äpfeln zeigen lassen, deren Triebe mitgenommen und vor Ort in Schleswig-Holstein auf seiner Obstwiese aufgepfropft. Niemand kennt diesen Apfel namens Kransteen. Wenn die Bäume Früchte tragen, werden sie ganz sicher in ein Destillat wandern.
Einen gewissen Fokus auf Produkte aus dem Norden kann man dem Portfolio von Spiritus Rex mit Bränden vom Holsteiner Cox, Finkenwerder Herbstprinz oder Kirschen aus Dänemark erkennen. Aber Sievert sagt, er sei kein Lokaldogmatiker, was die Herkunft seiner Grundzutaten betrifft. Am Ende geht es um Qualität – und um die bestmöglichen Zutaten.

So weit Sieverts Geschichte. Aber was machen die Brände? Aus dem Portfolio schauen wir uns zwei Vertreter an – die Blutorange Bloody O, in bester Stählemühle-Manier, und Double B, einen Geist aus Bergamotte und Bourbon Vanille.

Spiritus Rex Double B

Spiritus Rex Double B (Geist aus Bergamotte und Bourbon Vanille)
Nase:
Selbst wenn das Glas nur auf dem Tisch steht, findet der Duft schon seinen Weg in die Nase. Einladend, permanent changierend zwischen Zitrus und Vanille. Beides ist da, gleichwertig. Die Bergamotte wird von der Vanille eingefangen, die Vanille wiederum von der Bergamotte. Was absurd klingt, funktioniert bestens. Zwei Aromen, die schnell überhandnehmen, ergänzen sich in Perfektion.
Gaumen:
Äußerst kraftvoll begegnen sich die beiden Aromen. Viel Zitrus, immer wieder akzentuiert von Vanille. Das Duftige, Feine, Charakteristische der Bergamotte wird ins Glas gebannt, ohne dass es zu parfümiert erscheint, was bei Bergamotte immer wieder passiert. Die Vanille bespielt eher die tiefere, etwas dunklere Seite. Sie grundiert, legt die Basis. Auch am Gaumen scheinen sich die beiden Aromen immer wieder abzuwechseln. Hat man das Gefühl, dass jetzt nur noch Bergamotte bleibt, kommt die Vanille – umgekehrt funktioniert es genauso.

Dieser Geist ist eine vollendete Spirituose. Die Aromatik ist brillant austariert, man hat den Eindruck, diese Kombination gehört schon immer so und nicht anders. Als hätte man die aromatische Komplexität eines traumhaften Desserts ins Glas gebannt, natürlich völlig frei von Süße oder Schwere. Perfekt.

Spiritus Rex Bloody O

Spiritus Rex Bloody O (Geist von der sizilianischen Blutorange)
Nase:
Ganz viel Zeste, ätherische Öle. Pur, rein, ganz typisch Orange.
Gaumen:
Ein sehr kraftvoller Brand. Extrem rein und typisch. Das Zestige prägt den Brand, hier geht es nicht um saftige Frucht, sondern um Konzentration. Das, was den Charakter jeder Zitrusfrucht ausmacht – die Aromatik der Schale – ist hier extrem prägnant herausgearbeitet. Mundfüllend und mit enormem Nachhall. Das Destillat lässt einen ausgesprochen erfrischenden Eindruck am Gaumen zurück, wie das Sorbet vorm Hauptgang. Hohe Intensität, dennoch frei von Schwere und Gewicht.

Was soll man sagen. Ein exzellentes Destillat, definitiv. Das Wesen der Frucht steckt in jedem Schluck, hervorragend balanciert und voller Trinkfreude.

Ein Wort noch zum extrem gelungenen Design. Die Flaschen von Spiritus Rex sind klar geprägt von der charakteristischen Stählemühle-Flaschenform. Auch das Etikett klebt an derselben Stelle und das typische, lose hängende Halsetikett findet sich auch wieder. Nur das kleine Siegel auf dem Korken ist verschwunden. Und doch steht hier keine Flasche der Stählemühle. Das Erbe wird weitergetragen, aber klar modernisiert. Die Flaschen wirken eigenständiger, einen angenehmen Hauch exzentrisch und deutlich individueller. Die Balance aus Neu und Alt ist hervorragend getroffen.

Bei Spiritus Rex steht mit Matthias Sievert kein Nachahmer an der Brennblase. Hier wird die Idee weitergesponnen. Keller schreibt auf der Website der Stählemühle: »Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist«, rät eine alte Lebensweisheit. Und, nun ja, was soll ich sagen, wir finden es jetzt eigentlich ziemlich schön. Wir wenden uns daher neuen Zielen und Aufgaben zu und schließen dieses Kapitel.

Ganz simpel. Kellers Kapitel ist geschrieben. Sieverts hat gerade erst begonnen. Und sein Ziel ist klar formuliert:

„Wir hauchen Früchten Seele ein. So entstehen Schnäpse, die so unverwechselbar sind, wie der Mensch, der sie genießt.“

Perfectio in spiritu

 

Es gilt unser Disclaimer: Wir schreiben nur über das, was wir mögen!
Trinklaune.de hat Produkte von Spiritus Rex zur Verkostung erhalten. Daran geknüpft war weder die Verpflichtung zur Berichterstattung noch eine Einflussnahme auf den Inhalt des Artikels.

Torben Bornhöft

Torben Bornhöft beschäftigt sich seit 2004 leidenschaftlich mit Themen rund um Bar, Cocktails und Genuss. Nachhaltig geprägt durch fünf Jahre im Hamburger Le Lion und die Likörproduktion mit Forgotten Flavours liegt Torbens Fokus hier mittlerweile auf den Themen Champagner, Infusionen und Twists auf Klassiker.

Monkey 47 Distiller's Cut 2019
Bereche Brut Reserve

3 Kommentare

  1. Danke für diesen Artikel – direkt bestellt und probiert. Kenne die Idee hinter diesem Geist noch von der Stählemühle. Aber DAS muss sich defintiv nicht verstecken! Wundervoll!

  2. Torben Bornhöft

    Das freut mich, Christian! Viel Spaß damit!

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